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NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 13.1944-1945

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Heft 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.2781#0014
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Älanch« Fra« fragt in Stundrn, die hrute keinan »rspart bleiden: „Warnm ser-
fährt daä Schicksal so hart mit uns? Fordert der moderne Krieg von der Frau
nicht »» viel? Warum müssen wir mehr leiden und mehr bestehen alL di«, di« vor un«
lebten?"

Ein Iahrhqndert lang blieb der deutschen Frau der Krieg in seiner »ollen Wirklichkei«
«rspart. Die Feldzüge von l»S4 und l»70 endeten schnell, mit glanzvollen Siegen und
grringen Berlusten. Was Krieg bedeutrt und durch Iahrhundert« bedeutet hat, wußte
man nicht mrhr. Und so «ntstand wn die Iahrhundertwend« das Bild der Frau, di«
den ausziehenden Krieger mit Blumen schmückt, sehnsüchtig und seelenvoll seiner har-
rend am häqLlichen Herd« sitzt und dem Heimkehrenden, die kleinen Kindrr an ihrer
zartrn Hand, aufschluchzend in die Srme sinkt. Der erst« Weltkrieg hat dirse süßlich-
fadr Dorstellung, die dem wirklich Gelrbtrn und zu Lebenden so wenig entspricht, gründ-
lich zerstört. SchonungSlos griff er in dai Dasein der Frau ein und forderte nicht nur,
»ie jeder Waffengang, das schwerstt Opfer, sondern den harten bitterrn, doch tapfer
bestandenen Alltag. Abrr selbst damals blirb die Heimat noch unbrrührt. Derwüstung
«nd Tod machten an ihren Gvenzen halt. Sicher waren der Frau das Leben ihrer Kin-
drr und ihr eigene«, ungefährdet blieben Hab« und Heimstatt.

Wir müssen tiefer in di« Bergangenheit zurückgrhen, um di« Frau in einer Lage zu
finden, di« der heutigen gleicht: « die Zeit, da di« Hausfraurn und Mütter in den be-
lagerten Burgen und Städten Kriegsnot erlitten und — wie aui manchem Bericht her-
»orgeh«, oft, überraschend «ft sogar, tapfer bestanden. Denn Deutschland gleicht heute
«iner Deste, die der Frind »on allrn Seiten berennt und im Innern zu zerstoren sucht.
Damals warfen Schleudermaschinen mächtig« Steinkugeln, Töpfe voll flüssigen Bleir
und grirchisches Feuer in dir Burgen. Sxäter zertrümmrrten zenMerschwtrr Cisenkugeln
die stattlichen Fachwerkhäuser der Städtr, in denen di« Frauen ihre umsangreichen
Haushaltungen hatten, Brandbomben zündeten und der Wind trieb das Feuer durch
di« engen Gassen. Heute ist den Bombern und ihren Vernichtung bringenden Lasten
kein Ort, keine Behausung im weiten Land unirreichbar. Damals wi« heute bewährten
sich tapfere Frauen, bezwangen die Furcht, wenn das Bersten der Geschosse bit in die
gewilbten Keller drang, wv si« «ährend akuter Grfahr Zuflucht fanden, griffen hrl-
frnd zu, wenn sie vorüber war, und hielten daj tägliche Leben in Gang, so gM es
moglich war, so auf weibliche Weise die Widerstandskraft der Gemeinschaft verstärkend.
Damals wie heute hing der Ausgang dri Kampfe« nicht nur von der kriegrrischen Tüch-
tigkei« und der Cntschlossenheit der Männer, sondern auch von der Berritschaft, Zähig-
keit und Unbeugsamkeit der Frauen ab.

