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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Wichert, Fritz: Die Frankfurter Schule für freie und angewandte Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0421
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Das Kleid in Bewegung

Modellklasse Prof. M. Klimt

am ehesten eine derartige auf Berufserfolg abzie-
lende Ausbildungsweise zu. Hier berührt sich die Auf-
gabe der Kunstschulen mit der der Berufs-, Bauge-
werk- und Fachschulen. Die Frankfurter Kunstschule
hat zwei Architekturklassen, eine für den gesamten
Hochbau (Baurat Ad.Meyer), die andere mehr fürWoh-
nungsbau und Innenausstattung (Arch. F. Schuster).
Ihr Lehrziel ist die Erziehung brauchbarer Hilfskräfte
für Architekturbüros und bei genügender Begabung
möglichst weitgehende Einleitung der Weiterent-
wickelung zum selbständigen Architekten. Der
Unterricht beginnt mit einer allgemeinen Orientie-
rung über die technischen, sozialen und wirtschaft-
lichen Voraussetzungen des Berufes. Das Lehrziel
wird als erreicht betrachtet, wenn der Schüler sich
bei jeder Aufgabe des praktischen Arbeitens zu
helfen weiß, wenn er den Sinn der Aufgabe erfassen
kann, die praktischen Behelfe beherrscht und das
Wesen der formalen Entwickelung erkannt hat. Voll-
endung und Sicherheit können erst durch die Praxis
errungen werden, doch soll der Schüler in jeder Hin-
sicht für sie vorbereitet sein.

Die Abteilung für Werbegrafik steht unter Leitung
von Prof. W. Baumeister. Auf keinem Kunstgebiet
grassiert verantwortungsloser und gewerbsmäßiger
Dilettantismus in solchem Umfang wie auf dem der
Werbegrafik. Professor Baumeister versucht, seine
Schüler mit Hilfe einer bestimmten Methode zur An-
wendung allgemeiner Flächengesetze zu erziehen
und durch strengste Forderungen hinsichtlich der

farbigen und figürlichen Komposition vor der herr-
schenden Verwahrlosung zu schützen. Das Modische
wird in dieser Klasse zwar berücksichtigt, doch nur
so weit, als es aus der Befolgung künstlerischer Ge-
staltungsgrundsätze abzuleiten ist. Es ist wegen
Raummangels leider nicht möglich, durch Abbildung
von Zeichnungen, Plakatentwürfen oder ausgeführ-
ten Drucksachen einen Begriff der ganzen Arbeit
dieser Abteilung zu geben. Alles, was in ihr geschieht,
ist darauf gerichtet, dem Abgleiten dieses Gebietes
der Gestaltung ins Ordinäre und Kunstlose durch
Vornehmheit und Meisterschaft entgegenzuwirken.

An einer Kunstgewerbe- oder Kunstschule Mode-
klassen einzurichten, hat nur dann Sinn, wenn die
Ausbildung in diesen Klassen sich auf künstlerische
Probleme beziehen läßt. Auch muß vorausgesetzt
werden können, daß die Durchführung des Unter-
richts zu einer wirklichen Beeinflussung der Mode-
industrie führt, daß etwas von den Gestaltungsprin-
zipien der großen Kunst in diese hineingetragen wird.

Die große Frauenmode, wie sie von einigen Punk-
ten, vielleicht auch nur von Paris aus die Welt be-
herrscht, hängt auch heute noch wie in früheren Kul-
turepochen vom herrschenden Kunststil oder doch
wenigstens von Kunstrichtungen ab. In ihrem Wandel
durch die Motive des Handels und der Industrie be-
dingt und in vieler Hinsicht Kollektivergebnis sind
ihre eindruckvollsten Leistungen dennoch ohne
Zweifel Schöpfungen künstlerischer Ausdrucksfähig-
keit und als solche Werke der angewandten Kunst.

Das Kleid in Bewegung

Modellklasse Prof. M. Klimt

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