^chon in den letzten Iahren vor dem Kriege hatte sich bei kinderlosen Ehepaaren eine zunchmende Bereitschaft
— btsser ein wachsendes Derlangen — zur Annahme eines Kindes gezeigt. Die Stärkung des Famiücngedankens
und ein gesteigertes völkisches Verantwortungsbcwußtsein begannen selbst in jcnem engsten Lebcnskreise, der bis
dahin als rcin persönliche Sphäre galt, Fühlen und Denken der Menschen zu beeinflussen.
Im Kricge hat sick diese Crscheinung noch verstärkt. Zu dcn bisherigen Beweggründen tritt nun als mächtigc
Triebkraft die Vorstcllung, daß gcwiß viele kleine Kriegswaisen, Kinder, dercn Väter im Felde fielen, deren Mütter
im Bombentcrror umkamen, darauf «artcn, wieder in dic Geborgenheit cines Elternhauses aufgenommen zu werdcn.
Tatsache !st, daß dic durch Kriegseinwirkung bceinflußten Lcbensumstände »ieler Kinder cin Eingreifcn zu ihrcm
Wohle in dicser und jener Form notwendig machen. Doch sind jene tragischcn Fällc, in dcnen Kinder im doppclten
Sinne zu Kricgswaisen wcrden, glücklicherweisc in dcr Minderzahl. Und nur selten wird die Lösung der mannig-
fachen Schwierigkeiten, di« in unsercr hartcn Gcgenwart ein junges Lebcn überschatten können, in der Form einer
Adoption zu suchen sein.
Die Annahme an Kindesstatt stellt für beide Teile cine Entscheidung dar, der an schicksalSschwerer Bcdeutung
nur wenige im Leben gleichkommen. Iedes Kind ist als Glied «ines Familienverbandcs seiner Sippe blutsmäßig
vcrbunden, mögen dicse Bcziehungen im Augcnblick auch noch so gclockert erscheinen. Nur in äußersten Notfällen
soll c« aus diescn natürlichen Bindungen gelöst werden, um mit allen in ihm schlummernden Möglichkeiten künf-
tiger Nachkommenschaft und Vererbung alS jungcs Rcis auf cinen anderen Stamm verpflanzt zu werden. Zumal
die Kriegswaisen, die begreiflichcrweise Teilnahme und Aufmerksamkcit in besonderem Maße auf sich ziehen, sollen
nach Möglichkeit als Namensträgcr ihrer eigencn Familie erhalten bleiben.
Die Adoxtionsstellen der NS.-Volkswohlfahrt, dcren ganzes Wirken ja völlig in dem Begriff „Familienpflege"
aufgeh», sehen aus allcn diesen Erwägungen hcraus ihr Arbeitsziel nicht darin, möglichst »iele Vcrmrttelungen
durckzuführcn, sondern betrachtcn es in crster Linic als ihre Aufgabe, jeden cinzelnen Fall daraufhin zu prüfcn,
ob nicht (gegcbenenfalls im Zusammenwirken mit andcrcn Arbcitsgebietcn von Partei und Staat) ein Ausweg ge-
funden wcrden kann, der die Trennung von Mutter und Kind übcrhaupt verhütet oder wenigstens daS Aufwachsen
des Kindes in der «igenen Sippe gestattet.
Den verhältnismäßig wenigcn Fällen, die solch« Lösung nicht zulassen, widmcn sie sich dann allerdings mit
um so größerer Hingabe und Gründlichkeit, damit die neuen menschlichen Bindungen, di« mit ihrer Hilf« geschaffen
wcrden, dem natürlichcn Verhältnis von Kindern und Eltcrn so nah« wie möglich gebracht werdcn. Sorgfältig wird nach
beiden Seiten hin der Abstammung nachgegangen und rersucht, die dcm Kinde wahrscheinlich vererbte WesenSart auf die
dcr Adoptiveltern abzustimmen, um so die bestcn Voraussetzungen für ein harmonisches Ausammenleben und für di« glück-
liche Entwicklung des Kindes zu einem tüchtigen Glied der Gemeinschaft zu schaffen. Daß den Gesichtspunkten der Erbgesund-
heit besondere Ausmcrksamkcit geschenkt wird, ist selbstvcrständlich.
Es leuchtct ein, daß cine so von höchstem Verantwortungswillen erfüllte Auffassung der Adoptionsvermittelung einc in
die Massen gehende gcschäftsmäßige Bchandlung von Anträgen von vornherein ausschließt. Außerdem muß betont werden,
daß die Anzahl der zur Adoption gemeldeten und geeigneten Kinder stets wesentlich geringer ist als die der zur Annahme
bereiten Cltern. Der Wunsch, ein Kind als Eigen anzunchmen, wird also — abgesehen von den Vorbcdingüngcn, die zum
Wohle beider Teile und im Interesse der Volksgemeinsckaft gegeben sein müssen — kaum jemals sofort erfüllt werden
können. Dazu kommt, daß Adoptionsverfahren aus zeitbedingten Gründen bis auf weiteres äußerst eingeschränkt werdcn.