Die Häuser waren damals auf den Kriegsfall vorbtreitet. Umsicht und Besonnen-
heit wurden von den Hausmüttem verlangt. Am sichersten Ort wurden di« Kinder ge-
borgen und dar Notwendige für sie bereitgestrllt. Vorräte brachte man in die Gewölbe
unter dem Haus. Silber- und Leinzeug wurde vergraben, Wertgegenständ« in geheimen
Kammrrn und Wandschränken verborgrn. Aus drn hohrn Bödrn und oberen Stockwerkrn
«ntfernte man, wai leicht brennbar war. Keln Lichtstrahl durfte bei Nacht aus den
Fenstern fallen. Sandsäcke und Wasser hielt man bereit, um zu lSsche«, sobald Feurr
aufkam. Männer und Kinder «arrn zu »ersorgen. Himger war Kampfmittel, je sorg-
samer di« Hauzfrauen die Vorrät«, dir eigenen und dann di« zugeteilten, auswerteten
und streckten, um so länger konnte sich die eingeschlossene Stadt halten. Vrrwundete
und Kranke erhirlten in den geschützteren Räimien Lager und Pflege, aus zertrümmer-
trn Häusern und brrnnenden StadNeilen Flüchtige Unterkunft, tröstenden und ermuti-
genden Zuspruch. Dazu leisteten di« Frauen Hilfsdienste bei der Derteidigung. Auf den
Burgen halfen sie beim Kugelgießen und Schwerterschärfen. In drn Städten trugen si«
heißes Wassrr «nd siedender Pech zu den Mauern. Stunden des Schrcckens »ermochten
mancher den Mut und den Antrirb, zu helfen, nicht zu lähmea. „Ich bin selber in

meiner SägemLhl« in «inem verborgenen Taubenschlag gesteck«, unserrr fünf, Tag und
Nacht, haben uni nicht aufrichten können und sind di« Kugeln herüber und hinüber
gesausff^, berichtet die Mülleritochter Anna Wolff 7SZ2 aus Schwabach in Franken.
Dennoch hat si«, nach «igener Todesbedrohung, den »om Feind verfolgten Bürgermeister
Triller und seine Frau unter Lebenrgefahr in emer Kammer ihrer Mühle s» lange ver-
borgen gehalten, bis er in Sicherheit gebracht wtrden konnte. Cs vergingen »ft Wache
auf Wochr, Monat aof Monat unter Entbehrungen und Strapazen, immer wiedrr
kamen Tage und Nächte »oll Schrecknis und Tod. Aber es ging um Bestand und Frei-
heit der Burg, dem Sitz ihres Geschlechtes, oder der Stadt, besonder« wenn sie als frei«
Reichistadt in hohem Ansehen stand. Dawider stand die Vernichtung. Das wußten auch
di« Frauen. Und sie wußten auch, daß ihre Standhaftigkeit, Klugheit und hausmütter-
liche Geschicklichkeit für di« kämpfenden Männer die beste Derstärkung waren. Ali die
Ratiherren einer süddeutschen Stadt zur llbergabe rieten, eilte Barbara Künkclin zisn
Stadtkommandantrn, Sberzeugt« ihn mit ihrer leidenschaftlichen Liebe zur Stadt und
ihrem Temperament, daß man durchhalten könne, organisirrtr mit ihm den Widerstand
und blieb ihm zur Seite, bis der Feind, an der entschlosscnen Verteidigung ermüdend,
abzog. Kolberg bewies noch in jüngerer Ieit, wclche entscheidend« Bedeutung der Haltung
drr Brvolkerung zukommt.

Bon 7S0S—181? stand Drerden unter wechselnden Geschicken in Kriegrnot. Dennoch
hielten Hauifrauen ihre Hauihaltung in Gang, wenn auch biiwrilen beim Einkauf di«
Kugrln ,m>ie Bremse^ schwirrten und das täglich auf dem Rathaui zugeteilte Brot
kärglich bemessen, ein Sack Erbsen eine Kostbarkeit war. Immer wieder hielten si« d«e
Kinder, selbst den Säugling in der Wiege bereit, si« durch geheime Ausgänge zu flüch-
ten. Und dennoch blieb Söknen und TSchtern die Erinnerung an glückliche Kindertag«.
Hatte die Stadt ein« Zeitlang einigermaßen Ruh«, s» öffneten si« ihr Haus den Freun-
den, deren „Gemeinschaft die Last der Zeit erleichterte". Am gastlichen Tisch mancher
Hauifrau wurd« damals »n deutschrn Landen in geheimen politischen Grsprächrn die
Erhebung vorbereitet.

