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Grosz, George [Ill.]; Galerie Flechtheim [Mitarb.]
George Grosz Ausstellung — Veröffentlichungen des Kunstarchivs, Berlin, Band 1: Berlin: Das Kunstarchiv Verlag, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.62245#0015
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empfundenen Sitten schilde-
rungen eines Hogarth ge-
nießen und bewundern.
Dann auch wird klar er-
kennbar sein, was sich heute
nur flüsternd andeuten läßt:
daß nämlich dieser Grosz
den preußisch - protestanti-
schen Geist kulturell stärker
vertritt, als dies seine Mit-
welt je eingestehen wird.
Bei der Überfülle zeichne-
rischer Arbeiten, die Grosz
in der leßten Dekade ge-
schasfen hat, sind natürlich
nicht alle Sachen gleich-
wertig. In den besten aber
erkennt man eine so diszi-
plinierte und präzise Zweck-
seßung des Ausdrucksmit-
tels, das in der knappsten
Form die größte Wirkung
findet, daß man hier von
einer preußischen Tradition
im besten Sinne des Wortes
sprechen kann. Und in dem
bittern Kampf, den Grosz
gerade mit dem ihm als Auswuchs erscheinenden und entarteten
„preußischen Geist“ des militaristischen Wachtmeistertums, der
brutalen Gewaltherrschaft und der Monokel-Physiognomie der
sinnlos zur Fassade degenerierten Form führte, liegt vielleicht die
stärkste, ihm unbewußte Betonung seines eignen, rein idealen
Preußentums.
Hier liegt wahrscheinlich auch der Schlüssel zu seiner — mehr
gefühlsmäßigen als logischen — Asfinität zu dem mit negativ-
preußischen Vorzeichen versehenen und mit der straffen Diszipli-
niertheit und Klasseneinteilung arbeitenden Sozialismus, zu dem
ihn allerdings noch ein andrer Wesenszug hinführen mußte. Grosz
ist als Künstler eine so stark aristokratisch und individualistisch be- /
tonte Tlatur, daß ihm die sozialistisch-kollektivistische Ginstellung
notwendige Balancierstange werden mußte.
Grosz ist der ewig Protestierende, der sich gegen die sentimentale
"Verlogenheit, das unsentimentale Ausbeutertum und die grunzende
Wollust der Mitwelt aufbäumt und sie voll Bitterkeit bekämpft. Fr
bekundet eine geradezu fanatische Religiosität und den brennenden
Idealismus eines weißglühenden Propheten- und Bekennertums.


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