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Fontenelle, Bernard Le Bovier; Gottsched, Johann Christoph
Herrn Bernhards von Fontenelle, der königl. pariser Akademie der Wissenschaften beständigen Secretärs, und der französ. Akademie daselbst Mitgliedes, Auserlesene Schriften: nämlich von mehr als einer Welt, Gespräche der Todten, und die Historie der heydnischen Orakel — Leipzig, 1766 [VD18 14344734]

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https://doi.org/10.11588/diglit.31779#0718

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692 V. Fomenellens Betrachtungen
länglich genug, den Schmerz zu mindern, daß man einen,
den man liebet, leiden sehe, und diesen Schmerz auf den-
jenigen Grad hinunter zu sehen, allwo er anfängt, sich in
ein Vergnügen zu verwandeln. Man beweinet die Un-
glücksfälle eines Helden, dem Man günstig geworden ist,
und tröstet sich auch noch in demselben Augenblicke deswegen;
weil man weis, daß es eine Erdichtung ist. Eben aus Vie-
ser Vermischung der Empfindungen aber, entsteht ein ange-
nehmer Schmerz, und solche Thranen, die uns Vergnügen
bringen. Da auch übrigens eine solche Betrübniß, die
durch den Eindruck empfindlicher und äußerlicher Gegen-
stände verursachet wird, starker ist; als der Trost, der nur
aus einer innerlichen Betrachtung entspringt: so müssen in
dergleichen Werken die Wirkungen und Kennzeichen des
Schmerzens die Oberhand behalten.
H. 97. Diejenigen Personen, welche dergleichen Thrä-
nen aus den Augen locken sollen, müssen rührend und lie-
benswerth seyn. Allein wie soll man sie rührend und liebenö-
werrh machen? Zuvörderst ist es genug, wenn sie nur un-
glücklich sind. Bey allen empfindlichen Leuten ist es schon
ein Verdienst, daß man in große Drangsalen gerathe: denn
diese ziehn von selbst die Zuneigung nach sich, wofern sonst
nichts ist, das selbige zurück treibt. Der Held oder dieHel-
dinn eines Stücks finden hiedurch den Zuschauer in sehr ge-
neigter Verfassung: und um daß er ihre Unglücksfälle be-
daure, brauchet es nichts mehr, als daß sie ihm nur in kei-
nem Stücke misfallen.
z8. Man muß aber wohl acht geben, daß dieser
Sah nur von denen Personen gilt, die aus der Geschichte
nicht sehr bekannt sind, und von denen man keinen gar zu
erhabenen Begriff hat: diese machen uns gar leicht aufmerk-
sam. Dergleichen ist Antiochus in der Rodogune.
Cäsar und Alexander aber werden nicht sehr rührend seyn;
wofern sie demjenigen keine Genüge thun, was man von
diesen Namen erwartet. Es ist auch nicht genug, daß man
nur
 
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