Diescn in mehrfacher Hinsicht beschränkten Aussichten steht die Notwendigkeit gegenüber, ciner großen Anzahl »on Kindcrn
für »oraussichtlich begrenzte Zeitdauer ein Heim und «lterliche Erziehung zu geben. Kcine Frau, die den Vater ihres Kindes
verlor, kein Soldat, dem die Lebensgefährtin gcnommen wurde, wird sich von seinem Kinde trennen wollen. Doch wcrden
beidc untcr Umständen unendlich dankbar sein, wcnn verantwortungsbewußke Menschen es vorübergehend in ihr« Obhut
nehmen. Verwandte von Kriegswaisen, die es sich wegcn bcschränkter Wohnverhältnisse oder wegen zu starker Luftgefährdung
ihres Wohnsitzes versagcn müssen, das Kind der Gcfallenen aufzunehmen, werden glücklich sein, wenn sie es Menschen in
weniger bcdrängter Lebenslage anvertraucn können, bis für sie selbst eine Wendung zum besseren eintritt.
Auck der Frage der außerehelich geborenen Kinder kommt selbstverständlich in diescm Zusammenhang Bedeutung zu. Es
wurde bereits betont, daß die Adoptionsstellen zunächst stets bemüht sind, mit allen Mitteln praktischer Hilfe und ideeller
Beeinflussung die naturgewollte Bindung von Mutter und Kind zu erhalten. So ist es auch in diesen Fällen verbältnis-
»uln.: u. mäßig sclten, daß einc Muttcr an dem Entschluß der cndgültigen Trennung von ihrem Kind« festhält. Währcnd die Not-
wcndigkeit, es vorübergehend in Pflege zu geben, ein oft zwingendes Problem bedeutet.
gestatten — die Adoption später nachzuholen. Schließlich
Ein« wesentliche Rollc bei dem gesamten Fragenkompler
spielt scit den Terrorangriffen aus der Luft die Umquar-
tierung, bei der ein Gcdanke an endgültig« Trcnnung nicht
in Frag« steht und allein der Wunsch, Leben und Gesund-
heit dcr Kinder zu schützcn, maßgebend ist.
Das Pflegeverhältnis zu einem Kinde ist dem einer
durch Adoption «ingcgangenen Verbindung in der prak-
tischen Auswirkung dcs täglichen Lebens sehr Shnlich. Beidc
schenken dic Frcude über das Gcdeihen eineS jungen Men-
schenkindes und über die Fortschritte in seiner Entwicklung.
Freilich setzt der Gedanke, das Kind „einmal wieder her-
gebcn zu müssen", rin großes und selbstloser Licb« fähiges
Herz »oraus, das sich daran genug sein läßt, erziehcnd, be-
wahrend und pflegend weit in die Iukunft des Kindes
hinaus wirken zu könnrn. Aber ist dieses Bewußtscin für
Menschen, die eine große Aufgabe für ihre Hilfsbereitschaft
suchen und die die Sorge um unsere Iugend zu ihrer
cigenen machen, nicht auch unvergleichlich schön?
Cs ist notwendig, in diesem Iusammenhang darauf hin-
zuweisen, daß Adoptionsvermittlungen in dcr Regel nur zu
Chepagren «rfvlgen, die Inpflegenabme eines Kindes da-
gegen gerade auch cinzelnen Personcn möglick ist. Vor
allrm müttrrlichcn Fraurn, die in der Betreuung eines
Kindes ihr Bestes zu geben »ermögen. Nicht selten tritt
auch dcr Fall ein, daß ein Kind nicht (oder zunächst nicht)
adoptiert werden kann, weil die Bedingungen, die an diesen
Akt geknüpft werden, nicht zu erfüllen sind. Dann wird
di« Lösung s» wie so darin zu suchen sein, das Kind in
Pficgc zu nehmen und viellcicht — wcnn die Umständ« «s
: k.
darf bei der Beurteilung der Frage nicht unberücksichtigt
bleiben, daß mögliche Cnttäuschungen in einem Pflege-
verhältnis minder fchwer wiegen als bei einer Annahme
an Kindesstatt, wenn FLHigkciten und Neigungen des Kin-
des sich »ielleicht nicht ganz wie crhofft entwickeln.
Auf jeden Fall bedeutet die Aufnahme eines Pflege-
kindcs und seine sorgsame Bctreuung und Erziehung so-
wohl rein mcnschlich gesehen, als auch vom allgemeinen
volkspflcgerischen Standpunkt betrachtet, eine unendlich
dankenswertc Leistung. Darum sollten Menschen, die
mit dcm Plan ciner Adoption umgehen, sich auch mit
dem Gedanken vertraut machen, ein Pflegekind auf-
zunehmen. Gcwiß, wir besitzen Iugend- und Kinderheim-
stätten, Iugenderholungsheim« und Kindergärten in vor-
züglicher Beschaffenheit, dazu während des Krieges virle
Behelfseinrichtungen dieser Art und einc große Anzahl
KLV.-Lager. Kein Kind vcrkommt in Deutschland. Diese
grvßcn, von der Gemeinschaft getragenen Sozialwerke schlie-
ßen jedoch den pcrsönlichcn individucllcn Einsatz nicht aus.
Ia, er ist in eincr Viclzahl von Fällen unentbehrlich.
Die furchtbare HSrte unseres DascinSkampfes zwingt uns
zur Dewältigung ungeheurer sozialer Problcme. Ein Beitrag,
wie er in der Annabme cines PflegekindcS liegt, kann daher
das Bcwußtscin unmittelbarster Mithilfe und ein Gefühl
ticfcr Befriedigung schenktn. Hanna Rees-Facilides
Nähere Auskünfte erteilen die Stellen Iugendhilfe (Adop-
tions- und Pflcgekinderwesen) der Gauämter für Volks-
wohlfahrt drr NSDAP.