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NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 4.1935-1936

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Heft 5
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https://doi.org/10.11588/diglit.26619#0183
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Unser neuer Roman

Mmschmwenöe

Roman von Margarete Kurlbaum-Siebert

Zortsetzung.

F^riederike bot jede hilfe an.

5ie ging im Kuftrag der Mutter in die Staüt, um Lesorgungen
;u machen. Trotz der durchreisten Nacht fühlte sie sich nicht im geringsten
müde. kllle Stratzen wurden von üen aufreizenden hupenrufen der
liraftwagen durchheult, schon auf Zeldzeichenart. Überall sausten die
feldgrauen IDagen, von scharfen Lügeln die ganze Länge nach über-
spannt, die drautzen dazu dienen sollten, unsichtbare Orahtgefahren
auf den Stratzen ;u durchschneiden. Überall wogte klufgeregtheit und
Bewegung.

ver Leutnant von Llassen lief ihr in den lveg. )hr ünblick lietz ihn
gerade;u erstarren. Lr geriet in Lnt;ückung. „Gnädiges Zräulein
sollten doch noch verreist sein!"

Sie: „venken Sie, ich verlebe den lLrieg ;u öesuch in Kreiburg?
Zch bin heute morgen ;urückgekommen."

Lr: „Natürlich. Selbstverständlich. Ls konnte nicht anders sein.
üur, Jhr vater sagte. . . Jch wagte nicht ;u hoffen. . . Jch war in
ver;weiflung. Ich habe Jgnen schon ;weimal geschrieben, gestern und
heut. )ch wutzte nur noch nicht, wohin konnte ich die Lriefe schicken?
Üun aber stehen Sie leibhastig oor mir, sind hier, stehen oom himmel
gesandt oor mir. Ich darf Sie noch einmal sehen, sprechen, begrützen."

Sie lächelte doch. Leutnant von Vlassen war ein schöner Mensch.
Sie lietz sich herab und er;ählte. von üer üeise, die üacht hindurch.
über in Zreiburg sei es schön gewesen. Solche Legeisterung! lvie alle
diese Männer vom Schwar;wald herunterströmten, sofort, alle. „vom
Zstein war es immer, als schössen sie schon."

Lrseuf;te. „Beneidenswert, dieim Vesten.lvirmüssennachüutzland."

„Ich habe meinen vater überhaupt noch nicht gesehen."

Lr ging neben ihr. „heute müssen Sie gestatten. Üur für einen
Kugenblick. Jch mutz in die üaserne."

„vie neue Zelduniform steht Zhnen aber gan; gut", sagte sie.

Er lachte. „So?" gestand: „Uns gefällt sie natürlich gar nicht. Nun,
einstweilen im ürieg."

Sie hielt inne. „Jch biege hier ab, und Sie müssen ;ur üaserne dort
herum."

Er forderte: „Jch mutz Sie noch sprechen."

„üücken Sie denn schon gleich heute aus?"

„Nein. Nicht vor Mittwoch."

„Na. da haben Sie ja noch eine Lwigkeit."

Lr sah sie an, plötzlich finster. Nber sein Llick prallte an ihrem harten
und kalten ab.

„Nlso auf Iviedersehen, gnädiges Fräulein", sagte er, an seine Mütze
greifend. „Zch ver;ichte gewitz nicht."

Sie sah ihm nach. Lr ging rasch ohne sich um;udrehen. Guter Vlassen,
dachte sie ironisch. Nun, auch dieses Nbenteuer war ;u Lnde. 5lus.

Lat es ihr leid? Nein.

)hr vater war;um Nbendessen nach hause gekommen und begrützte
die Tochter. „vernünftig, datz du da bist."

Vas Negiment würde allerdings nicht vor Mittwoch ;iehen. vie
Ninder sr;ählten aufgeregt. Zm offnen hof der Jnfanteriekaserne
würden die Vajonette scharf geschliffen, und die Zunken sprühten
nur so von den wetzsteinen den Leuten um die Nöpfe, die drautzen
ans (öitter gepackt standen.

Gberst von Seweiden sagte unwirsch: „Vei mir werden die Lan;en
nicht auf der Stratze geschliffen."

vorchen wutzte noch anderes. vor alle Läden mit fremdsprachlichen
Schildern waren Leute ge;ogen. vas hotel de Nussie sollte sofort
sein Schild herunternehmen. Nber der Wirt hatte gesagt, ihm sei ein
reicher Nusse tausendmal lieber als das gan;e deutsche Lumpen-
gesindel. „va haben sie ihm alle Kenster eingeschmissen", sagte vorchen
froh und hatte dieses Schauspiel ;um Glück an der Seite der Brüder
miterlebt.

Ver Gberst betrachtete die Ninder vor ihm auch wehmütig. Seine
Zrau, die immer an seinen Llicken hing, ward ängstlich. Sollten die
Ninder nicht so viel auf die Srratze gehen?

