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Frankfurter Kunstverein <Frankfurt am Main> [Hrsg.]
Katalog des künstlerischen Nachlasses enthaltend 116 Werke eigener Hand des am 23. Januar 1902 zu Frankfurt verstorbenen Malers Otto Scholderer: Versteigerung zu Frankfurt am Main, 29. April 1902 — Frankfurt am Main, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.20446#0007
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Vorwort.

Zum ersten Male wird dem Frankfurter Publikum Otto Scholderers
Kunst in ihrem vollen Umfange, in ihrer vollen Vielseitigkeit gezeigt.

In all der Wehmut, mit der man an den geschiedenen Künstler denkt,
könnte man wohl behaupten, es sei in seinem Sinne, daß man der "Welt
seinen Pteichtum erst dann zeige, wenn ihm selbst kein Anteil an der
Arbeit für seinen Kuhm mehr zufiele.

Der Lebende hat den weltlichen Erfolg nie durch äußere Mittel
zu erreichen gesucht und hat ihm nie ein inneres Opfer gebracht.
Otto Schold er er s Verhältnis zur Kunst war ernst und rein, alle seine
Kräfte nahm es in Anspruch.

Nur der Kampf ums Dasein, von dem er sich widerwillig seinen
Frieden stören ließ, konnte ihn dazu bestimmen, in ein Verhältnis zum
Kunstmarkt und zu Ausstellungen zu treten. System und Methode hinein
zu bringen, gelang ihm nie. Er vergaß ebenso leicht, verschickte ältere
Bilder zu reklamieren, wie er vergaß, neue rechtzeitig auszustellen.

Ihn fesselte die Kunst allein an sich!

Ein duftiger Fliederzweig, ein rosiger Pfirsich, eine goldene Birne,
eine weite Landschaft, ein enger Bauernhof, ein Häringsverkäufer oder
ein Märchenbild, — in alles vertiefte er sich, wie in ein Menschengesicht;
alles durchdrang er seelisch; seine einzige Aufgabe war ihm, was er
malerisch sah und erkannte, künstlerisch darzustellen.

Die künstlerische Darstellung, das war der Punkt, in dem
sich seine ganze Begeisterung, seine ganze Hingabe, seine ganze Energie
sammelte und concentrierte.

Um ihretwillen hatte er fast Alles vernachlässigt, was dem prak-
tischen Vorteil eines Künstlers zu dienen vermag.

Der Kunst, der wahren Kunst gehörte seine ungeteilte Liebe.
Sein volles Können stellte er in ihren Dienst, er ist ihr mit keinem
Striche untreu geworden.

Aber um die Kunst so zu lieben, wie er sie liebte, mußte man in
erster Reihe die Natur lieben, ihre Schönheit lieben, ihre Harmonie sehen!

Das that er reinen Herzens, wie ein Kind.

Als achtjähriger Junge machte er mit seinen Eltern und seiner
Schwester einen Frühlingsspaziergang in den Frankfurter Wald. Die
beiden Kinder gingen in immer lebhafterem Gespräch voraus. Nach
 
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