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Stehlin, Über die alten Baurisse des Freiburger Münsterturms

tritt ebenfalls bis an den Umfang des Vierecks vor
und hat sporenartige rechtwinklige Eckstreben; die
letzteren sind zwar nicht deutlich gezeichnet, allein
die Fialen am Fuße des Helmes, welche genau wie
die ausgeführten gestaltet sind, können sich nur aus
solchem Streben entwickeln. Wenig klar ist die Ge-
staltung der Nebentürmchen; ihre Zeichnung lässt
sich ebensowohl mit einer viereckigen Grundform
(Fig. 12) als mit der dreieckigen in Einklang bringen;

Fig. 12.

für letztere spricht vielleicht eine Erscheinung, die
sich bei der Endigung der Türmchen oberhalb der
zweiten Galerie zeigt. In der Ansicht des bestehen-
den Turmes bringt es die schräge Stellung der Neben-
türmchen mit sich, dass die Endfialen, welche aus
dem Kern der Dreiecke herauswachsen, sich nicht über
der Seitenmitte der Dreiecke projizieren, sondern
merklich nach auswärts aus derselben weggerückt
werden (Fig. 9). Im Gegensatze dazu sitzt im Per-
gamentriss die oberste Fiale mitten über der unteren
Seitenfläche, gleichzeitig aber ist die daneben sicht-
bare Fensterspitze des Achtecks in fehlerhafter Weise
nach links verschoben; die Vermutung liegt nahe,
dass Fiale und Fensterspitze miteinander zu viel nach
links geraten sind und daher die Fiale eigentlich nach
rechts aus der Mitte gerückt erscheinen sollte, wie
der Grundriss des gleichseitigen Dreiecks es bedingt.
Den Fuß der Nebentürmchen umgibt eine Gruppe
von nicht weniger als fünf Tabernakeln und Fialen.
Die äußersten Tabernakel c1, c- sind identisch mit
den bestehenden, bloß sind sie von der Galerie um-
säumt, anstatt dass diese erst weiter oben folgt. Den
hinter ihnen, ebenfalls noch auf den Strebepfeilern
angebrachten hohen Fialen d1, d2 entspricht dagegen
kein Bauglied des ausgeführten Turmes. Vor der
Fiale d1 zeigt sich überdies noch ein ferneres, sonder-
bares Gebilde e. Es kann nicht etwa als Flächen-
gliederung der Fiale d1 gedeutet werden; denn es
hat einen übereckgestellten vierkantigen Helm mit
einer Kreuzblume. Eine an die Fiale d1 angelehnte
Halbfiale kann es auch nicht sein; denn eine solche
müsste sich notwendigerweise an den Seitenflächen

von d2 wiederholen. Wir können es wohl nicht
anders deuten, denn als eine selbständige, übereck-
stehende, vierseitige Fiale, welche offenbar vom
Kopisten, gleich den übrigen benachbarten Bau-
gliedern, von ihrem richtigen Standort verschoben
worden ist. Als einzelne Fiale kann sie nur auf der
zwischen den Strebepfeilern vortretenden Ecke des
Turmvierecks stehen; dort findet sie allerdings wohl
nur unter der Bedingung Platz, dass ihre hintere
Seite von der Kante des Nebentürmchens durch-
drungen wird.

Im weiteren Aufbau besteht der einzige wesent-
liche Unterschied vom Freiburger Turm in der An-
legung einer zweiten Galerie oberhalb des Glocken-
geschosses und der damit zusammenhängenden
Höherstreckung der Nebentürmchen. Die übrigen
Abweichungen betreffen nur dekorative Einzelheiten:
Das Achteckfenster zeigt eine etwas andere Maß-
werkfigur, die Wimperge und der Turmhelm haben
weniger Krabben. Dagegen stimmt das Maßwerk
des Wimpergs mit dem an der südlichen und der
nördlichen Turmseite nahezu überein, und das des
Turmhelmes gleicht völlig dem ausgeführten.

Vergleichung des Mollerschen Grundrisses
und des Rahnschen Aufrisses.

Bei der Analyse des Rahnschen Aufrisses konnte
uns die Beobachtung nicht entgehen, dass sowohl in
den Übereinstimmungen mit dem bestehenden Frei-
burger Turm als in den Abweichungen von dem-
selben eine gewisse Verwandtschaft mit dem Moller-
schen Grundrisse zu herrschen scheint. Das muss
die Frage wachrufen, ob nicht etwa die beiden Zeich-
nungen zusammengehörige Darstellungen einesund-
desselben Projektes seien, und wir haben sie daher
auf diesen Gesichtspunkt hin zu prüfen. Es ist klar,
dass nicht alles, was die eine Projektion enthält, sich
auch in der andern wieder finden kann. Gewisse
Angaben des Grundrisses, wie die Quadratform des
Hauptturms und die Dreieckform der Nebentürmchen,
kommen im Aufriss entweder gar nicht oder nicht
deutlich zur Erscheinung. Umgekehrt sind die Glie-
derungen des Aufbaues, insbesondere die Galerien,
sowie auch zahlreiche Einzelheiten der Ansicht, im
Grundrisse nicht erkennbar.

Rekapitulieren wir zunächst die Stücke, in denen
wir Übereinstimmung mit dem ausgeführten Bau ge-
funden haben, so ergibt sich folgendes:

1. Der Mollersche Grundriss ist bis oberhalb
des St. Michaelsgeschosses eine Aufnahme des be-
stehenden Turmes; der Rahnsche Aufriss ist bis zur
gleichen Höhe in allen Hauptgliedern die sehr ge-
naue Wiedergabe des bestehenden Turmes und weicht
nur in dekorativen Einzelheiten von demselben ab.

fie

ausg
 
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