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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Neurath, Otto: Kommunaler Wohnungsbau in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0120
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Wohnbauaufwands, der wird ausschließlich sten Amtsperiode an Wohnungen, Kindergärten, Bä-

aus Steuergeldern bestritten. dem usw. zu errichten beabsichtigen. Diese konkre-

Der Wohnungsbau der Gemeinde Wien beruht ten Verwaltungseinrichtungen stehen im Vorder-
wesentlich auf dem im Kriege geschaffenen Mieter- gründe der Propaganda und der Aktion überhaupt,
schütz, der bis jetzt — anders wie in Deutschland — Zwischen der Gemeindeleitung und der Bevölke-
nur unwesentliche Einschränkungen erfahren hat. rung ergibt sich ein sehr enger Kontakt. Jeder will
Wenn auch Neubauten dem Mieterschutz nicht unter- wissen, ob die gewählte Majorität ihre Pflicht erfüllt,
liegen, so kann der private Bauunternehmer doch nur In Publikationen, Museen, Ausstellungen gibt die
schwer zu einer Rente gelangen, solange die vor- Gemeinde fortlaufend eine Art Rechenschaftsbe-
handenen oder von der Gemeinde neu gebauten rieht von ihrer Arbeit, die den Bedürfnissen der brei-
Wohnungen wesentlich billiger sind als etwa in testen Massen angepaßt sein muß. Auch in ande-
Deutschland. Die Hauseigentümer beziehen so gut ren Städten ist viel gebaut worden, aber in Wien
wie keine Rente. Sie haben in Österreich ungefähr wurde der Grundsatz durchgeführt, daß der letzte
dasselbe Schicksal gehabt wie die Eigentümer von Mann die erste Wohnung erhalten soll. Viele Jahre
Spareinlagen oder von Kriegsanleihe oder anderen hindurch wurde ein Punktsystem angewendet, mit
Renten tragenden Papieren. Die Häuser sind in Hilfe dessen die Wohnbedürftigkeit — die nicht mit
Österreich gewissermaßen wie steinerne Anweisun- der Einkommenshöhe zusammenfällt — sorgfältig
gen auf Renten behandelt worden. festgestellt wurde (Kinderzahl, Wohndichte, Ge-

Als die jetzige Gemeindeverwaltung begann, fand sundheitszustand usw.). Wer die größere Punktzahl
sie besonders ungünstige Wohnungsverhältnisse hatte, bekam früher eine Wohnung. In Deutschland,
vor. etwa denen der Stadt Breslau vergleichbar. in den Vereinigten Staaten von Amerika und in vie-
Wenn auch in Wien eigentliche „Slums" fehlten, so len anderen Ländern ziehen in die neugebauten
waren doch die im 19. Jahrhundert neuangelegten Wohnungen im allgemeinen die besser gestellten
Wohnblöcke äußerst ungünstig aufgeteilt. Wenn Angestellten, Werkmeister, manche Arbeiter, und die
auch Straße und Fassade ordentlich aussahen, die frei werdenden Wohnungen werden von den nach-
Stiegenhäuser gut gebaut waren, die Höfe waren rückenden Schichten bezogen. Nur ein Teil der
klein, an Lichthöfen lagen nicht nur Aborte und neuen Wohnungen kommt in manchen Städten den
Küchen, sondern auch Kammern. Die Hälfte aller besonders kinderreichen oder sonstwie besonders
Wohnungen bestand nur aus einer Küche und einem belasteten Familien zugute, ja für die allerärmsten
Zimmer, wobei die Küche meist mittelbar beleuch- werden nur Notbaracken aufgestellt, was in Wien
tet war. so daß untertags Licht gebrannt werden vermieden wurde. Es trägt nicht dazu bei, den Le-
mußte. Die Klosetts lagen vereinigt außerhalb des bensmut einer ohnehin bedrückten Familie zu heben,
Wohnverschlusses auf den Gängen, ebenso die Was- wenn man sie in minderwertigen Wohnungen unter-
serleitungen. Überdies waren diese Wohnungen bringt. In Wien ist die Wohnung ein Mittel, den Be-
überdicht besetzt. Schwere Arbeit mußte geleistet drängten, den Arbeitslosen eine Insel der Belebung
werden, die nur dadurch etwas erleichtert wurde, zuteil werden zu lassen, solange man nicht die ge-
daß die Einwohnerzahl Wiens abgenommen hat. Die samte soziale Situation ändern kann. Die rachi-
Gemeinde ließ Elendswohnungen, vor allem Souter- tischen, die tuberkulösen Kinder bekommen zuerst
rainwohnungen räumen, dennoch ist jetzt der Woh- die hellen Balkone, die sonnigen Zimmer,
nungsbelag infolge der regen Wohnbautätigkeit klei- Das alles war dadurch erleichtert, daß die Woh-
ner als vor dem Kriege. nungen aus einer scharf progressiven Steuer gebaut

Die Gemeinde Wien errichtete nach dem Kriege wurden. Während die der Wiener Wohnbausteuer
Volkswohnungsbauten mit Etagenwohnungen und entsprechende Hauszinssteuer in Deutschland nur
Siedlungen mit Einfamilienreihenhäusern. Letztere zur Hälfte verbaut wird, wird in Wien zur Wohnbau-
wurden zum Teil von Genossenschaften ins Leben Steuer ungefähr ebensoviel von anderen Steuern
gerufen und verwaltet, von der Gemeinde im we- dazugezahlt, um den Betrag zu erhalten, der eine
sentlichen finanziert. Die Etagenwohnungen sind jährliche Wohnbauquote von etwa 5000 bis 7000
durchweg Eigentum der Gemeinde Wien, werden
aber unter Mitwirkung der Mieter verwaltet. Die
Wohnbauten werden von privaten Baufirmen errich-
tet, das Stadtbauamt hat die Bauleitung, die Ent- Wer zah|t die Wiener WohnbaüSteuer2
würfe werden von den verschiedensten Privatarchi-
tekten, fallweise auch vom Stadtbauamt gemacht.
Die Zahl der freischaffenden Architekten aller Rich-
tungen, die Bauaufträge erhalten, ist verhältnis-
mäßig groß.

Die Gemeinde Wien bemühte sich gleichzeitig, mit
den Wohnungen möglichst viele Gemeinschaftsein-
richtungen zu schaffen. So wie die Schule, die Für-
sorge, ist hier das Wohnen und Leben Ziel ent-
schlossensten kommunalen Wirkens. Während in
vielen anderen Städten Wahlen mit mehr oder min-
der allgemeinen Parolen gemacht werden, haben die
Sozialdemokraten bei den Wiener Kommunalwahlen,
die gleichzeitig mit den vorletzten allgemeinen Na-
tionalratswahlen abgehalten wurden, ausdrücklich . .... _ „ . ... . „ .. _ . .

... .... Aus: Wien, Deutscher Verlag für Jugend und Volk. Entwurf:

Ziffernmäßig angegeben, was Sie Wahrend der näch- Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum in Wien

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