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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Riezler, Walter: 1932
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0020

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also im wahrsten Sinne Zukunftsreiche von dem
wohl Neuen, aber Blasen gleich bald wieder Ver-
schwindenden zu unterscheiden vermögen. Wer
nicht an das Heraufkommen eines neuen Welt-
alters glaubt, für den wird 1932 kaum Wesent-
liches zu tun sein.

Unter den Berufenen die Auswahl zu treffen,
wird schwierig genug sein. Noch schwieriger
wird es aber sein, dann der Ausstellung die Form
zu geben, die ihrer Idee entspricht. Denn schließ-
lich ist eine Ausstellung, man mag die Aufgabe
so ernst und groß begreifen wie nur möglich,
doch mehr oder weniger eine nicht eigentlich or-
ganische Anhäufung von Erzeugnissen, und da-
mit, daß man diese Erzeugnisse nach bestimmten
Gesichtspunkten auswählt, ist noch nicht gesagt,
daß sie dann auch in ihrem eigentlichen Sinne
deutlich werden. Selbst wenn es gelingen sollte,
auf der Ausstellung all das zu zeigen, was von
der neuen Zeit ,,schaubar" ist (um eine bis jetzt
noch geltende Formulierung anzuwenden), so
könnte doch die erhoffte lebendige Wirkung aus-
bleiben. Ein Beispiel: es war vom ersten Auf-
tauchen der Idee an klar, daß der Technik ein
großer Teil der Ausstellung eingeräumt werden
müsse. Die Technik ist ja schließlich diejenige
Macht, in der sich das neue Weltalter am deut-
lichsten manifestiert, durch deren Walten die ge-
samte menschliche Kultur von Grund aus um-
geformt wird, — noch dazu, vom Standpunkt der
„gestaltenden Arbeit", die den Werkbund ja vor
allem angeht, eine Macht, die ein ganzes Reich
von neuen, höchst ausdrucksvollen Formen ge-
schaffen hat. Daß sie 1932 zum mindesten
gleichberechtigt neben den übrigen Abteilungen
stehen wird, ist schon aus der Tatsache zu fol-
gern, daß die Jubiläums-Ausstellung des „Ver-
bands der Rheinischen Industriellen" mit der Werk-
bundausstellung vereinigt werden wird. Diese
technisch-industrielle Ausstellung wird aber nur
dann sich in die Gesamtidee der Aussteilung
wirklich einfügen, wird nur dann „das maschi-
nelle Gesicht der neuen Zeit" anschaulich
machen können, wenn sie nicht wie die bisherigen
Industrieausstellungen nur eine Anhäufung von
— sicher ausgezeichneten und großartigen —
Maschinen und Maschinenerzeugnissen enthält.
Sonst wird sie beim Beschauer wohl ein Staunen
über diese unheimliche neue Formenwelt und
über die gewaltige materielle Leistungsfähigkeit
der Maschine hervorrufen, zu einem inneren
Verständnis oder nur zu einer Ahnung von der
eigentlichen lebendigen Bedeutung dieser neuen
Welt wird es nicht kommen. Dies kann nur dann
gelingen, wenn es möglich ist, die Technik in
ihrer unmittelbaren Auswirkung zu zeigen, d. h.

sie „erleben" zu lassen. Wie das im einzelnen
erreicht werden kann, das wird Gegenstand
gründlichster Überlegung sein müssen. Sehr
wesentliche Vorschläge sind bereits gemacht
worden: daß der gesamte Verkehr zur und auf
der Ausstellung — seien es nun Flugzeuge,
Schiffe oder Bahnen — zur unmittelbaren Ver-
lebendigung der technischen Idee benutzt wer-
den müsse. (Die „Liliputbahn", so niedlich sie
sein mag, reicht dazu nicht aus!) Überhaupt
wird die gesamte Ausstellung in einer so inten-
siven Weise mit den unerhörtesten technischen
Dingen zu durchsetzen sein, daß der Besucher
in jedem Augenblick diese Macht unmittelbar er-
lebt. Welche Möglichkeiten gibt es da allein für
die Elektroindustrie — aber alle diese Dinge
dürfen nicht einfach „ausgestellt" werden, wo-
möglich noch in einem unorganisierten Neben-
einander der verschiedenen Systeme, sondern
sie müssen im Dienste der Ausstellungsidee
stehen. Und vielleicht ergibt es auch ein glück-
licher Zufall, daß in der Nähe des Ausstellungs-
platzes oder von ihm aus zugänglich das eine
oder andere technisch-industrielle Werk, etwa
ein Großkraftwerk errichtet und für die Zeit der
Ausstellung in gewissen Grenzen zugänglich ge-
macht werden kann.

Und das Gleiche gilt nun auch für die übrigen
Teile der Ausstellung: es wird nicht genügen,
schöne und interessante Dinge „schaubar" zu
machen, es muß gelingen, sie zum „Erlebnis"
zu machen. Und dabei können — allerdings zu-
meist auf dem Wege über das „Schaubare" —
Komplexe von höchster Wichtigkeit aus dem
Bereiche der „Neuen Zeit" in die Ausstellung
aufgenommen werden, die sich scheinbar einer
Ausstellung entziehen. Die ungeheuere Bedeu-
tung der sozialen Umschichtung — neben der
Technik wahrscheinlich das wichtigste Moment
in der Gestaltung der neuen Zeit — läßt sich
unmittelbar „schaubar" nur in Tabellen und gra-
fischen Darstellungen „ausstellen". Sie kann im
Zusammenhang mit der Ausstellung in der ein-
dringlichsten Weise zum Erlebnis werden, wenn
es gelingt, bei dieser Gelegenheit ein neues
Stadtviertel mit wahrhaft mustergültigen Woh-
nungen der verschiedensten Typen, dazu noch
mit Schulen, Krankenhäusern, Sportplätzen usw.
zu bauen, wenn also diese Aufgaben, die durch
die Entwicklung einer Großstadt ohnehin gestellt
werden, bei der Gelegenheit der Ausstellung mit
besonderer Intensität zur Lösung gebracht wer-
den. Und wenn dabei auch manches zum ersten-
mal erprobt werden müßte, ohne die absolute
Sicherheit des Gelingens, — so denke man
daran, wie gewaltig das Problem der neuen Woh-

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