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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 2.1906

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Panzer, Friedrich: Der romanische Bildfries am südlichen Choreingang des Freiburger Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.2397#0016
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12

Panzer, Der romanische Bilderfries am südlichen Choreingang

16. Kissen aus der Petrokluskirche in Soest.

der selbst nach den Sternen griff, geradezu als Typus
törichter Hoffart vor Augen gestellti7. Und es geschah
offenbar in gleichem Geiste, wenn der Künstler des
Soester Kissens der Greifenfahrt das ,Agnus Dei' als
Sinnbild der Demut entgegensetzte, während das
Basler Kapital zu derselben Szene den Sündenfall
und die Vertreibung aus dem Paradies gesellte.

Indem wir uns nunmehr von dem Kapitale weg
zu der rechten Längsseite unseres Frieses wenden,
erblicken wir als erste, auf besonderer Platte sich
deutlich abhebende Gruppe (Fig. 1) ein Tier mit
rückwärts gewendetem Kopf, das durch die Mähne
klärlich als Löwe charakterisiert ist. Eine mensch-
liche Gestalt mit auffallend langem Haar, die auf
seinem Rücken sitzt, scheint bemüht, ihm den schon
aufgesperrten Rachen auseinanderzuzerren. Rechts
oben schaut der Kopf eines Widders aus der Wand.

Man muss zunächst auf den Gedanken verfallen,
dass wir hier eine Darstellung Samsons vor uns haben,
der den Löwen zerreißt. Die etwas komische Haltung,

in der unsere Figur das besorgt, hat für den mit
mittelalterlicher Kunst Vertrauten nichts Auffälliges.
Für Samsons Krafttat hatte sich im Mittelalter
wie für andere oft dargestellte Szenen der heiligen
Geschichte ein fester Kanon ausgebildet, und da
finden wir denn ganz gewöhnlich den Helden in
dieser eigentümlich reitenden Stellung. Man vergleiche
z. B. die Darstellungen desselben Vorgangs am Portal
von Remagen (Fig. 4, rechts unten) oder (Fig. 20) an
dem Friese aus der Krypta des Basler Münsters. Die
Pose ist augenscheinlich ein Missverständnis jener
edelkräftigen Stellung, die den Helden bei ausgestreck-
tem einen Bein das Knie des gebogenen anderen der

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17. Von der Fahne des hl. Kilian in Würzburg.

V*

18. Aus dem Chronicon ecclesiae s. Sophiae
in der Vatikan. Bibliothek vom J. 1119.

Bestie aufs Rückgrat pressen lässt. So kommt Sam-
son tatsächlich auch im Mittelalter öfter vor, wie
etwa die in Fig. 21 abgebildete Miniatur aus der oben
schon angezogenen Regensbur-
ger Handschrift zeigen mag. Die
Komposition ist natürlich ein
Erbstück der Antike aus Dar-
stellungen der Krafttaten des
Herkules48 oder des Mithras,
der den Stier tötet, übernommen.
Samsons Löwenkampf ist in
der mittelalterlichen Kunst über-
aus häufig dargestellt worden,
und zwar augenscheinlich deshalb, weil man den
Vorgang in typologischem Sinne nahm. Es ist eine
bekannte Tatsache, dass das Mittelalter in den Per-

19. Byzantinisches
Siegel mit der Himmel-
fahrt des Elias.
 
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