Man kennt die Wennarer Frauen in ihren gepflegten Häuslichkeiten, in festlich-ge-
selligem Umgang mit den großen Männern in der Zeit der glanzvollsten Enffaltung
deuffchen Geistes und deuffcher Kultur. Daß manch eine von ihnen, in den schweren
Tagrn nach Iena und Auerstädt, Dorbild weiblicher Besonncnhrit und Tapferkeit wurde,
weiß man kaum. Herzogin Luise, di« Stille, Kühle, wenig Beachtete, blieb als einzige
des Hofes in der bedrohten Stadt, und wurd« nach jenen Schreckenstagen als wahr-
hafte ,^Landesmutteff' gcliebt und verehrt. Ihr Schloß bot sie als Zuflucht für Ge-
ängstete und Flüchtige, teilte buchstäblich den letzten Bissen Brot, die letzte Karwffel mit
ihnen. Trost und Crmutigung fand, wer immer in ihre Nähe kam. Aus Rllcksicht auf
diese tapfere Frau, die ,^neine zweihundert Kanonen nicht fürchtete", schonte Napoleon
ihr Land. Frau von Stein wrigert« sich, ihr Haus, iy dai schon di« Franzosen «indran-
gen, zu verlassen, bevor nicht der schwerverwundet« General, den sie vcrborgcn hielt,
gerettet war. Als sie zurückkam, war ihre Heimstatt, der Ort ihrer glücklichen Iahre mi»
Goethe zerstört, das schöne Crbe der Kinder bii auf den letzten silbernrn TeelSffel aus-
geraubt. Man könn« auch mit blechernen Löffeln essen, erwidert« die zarte, schon mehr
als sechzigjährige Frau. Christiane Dulpiui, Iohanna Schopenhauer und manche ander«
schließen sich diesen an.

Durch die Iahrhunderte stand die Frau im Kriege «nter ähnlichem, sogar glrichem
Schicksal. unker gleichen Anforderungen wie wir heute. Diele bestanden si«. Don ihnen
geht eine Wirkung aus bii heute, sofern wir ihr offen sind. Si« kann uns «ine der
Qucllen sein, aus denen wir die Kraft nehmen, dic wir in diesen Monaten brauchen, in
denen um Sein und Nichtsein Deutschlands imd Europai von Männern und Fraucn
gerungen wird. (— er)

3m herbstlich kühlen Morgen heben sich zögernd di« grauen Nebelschwaden. Don ir-
gendwo trägt der Wind den Klang eines Marschliede« heran. Wir sind auf der Hohe
angelang», und wieder bietet sich uns hier wie an jedem Morgen dies Bild, dai uni
immer von neuem zum Crltbnii wird: vor uni, in dem sich Lffnenden Tal rücken Hun-
dertr, ja Tausend« zur Arbeit, um mit Pickel und Schaiffel soldatischen Dienst für di«
Heimat zu tun. Sie alle sind nach dem gleichen Grsetz, mit dem gleichen enffchlossenen
Willen angetretrn wi« wir — alle arbeiten wir für dai eine große Ziel...—

