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NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 4.1935-1936

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Heft 14
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https://doi.org/10.11588/diglit.26619#0565
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<Forlsetz»ng von Seile 45Ü)

Nun hatte heinrich Thiel hier in Schwelm, mitten im Zabrikoiertel
sein grohes vereinshaus gegründet, mit Garten, Negelbahn, Zchau-
keln, Turngeräten, Nino. Mit Leratungszimmern für Mütter und
Lltern und für die Jugend jeden Nlters.

Lr sprach weiter: „Meine Nchtzehnjährigen, auch ältere, kommen in
meine Lese- und Nusspracheabende. Na, da geht denn alles durch einige
Stunden hindurch gan; brav. Sie passen untereinander wie die Luchse
auf, sind scharf, witzig, gescheit. Sie haben Lebensauftrieb und wissen
auch um ihn und sprechen sich höchst ungeschminkt aus. Jch lasse oiel
Nlassiker lesen. Sie lesen den Oon Larlos und Nabale und Liebe und
regen sich über diese werke genau so auf, als seien diese Stüäe vor-
gestern geschrieben und gestern der Offentlichkeit übergeben worden.
Zuletzt siegt an solchen Nbenden doch die Lust am eignen Lrleben. So
ziehen sie auf den Tanzboden. Zch werde aufgefordert mitzugehen.
Manchmal tue ich es. lvir waren eines Nbends ;u sieben. Kuf dem
Lan;boden: Luft natürlich grau,- dicke, stehende Nebelwolke oom Nauch,
von allerschlechtestem Labak. Nn drei Seiten sitzen die Mädchen, stumm
aufgereiht. Über ihnen schmettert die Musikmaschine in den Saal. Oie
Lurschen treiben sich fast alle um den Schänktisch herum. Nlanchmal
trägt einer ein Glas Lier oder einen Schnaps;u einem Nlädchen hin.
Nufforderung ;um Tan;. Stumm, seine hand breit unü schwer auf
ihrem Nücken, drehen sie sich. Sie tan;en übrigens fast alle ausge;eichnet.
Lei einem Gesangvereinsball sagte ein Tän;er;u einer meiner helfe-
rinnen, einer Geheimratstochter: ,Zräulein, Sie haben gewitz in der
Tan;stunde tan;en gelernt.' Sie, ihr ahnte schon allerlei, bejahte. ,Oas
merkt man^, erwiderte er, ,5ie huppen so? Nlso diese huppen gar
nicht, sondern tan;en. Ls ist schon ein vergnügen, ;u;usehen. Kn jenem
llbend stehe ich beiseite, betrachtend. Lin mir fremder Mensch kommt
;u mir. Oatz ich hier jedem bekannt bin, darf ich voraussehen. Lr sagt
;u mir: .Schmeitz einen Schnaps? Zch antworte: ,Line Tasse Naffee
will ich gern be;ahlen. glkohol nicht?

Lr greift in meine lvestentasche, wo er mein Nleingeld vermutet.
Ls ist nicht dort, denn ich weitz Bescheid. INit seiner andern hand ;ieht
er ein grohes krummes Messer, einen wahren Türkensäbel, aus seiner
hosentasche und fuchtelt mir damit unter der Nase herum. Zch war
nickck allein gekommen, aber meine sechs, die mieb hergebracht hatten,

tan;ten, oder wo waren sie sonst? plötzlich stehen sie wie aus der Lrde
gewachsen um mich, sind ;wischen mir und dem Nlenschen,- er ist fort,
abgedrängt, oerschwunden. Nachher auch aus dein Saal. Ghne 5luf-
sehen, ohne ein wort."

Zriederike hatte die Lllbogen auf den Tisch gestützt. Zhr Ninn in
den händen, sog sie ihm die Lr;ählung von den Lippen. „Grotzartig!"
sagte sie. „Und diesen Nlenschen wollen Sie die sogenannte Nultur und
Lildung bringen?"

„Nleine liebe Zrau von Llassen", antwortete er ihr, „dergleichen
was ich da er;ähle, kann ja als romantisch aufgefatzt werden, als Beweis
oon Nraft, von Urkraft sogar. Nber Leben ist keine Literatur. wir haben
nicht die geringste wahl. Lntweder wir lassen unsere städtische Nlasse
vertieren , denn still steht sie nicht für einen Nugenblick, sie bewegt
sich hinauf oder hinunter. Dder wir heben sie aufwärts. Zm ersten Zall
gehen wir todsicher über kur; oder lang an ihr;ugrunde. wahrschein-
lich über kur;. Zm andern müssen sie unsere Brüder im Geist werden,
wie sie gan; unsere Vrüder im Zleisch gan; gewitz sind."

„Vh", sagte heinrich Thiel und hob seine hand. „vor meinen Brüdern
da unten habe ich niemals Nngst. Nicht nur für mich nicht. was könnte
mir auch in der wildesten Nevolution geschehen? Sterben müssen wir
alle einmal. Nber, Zrau von Vlassen, davor habe ich Nngst: Oa sind
die Zehler und unsere Unreife, da ist unsere Lieblosigkeit und unser
verbrechen: wo bleiben unsere gebornen Zührer aus üen grotzartigen
Zamilien, sie, die uns echtes herrentum und echte Zührer;üchtung
bringen sollen? Nber sie wollen keine anderen volksführer sein als nur
höchstens im rohen und höchst überlebtem militärischen Nampf. Ooch
unser volk schreit nach ihnen als den Zührern auch für den so;ialen
Streit. Sie aber, die gebornen Zührer, hörten auf, selbst volk;u sein,
und taten ihre Lrüder aus der Tiefe, die allein ihnen Zührertum ver-
bürgen, verächtlich oon sich ab. Sie begreifen die Sehnsucht der andern
und vor allem ihr Necht überhaupt nicht und geben so ihr Zührertum
preis. 5ln wen fällt es? 5ln wen mus; es fallen? Sie wundern sich. 5ln
den volksfremden." »

Kriederike wurde dunkelrot. Nein Zweifel, er mutzte hertwig im
Sinne haben: sie konnten einander nur allernächst bekannt sein. hatte
er um hertwig gerungen, uni seine Seele, und hatte er sich ihm ent
;ogen, in seine höhen übermütigen GIan;es und Glückes hinein?



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gsn, l>llVk-X-rstinpssts so lisukig kir>6sl, cisnn lisgt's
riickt sm prsls, cisnn lisgt's sn ilirsn voriügliclisn
kigsosclisktsli: sn cisr grünciliclisn sbsr sclionsncisn
ksinlgungslcfskt, sn cism sngsnslimsn, srknsclisncien
Ossclimscic, sn cism mllcisn, ksinen Sclisum. ^ucli
51s solltsn ciie k>tl Vk^-2slinpssts sinmsl vsrsuclisn.

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