Nusgeschlossen, es ihnen ;u verbieten. „Jhr bleibt immer beisammen.
Ludwig, du bist verantwortlich."

Nkartha bat Zriederike: „Wenn du wirklich so gut sein wolltest..."

„Jch bringe die Nleinen ;u Vett", sagte sie.

vie Nindergärtnerin, Lili Zrancke, hatte wortlos, ;erbrochen und
aufgeweint mit den andern bei Tisch gesessen. Jetzt kam sie. Jhre pflicht
tue sie. Zriederike wehrte ab. Zräulein Francke würde in einer Stunde
reisen.

Lili Zrancke war ein hübsches, sanftes Nkädchen, trug ein feines
Nöpfchen mit dicken aschblonden Zöpfen auf ihrem ;arten hals. Sie
verstand ihre Sache mit den Nindern und wurde in leiser Zestigkeit
mit ihnen fertig.

Nun satz sie im Ninder;immer ;erknickt auf einem Stühlchen, konnte
sich nicht fassen und weinte laut. Sie könne nicht anders und wenn
sie sich noch sehr schämen müsse, sagte sie schluch;end.

Sie hatte ihren verlobten schon viele Zahre hindurch geliebt. Seit
immer, wie sie sagte. Sie waren Nachbarskinder gewesen. 5lus ihrem
Täschchen ;og sie sein Lild. Zriederike sah es verlegen an, konnte
nur sagen: „Lr sieht so gutmütig aus", und vermochte nicht ;u be-
greifen, wie ein so feines Nlädchen wie Lili Zrancke war, sich in einen
so abgründigen Schmer; um einen Nlann warf, von dem Friederike
nur urteilen konnte: Nümmerlich. Linfach kümmerlich.

Zräulein Zrancke sprach von den Dpfern, die jeder veutsche jetzt
für Oeutschland bringen müsse. Nber dennoch, ihn hingeben, ihn,
ihren paul! Wenn er fiele, so war alles aus.

Zriederike sagte: „Lr ist doch noch nicht tot, und autzerdem kann
da keine Zrage sein, die Nlänner ;iehen gern mit."

Sie möchte am liebsten auch mit hinaus.

Zräulein Zrancke war der Nnsicht, nun ja, als pflegerin, um Wunden
;u heilen. Nimmermehr um ;u kämpfen. Nimmermehr, um auf Nlen-
schen ;u schietzen. Nein, da;u waren Zrauen nicht da. vas durften
Zrauen nimmermehr tun.

In der Nüche, in die Zriederike eintrat, pfiff der eine Vursche beim
Stiefelpuhen Nriegslieder, immer gellender und schneller. vie alte
Nöchin jZda brummte oor sich hin, und Zriederike verstand, datz sie
Gott anrief, die Welt trotz ihrer Sündenschuld ;u oerschonen, auch
wenn sie bis an ihre Lenden in Losheit, Un;ucht, Laster und ver-
worfenheit wate.

„Jda!" rief Zriederike, „Sie haben für veutschland ;u beten."

„Tue ich, tue ich! Nber auch unser deutsches vaterland satz auf der
Lank der Spötter und Gottlosen. Nuch unser deutsches vaterland hat
sich nicht makelsohne gehalten. Nun wird veutschland sehen, welch
furchtbares Strafgericht..."

„Sie dürfen den andern das her; nicht noch schwer machen", oerbot
Zriederike streng.

vie 5llte lachte giftig. „Oenen? vas her; schwer? vas denkt noch
auf dem letzten Nichterstuhl seiner Nlissetaten weder an Neue noch Lutze
und auch nicht an die ewige Seligkeit oder an Tod oder verdammnis."

ver Vursche kam dem Zräulein bis in den Zlur nach. Ls sei mir der
5llten nicht aus;uhalten.

von der Nüche tönte die Stimme laut: „Strafe sei nicht nach ihrem
verdienst. Gehe glimpflich mit ihnen ins Gericht. vu hast sie mit
Blindheit geschlagen, und wie können sie wissen, was sie tun!"

Zriederike ging ;u den Lltern. „5luch das noch", sagte Nlartha.
ver Gberst rief den Lurschen ab. Nlartha redete ernstlich mit der Nlten.

Zriederike schlief, einmal ;u Bett, sofort ein und schlief tief und
lange. 5lm nächsten vormittag, dem Sonntag, prallte sie, die Treppe
hinabsteigend, fast gegen den Leutnant von Vlassen an. Sie ärgerte
sich, fühlte sich belagert und sagte rasch: „Wenn Sie meinetwegen
kommen — ich bin heute morgen in jeder Nlinute überhäuft."

Lr antwortete, dunkelrot bis ;u den Dhren: „Im Nugenblick schickt
mich Zhr vater, nach Papieren. Vatz ich Sie gern noch gesprochen
hätte, habe ich Zhnen mitgeteilt. verweigern Sie mir diese grotze
Gunst, so werde ich Ihnen wohl kaum jemals wieder lästig fallen
können. " s^orkfehnnq a»f Jeike 154)
 
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