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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

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Heuß, Hermann: Form und Garten
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https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0024
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ner vorbehalten. Vor allem hat man die
hochwachsenclen Arten zu entwickeln und
zu benützen gelernt, die einst gering geachte-
ten Stauden, die in der Zeit ihrer Blüte
wirklich schon raumbildende, gliedernde
Funktionen übernehmen, durch die Kraft
der Farben ungleich lebendiger, als jede
andere Anordnung auch durch Sträucher,
dies vermöchte. Auch in den niederen,
wuchernden, polsternden Sorten stecken un-
gemein räumliche, ebenenschaffende Werte.
Unberührt vom Wechsel der Anschauungen
blieb nur die Wertschätzung der Rose,
die allerdings in ihrer isolierenden Vor-
nehmheit weniger Formkraft in sich birgt.
Es ist ja schon richtig bemerkt worden, daß
das Experiment des „riesengroßen" (schau-
derhaftes Wort für das Zarteste der Natur)
Rosengartens in der letzten Dresdner Jahres-
schau ein kläglicher Reinfall war. Aber die
neue Blumentechnik hat in Busch- und
Rankrosen wundervolle Millel für Hek-
ken, Wandbildungen, Kaskaden, Bögen,
lauter räumliche Dinge, geschaffen, wie sie
die frühere Gaiienkullur nie kannte.

Die Komposition des Gartens, aus all diesen
Elementen genährt, bekommt etwas Wei-
ches, Fließendes, Gleitendes, Überleitendes:
Rhythmus. Hier wird die Verbindung mil
dem wesentlichsten Grundzug unserer neuen
Architektur wieder sichtbar, wenn man von
den Prinzipien zweiten Ranges, wie Zweck-
erfüllung, Konstruktionsform mtd dergl.
absieht. Ich möchte ihn primitiv bezeich-
nen mit Sehen um die Ecken, d. h. Durch-
dringung des Körpers so, daß eine Seite die

anderen erzeugt, nicht schlechthin kubisches
Empfinden, sondern das Herumleiten, das
unlöslich Zusammenbinden, das schließlich
wie Gewachsene, jeden Augenblick schein-
bar sich Bewegende. Nicht, die Bewe-
gungstendenz des Barocks, die mehr Glie-
derung in die Tiefenrichtung bedeutete und
ihr zidiebe die Seitenüberführung gering-
schätzte. Es kommt dadurch eine Musika-
lität, eine Spannung dynamischer Einwir-
kungen in die Architektur, die ganz zweifel-
los etwas Neues darstellt und mir das Ein-
zigbleibende scheint, im Grund eine Aktivi-
tät des Gefühls, nicht auf der Basis bieder-
meierlich-gemülvoller Romantik, sondern
einer weltmännischen Sicherheit, wie sie
eine Zeit der Eroberung des Raumes er-
zeugen muß. Der Garten neuen Gepräges
sammelt die lautlose Musik des Landes
und der Pflanze zu Klängen zusammen, die
im Haus weiterschwingen und ihre letzte
Steigerung finden. Heimat wohnt darin
auch, anders als im Sinn erstorbener, künst-
licher Tradition, sonders einer beseelten Er-
findung der besonderen Landschaftsforiu.
Noch stehen wir hier im Beginn; aber die
Zeit ist gut, mächtige Kräfte strömen sehn-
süchtig von überall herzu, und wir nähern
uns einer Blüte der Gartenkunst, die mehr
als Synthese der beiden Prinzipien: Form-
und Landschaftsgarlen, bedeutet. Dies isl
auch Gewähr, daß die eigentlich treibenden,
seelischen Kräfte der Zeit gesund sind.

Das im Verlag von Trowitzsch & Sohn, Frankfurt a. ü.
erschienene Werk von Harry Maaß: Große und kleine
Gärten, bringt zu diesen Ausführungen ausgezeichnete
Beispiele.

DETAIL AUS EINEM GARTEN / JAKOB OCHS HAMBURG

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