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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0353

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DIE FORM / MONATSSCHRIFT FÜR GESTALTENDE ARBEIT
die Wesensart dieser Produktion herauszuholen und organisch zu verarbeiten, aber nicht zu verstecken
in der Imitation einer Handarbeit. Daß auf die Handarbeit, das hochwertige Handwerk gerade auf
diesem Gebiet nicht verzichtet werden kann, ist sicher, denn mit die besten Leistungen des Handwerks
finden wir heute gerade auf diesem Feld. Aber sie soll auch nicht aus irgendwelchen sentimentalen
Gründen als die allein seligmachende hingestellt werden.
Wie der Weg gefunden werden wird zu der neuen Form, wer soll das wissen? Wohl nicht in den
Spuren der heute maßgebenden Kreise. Gut Ding will eben Weile haben, und wesentlich wird auch
hier sein, daß der Geist der Frau zur Sprache kommt, die sein will, was sie ist und nicht scheinen
will, was sie nicht ist.
Woran liegt’s?
Bemerkungen zu dem Gestaltungsproblem in unserer Zeit
von Richard Lisker, Maler, Naumburg (Saale)
Wenn ich versuche, eine Einzelfrage, wie es die Bedeutung des Stoff drucks für die Mode ist, in den
Zusammenhang mit dem Gestaltungsproblem zu bringen, so ist dabei freilich nicht zu vermeiden,
daß ich vieles darüber sage, was schon oft gesagt wurde, und wahrscheinlich richtiger, vielleicht sogar
gerade das, was ich am stärksten betonte. Aber man halte mir dann die alte Erfahrung zugute, daß
jeder die Welt neu zu entdecken glaubt.
Wir sind nicht zufrieden mit der Bilanz. Der Prozentsatz der in unserer Zeit hervorgebrachten Er-
zeugnisse, die wir für gut halten, scheint noch ziemlich gering. Woran liegt’s?!
Man mag über die Mode denken wie man will: sie ist! Man mag über die Fortschritte der Technik,
der Chemie, denken wie man will: sie gehen von Tag zu Tag weiter, und viele Kräfte sind tätig, die
Entdeckungen praktisch zu verwerten. Der bildende Künstler ist infolge seiner einseitigen Erziehung
leicht geneigt, mit Geringschätzung über dies Treiben hinwegzusehen und sich zu retten auf unzu-
gängliche Höhen.
Für seltene Ausnahmen mag dies richtig sein; für den weitaus größten Teil der schöpferischen
Kräfte ist’s Flucht, ist’s Ausweichen, das sich rächt, dessen Folgen wir spüren in einer mangeln-
den Gestaltung, einer Entgötterung der sichtbaren Welt. Seit 20 Jahren hört man den ver-
wünschten Ruf nach dem „Stil unserer Zeit“! Erkennen wird ihn in seiner Gesamtheit keiner von uns,
und es ist sicher, daß er nicht abhängt von dem Willensakt eines einzelnen oder einer Gruppe. Wenn
man sagt, daß die modernen Erzeugnisse der Technik — Flugzeuge, Autos, Brücken, Talsperren und
Fabrikanlagen in guten Lösungen am ehesten mit dem Formproblem fertig werden, so kann man daraus
erkennen, daß die schöpferischen Kräfte durchaus nicht nur bei den „Künstlern“ zu finden sind. Form
wird, und der Künstler ist ausführendes Organ in einem höheren Sinne. Es scheint, daß heute das
Maschinenprodukt den wesentlichsten Anteil an der Physiognomie des Stils unserer Zeit hat, daß die
Künstler nicht darum herumkommen, sich mit der Maschine und den modernen Produktions- und
Lebensformen auseinanderzusetzen, nicht zu fliehen, sondern an einem kleinen Gebiet mit positiver
Arbeit unter den heutigen Voraussetzungen anzufangen, richtiger gesagt, fortzufahren in den An-
strengungen, die ein Teil der vorigen Generation schon so glücklich begonnen hat.
Das 19. Jahrhundert war, besonders in den letzten Jahrzehnten, ausgefüllt von dem Kampf des
Handwerks gegen die Maschine, er hat für den weitaus größten Teil der Produkte mit dem Siege der
Maschine geendet. Durchdachte Maschinen, verbunden mit rationellen Arbeitsmethoden, Entdeckungen
der Chemie und Physik haben Produkte hervorgebracht, die die rein handwerklichen Erzeugnisse ver-
drängten. In erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen. Diese Entwicklung werden wrir, so bedauer-

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