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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 2.1906

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Panzer, Friedrich: Der romanische Bildfries am südlichen Choreingang des Freiburger Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.2397#0022
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I

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Panzer, Der romanische Bilderfries am südlichen Choreingang

28. Rechte Kapitälreihe vom Südportal der Stiftskirche in S. Ursanne.



chus factus lupus hie sub dogmate tractus. Eine gute
Abbildung des Reliefs findet man bei Venturi76. Auch
am Baptisterium in Parma erscheint der Wolf in der
Mönchskutte77 aber ohne Nebenfiguren und man kann
daher nicht sicher sein, in welcher Situation der
Künstler ihn gedacht hat. Denn auf dem eben be-
sprochenen Relief an der Kathedrale sieht man hinter
der Unterrichtsszene nochmals einen Wolf im Mönchs-
kleide mit einem Hahn78 und an der Fassade der
Kirche S. Pietro vor Spoleto findet sich ein Relief,
das den Wolf im Mönchshabit zeigt, wie er den
Schafen Messe liest79. Das ist also eine Auffassung,
die mehr der oben berührten Erzählung des Ysen-
grimus sich nähert.

Neben der Plastik fand auch die mittelalterliche
Malerei Gelegenheit, die Geschichte vom Wolf in
der Schule darzustellen. Illustrierte Handschriften
zwar von Gedichten aus der Tiersage selbst, die es
sicher gegeben hat, sind in Deutschland nicht auf
uns gekommen; aber durch einen besonderen Zufall
besitzen wir gerade vom Wolfsunterricht eine Reihe
älterer Miniaturen. Das große Lehrgedicht, das der
Domherr von Aquileja, Thomasin von Zirklaria, aus
italienischem Lande als „welschen Gast" nach Deutsch-
land sandte, ward sogleich nach seiner Entstehung
illustriert und ist in einer ganzen Reihe solcher Bilder-
handschriften auf uns gekommen80. Hier finden wir
nun gerade zu der oben S. 15 f. zitierten Stelle, die
auf den vergeblichen Versuch, den Wolf zu unter-
richten, anspielt, ein Bild, das ich in Fig. 30 und 31

nach zwei Heidelberger Handschriften des 13. und
15. Jahrhunderts wiedergebe. Sie zeigen, dass auch
hier wieder ein Schema benutzt ist, das unserer ersten
Freiburger Szene nahe verwandt war; nur ist hier
bei Lehrer und Schüler der geistliche Stand beseitigt.
Dass aber die Szene vom Wolf in der Schule so
oft gerade in Kirchen dargestellt wurde, ist gewiss
nicht auffällig. Wir wissen aus der literarischen Über-
lieferung der Tiersage zur Genüge, dass von Anfang

29. Flies aus der Fabrik des Klosters S. Urban.

an gerade die Geistlichkeit es gewesen ist, die die-
sen Stoffkreis pflegte und immer wieder künstlerisch
gestaltete; war er doch vielfach ganz zum allegori-
schen Ausdruck der Interessen dieses Standes ge-
worden. Kein Wunder denn, dass man liebte, sich
auch in Bildern mit ihm zu umgeben; ein französi-
scher Dichter des 13. Jahrhunderts klagt in oft zitierten
Versen81 geradezu darüber, dass der Klerus es kaum
so eilig habe, das Bildnis des Erlösers in den Kirchen

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