Di« Spitze der Gruppe beginnt «in Lied. Hell klingt e« in drn Morgen: „Nur der
Freiheit gehört unser Leben!" Die Pickel geschultert, mit blanken Augcn und föohen Ge-
sichtern, so marschiere» sie dahin, eine Grupp« von etwa S0 Frauen und Mädchen.
Wena der Frind annimmt, die deuffche Frau leiste diesen Dirnst unwillig und verzagt,
so irrt er darin sehr. Unsere Frauen und Mädel sind stolz darauf, der kämpfenden Front
diese Arbeit abnehmen zu können, sie sind mit sicherem Selbstbewußffein und freudigem
Eifer dabei. Sie bilden kcine Parallele ,u dem vom Bolschewismui an der Front ein-
gesetzten Flinrenweib und dem emanzipierten, sensationilüsternen ,m>riblichen Sol-
date^ der Anglo-Amerikaner. Die deutsch« Frau weiß, «s geht um die Heimat, um dai
Lcben und die Zukuns« ihrer Kinder, sie weiß, daß dcr Feiad ihr Dolk grausam ver-
nichten will, »nd darum ist sie bereit, in diesem Kampf ihre Kraft bis zum Außersten
«inzusetzen — ganz gleich an welchrr Stelle.

So steht si« nua auch mit am Bau der Verteidigungslini« im Weften: die Steno-
tvpistin neben der Abteilungsleiterin, die Offizierifrau neben der Sachbearbeiterin und
die Schriftlriterin neben drr Derkauserin. Bauernmädel, Künstlerinnen, Hauifrauen,
Iung« und Nlter« aller Ständ« und Beriffigruppen avbeiten hier in den Gräben in
riner Linie und sind zugleich Ausdruck jener lebendigen Volksgemeinschaft, wn di« uni
der Feind beneidet und di« ihm immrr ein Rätsel bleiben wird. Wohl ist die Arbeit
anfangi doppelt schwer, weil «iele zum erstrnmal Pickel und Spaten gobrauchen. Ei gibt

schmerzend« Blasen an den Händen ond steife Rücken. Nicht immer ist zweckmäßigr Klei-
dung und festci Schuhwerk »orhandrn. Aber der Wille überwindet alle diese Schwierig-
keiten. Und dz« Art und Weis«, mit der sie Lberwunden werden, sagt mehr von der
inneren Cinstrllung der Frauen zu ihrer Aiffgabe als alle Wort« «s vermögen.

Nach wenigen Tagen schon sind alle zu ciner fcsten Kameradschaft zusammengewach-
sen. Was zu tun ist, lernt sich schnell und schon zählt man zu den „alten Schanzern",
die den Bogen raus habrn. Mft der Kritik dei Fachmamres wird jedri fertig« Graben-
stück noch emmal betrachtet, hie und da auch noch vechessert; die Gedanken sind dabei
immer bei den Soldaten, die einmal davon Gebrauch machen werden. Sie sollen allci
zur Iufriedenheit »offindrn, sür sie muß beste Arbeit geleistet «erden.

Kommt dann der Abend, ziehen die Gruppen müde vom Tagwerk nach Hause oder
in die Q.uartiere. Wer ihnen aber untcrwegs begegnet, der liest aus ihren Gesichrer»
oder hört aus ihren Gesprächen freudige Einsatzbereitschaft, gläubiges Vrrtrauen und
unbedingte Siegeszuversicht. Sie haben es erfahrcn, was der Einzelne kann, wenn nur
ein Wille dahintersteht, und wissen, daß dem Volk daraus noch ungeahntc Kräfte
wachsrn. Für die Soldaten, die an ihnen »orbei zur Front fahren, sind si« «in leben-
digcr Gruß der Heimat, der sie froh und stach macht.

Die Berge, Wächter eincr jahrtausendealten Geschichte, stehen dunkel mahnend am
Horizont. Weit breiten sich davor fruchtbare Felder, breite Obstbäume und ertragreiche
Weinberge — das Bild der Heimat. Wie ftiedlich läge dieser gesegnet« Landstrich unter
dem abendlichen Himmel, zielte nicht die bluffge Pranke des Kriegci nach ihm. Iu
verhmdern, daß der Feind diesen heiligen Boden der Heimat brtritt, dafür ist kcinem
Druffchen weder Arbeit nach Opfer zuviel.

Darum sind mit den Männern auch die Frauen angetreten und sie wetteifern mit
ihnen im Werk der Händ« nach drr Parole: „Ieder Spatenstich schadet dem Feindl"-

O. Aurnbammer

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