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Franzius, Georg
Kiautschou: Deutschlands Erwerbung in Ostasien — 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.47948#0157
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bezirke Jcntschoufu, Jtschousu, und Tsautschousu, sowie den Kreis
Tsiningtschou.
Nicht weit von Jentschoufn liegt einer der heiligsten Orte der
ganzen buddhistischen Welt, die Stadt Kiu-fav, in der 51 vor Christus
der Weise Kongsutse geboren wurde. Noch heute sollen etwa vier
Fünftel der 20 000 Einwohner dieser Stadt von ihm abstammen, oder
doch seinen Namen tragen. Der Kongfutsetempel von Kin-sao gilt als
einer der großartigsten und kostbarsten des chinesischen Reiches; seine
Wände sind mit Inschriften auf Tafeln bedeckt, welche von den Kaisern
aller Dynastien seit 2000 Jahren gestiftet wurden und die von frommen
Chinesen im Tempel anfgehäuften Opferspenden sollen das reich-
haltigste Museum chinesischer Kunstwerke bilden. In der Nahe unter
uralten Baumen, von denen eine Cypresse noch durch den großen Mann
selbst gepflanzt wurde, liegt sein Grabhügel.
In der benachbarten Stadt Tsin-Hien befindet sich das Grab
seines größten Apostels, des Mengtse und nur wenige Meilen von hier
der berühmteste Wallfahrtsort Chinas, die Stadt Taingan, am Fuße
des heiligen Berges Taischan, auf welchem chinesische Kaiser schon vor
mehr als vier Jahrtausenden den Göttern opferten. Hunderttausende
von Wallfahrern aus allen Teilen des Reichs strömen hier jährlich
zusammen und das ganze westliche Gebirgsland von Schantung wird
als heilig angesehen. Es ist also begreiflich, daß in solcher Gegend
die christlichen Missionen einen sehr schweren Stand haben.
Die „Gesellschaft des Göttlichen Worts" begann ihre Thätigkeit
zunächst unter dem Schutze Frankreichs, indem der 1879 von Stehl
nach China gesandte Missionar I. B. Anzer 1882 in dem einzigen
von Christen bewohnten kleinen Dorfe Puoli als Provikar seinen Sitz
nahm. Unter großen Schwierigkeiten und persönlichen Gefahren gelang
es Anzer innerhalb 3^2 Jahren gegen 150 christliche Gemeinden zu
bilden, wofür er 1886 den Titel eines Bischofs von Telepte erhielt.
Da das Ansehen Frankreichs in China gesunken und das Deutsch-
lands gestiegen war, so hielt Bischof Anzer, ein Bayer von Geburt,
es für Wünschenswerth, die Mission unter den Schutz des Deutschen
Reichs zu stellen, was ihm 1891 gelang. In diesem Jahre wütete
übrigens in Süd-Schantung infolge einer außergewöhnlich hohen
Ueberschwemmung des Hoangho eine große Hungersnot und durch die
daraus erwachsenen ungeordneten Zustände hatten auch die Missionen
jahrelang zu leiden, indem Räuberbanden und geheime Gesellschaften
die Gegend verheerten. Diese Banden wurden aber endlich von den
 
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