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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 3.1928

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Fries, Heinrich de: Entwurf zu einem produktiven Stadion
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https://doi.org/10.11588/diglit.13709#0188
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Wesen nach einem Theater gleichgeordnet, es
kann und muß sicherlich ganz ähnlich wie dieses
angeordnet und aufgebaut werden.

Weitere Erwägungen galten dem Umstände,
daß Sportplätze erst nach Feierabend benutzt
werden, Werkräume, Lagerräume, Büros usw. in
der Regel aber nur bis zu diesem Zeitpunkte be-
trieben werden, also Treppen, Bäder, Garderoben-
räume, Toiletten, Zugänge, Kontrollen usw. zeit-
lich nur immer von einer der beiden Nulzungs-
arten in Anspruch genommen werden, was sogar
Möglichkeit bieten würde, solche Sportanlagen
mitten in Industrieanlagen einzuordnen, wo die
Art der Betriebe es gestattet, oder maschinelle
Arbeit der elektrischen Kraft sich bedienen kann,
wie z. B. in Mitteldeutschland, im Rheinlande,
in Baden und Württemberg, in der Schweiz usw.
Der Verfasser ist sich auf der anderen Seite
durchaus des Umstandes bewußt, daß Stadion-
anlagen möglichst mit den Grünanlagen der Kom-
munen in der Regel verbunden werden sollten.

Zu den Abbildungen noch einige Erläuterun-
gen: Die Gesamtanlage ist, um eine zuverlässige
Lösung zu erzielen, in die bestimmte Situation
einer mitteldeutschen Industriestadt eingeordnet.
Die Straßen, Plätze, Himmelsrichtung usw. ent-
sprechen also tatsächlichen Bedingtheiten! Der
Hauptzuzug von der Stadt her ist im Norden des
Geländes (Beethovenstraße). Nach Osten hin
schließt sich ein großer parkartiger Friedhof an,
im Süden befindet sich der Schützenplatz und
andere Grünanlagen.

Von besonderer Bedeutung für den Aufbau und
das Verständnis des Entwurfes ist die Himmels-
richtung. So ist der nördliche Teil der Anlage,
das Wasserstadion, in seiner eigenartigen Form
zu erklären aus dem Wunsche, den Anfall der
Nordwinde, Nordost- und Nordwestwinde ab-
zuriegeln, was durch Staffelung der Kabinen-
anlagen mit vorgelagerten Terrassen und durch
die Winkelführung der Anlagen am Nordpunkt
erreicht wurde. Durch die Winkelöffnimg nach
Süden ist zugleich der Sonne vollster Einfall ge-
währt, auch noch der Vor- und Nachmittagssonne,
während die höhergeführten Bauten am Nordende
außer als Windschutz für das Wasserbecken
gleichzeitig nach innen zu als Sonnenfang in
Funktion treten. Das Wasserfeld selbst ist rela-
tiv groß aus der Erwägung heraus, daß die An-
lage eines großen Schwimmbeckens in allererster
Linie der Erholung der werktätigen Bevölkerung
dienen soll, erst in zweiter Linie rein sportlichen
Zwecken. Die Anlagen in Duisburg und Düssel-
dorf z. B. werden an einem Nachmittage von
15 bis 20 000 Menschen benutzt. Es erscheint
auch aus diesen Gründen nötig, die lange Recht-
eckform der Schwimmbassins zu verlassen, da sie
erholungstechnisch und sonnenlechnisch unprak-
tisch und unerfreulich wirken. Wie die Abbildun-
gen ferner zeigen, macht die Einordnung der

neuerlich vorgeschriebenen 50-m-Trainings- und
Kampfbahn ebensowenig Schwierigkeiten wie die
Eingliederung der Wasserballfelder, der Sprung-
türme usw. Für Zuschauer bleibt überall mehr
wie genügend Platz, nicht zuletzt auf den Terras-
sen vor und auf den Dächern über den Kabinen.

Eine bereits vorhandene west-östlich verlau-
fende Straße führt mitten durch die Stadion-
anlagen und erlaubt den Sportlern und Preis-
richtern ungehinderten Zutritt sowohl zum Was-
sersladion wie zum Fußballstadion ohne Kolli-
sion mit den Zuschauermassen. Über die Straße
hinweg sind beide Anlagen mehrfach verbunden.
Was das Fußballfeld selbst betrifft, so sind die
üblichen Normen in den Dimensionen beibehal-
ten, wobei zu erwägen bleibt, ob nicht eine engere
Umgrenzung des eigentlichen Fußballfeldes für
die Zuschauermassen und ihren Kontakt mit den
Spielern von größerem Werte wäre. Besonders
die Plätze an den Schmalseiten des Ovales sind
naturgemäß schlecht, da hier die Anlagen für die
Leichtathletik die Zuschauer vom Spielfelde ent-
fernen, das sie außerdem in einer ungünstigen
Überschneidung sehen. Es muß untersucht wer-
den, ob es nützlich ist, die Stadien nur mit Bück-
sicht auf die Aschenbalm der Läufer in den
gegenwärtig üblichen Ausmaßen weiter zu ent-
wickeln, ob es ferner nicht möglich sein sollte,
die Leichtathletikplätze anderweitig anzuordnen,
wo sie auch von den Tribünenplätzen der Längs-
seiten wirklich günstig beobachtet werden können.
Man sieht auch hier, daß die Stadien der Gegen-
wart in sehr wesentlichen Punkten einer neuen
Durchformung durchaus bedürfen, und daß auch
Iiier ein entschlossenes Abwenden von traditionel-
len Voraussetzungen nur zu günstiger Fortent-
wicklung führen kann.

Im Entwürfe sind die gesamten Zuschauertri-
bünen der West-, Süd- und Ostseite überdacht
und gleichzeitig in ihrem Unterbau „produktiv"
ausgewertet. Bei einer Verzinsimg von 15 M. für
den Quadratmeter würden die Nutzräume unter
diesen Zuschauerlribünen einen jährlichen Erlös
von ca. 360 000 M. abwerfen, eine Summe, die
unter der Voraussetzung 8prozentiger kommuna-
ler Anleihen ein Baukapital von 41/2 Millionen M.
verzinsen würde. Hierzu kämen noch als Sicher-
heitsfaktor die Einnahmen aus den großen sport-
lichen Veranstaltungen selbst, so daß also in Zu-
kunft mit einer Selbstverzinsimg der Stadien ge-
rechnet werden könnte, gleichgültig, ob die Vor-
schläge dieses Entwurfes oder andere Anordnun-
gen mit gleicher Zielrichtung dafür nutzbar ge-
macht werden. Auf der Nordseite des Fußball-
stadions befinden sich die Zuschauertribünen für
die Sportler selbst, für ihre Vereine, ebenso für
die Preisrichter, dahinter die Umkleideräume usw.
Der Einmarsch würde unter der Mitte der Preis-

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