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76

Geiges, Das St. Annen-Fenster im jetzigen Alexander-Chörlein

I

die Malerei des Universitätsfensters auf rund 740 Schil-
ling, das ist für den Quadratmeter 82,22 Schilling und
somit für das unter Abzug der Strängen etwa 8 qm
große St. Annenfenster 657 Schilling, oder, da der
Gulden 1515 auf 13 Schilling stand, rund 50 >/2 Gulden.

In ungefähr demselben Verhältnis bewegen sich
auch all die übrigen bekannten Preise, welche für
die Ausführung einzelner der oberen und unteren
Chorfenster bezahlt wurden. So kostete das Heim-
hoferfenster, das bei ungefähr gleicher Größe wie
jenes der Universität von etwas einfacherer Kompo-
sition ist, 51 Gulden 10 Pf., und auch Kaiser Maxi-
milian I. hat für die drei von ihm gestifteten großen
vierteiligen Fenster im Chor-
schluss mit 190 Gulden den
gleichen zivilen Preis be-
zahlt, wie die Witwe des
Doktors Simon von Oberriet,
die für ein halbes Fenster
30 Gulden vergabte, oder der
Doktor Joh. Widmann, der
in seinem 1530niedergesetzten
Testament 15 Gulden auswirft
für „ein vierteil eines großen
obersten fensters, so im nü-
wen chor noch zu machen
sind, mit schild und bildung,
wie die sonst gemacht wer-
den"4". Ob auch hiebei im-
mer das Honorar für die Vi-
sierung ausgeschlossen ist,
mag dahingestellt bleiben.

Bedenkt man, dass Mei-
ster Hans Baidung für sein
aus zwei großen figuren-
reichen Mittelstücken, acht Flügelbildern und beider-
seitigen Malereien der Predella bestehendes Frei-
burger Altarwerk nur 600 Gulden erhielt, so wird
man für die fraglichen, einfach behandelten Fenster-
entwürfe nicht allzuviel veranschlagen dürfen.

Auch in die heutige Valuta übertragen, wie ge-
ring, ja geradezu ärmlich erscheinen diese Entloh-
nungen, wenn man denselben die sich in vier- bis
fünfstelligen Zahlen bewegenden Summen gegen-
über hält, welche in unsern Tagen von Museen und
vielvermögenden Kunstfreunden aufgeboten werden
für die Erwerbung des wenigen, was sich an Schätzen
solcher Art auf unsere Zeit gerettet hat. Wurden doch
für einzelne der aus den gleichen Händen wie unser
St. Annenfenster hervorgegangenen figuralen Glas-
malereien der Douglasschen Sammlung bis zu 14000 TW

39. Aus der Kirche zu Kaysersberg im Elsass

Siehe Anmerkung 40.

bezahlt47, welche, nach den angeführten urkundlichen
Nachweisen beurteilt, dem Glasmalerkünstler einen
kärglichen Lohn von höchstens 10 Gulden brachten,
eine Zahl, deren bescheidene Größe durch das nicht
genau bestimmte Honorar für den Visierer kaum
nennenswert beeinflusst wird. Was man von solchen
exorbitanten Aufwendungen auch denken mag, bei
welchen ja das Gewicht eines großen Namens mit
in die Wagschale fällt, sie sind und bleiben immer
ein sicheres Merkzeichen für die erfreuliche Wand-
lung, welche sich in der Würdigung des Kunst-
schaffens unserer Väter vollzogen hat, die hoffentlich
auch standhält gegenüber jenen modernsten Be-
strebungen der Gegenwart,
welche nur zu oft die Er-
kenntnis vermissen lassen,
dass das Schöne in tausend-
fältigen Formen erblüht und
dass auch in der Kunst der
wahre Fortschritt nicht in der
blinden Missachtung dessen
besteht, was der vorangegan-
genen Zeit köstlich erschie-
nen. Da gilt die Wahrheit des
Spruches im Stammbuch der
Zunft „Zur Stelz", der auch
Meister Baidung angehörte:

„Schau Nachwelt, was vor dir Sinn,
Kunst und Fleiß bewiesen,
Schaff Nachwelt, dass von dir
noch mehres werd' gepriesen."41'

Es widerstrebt mir, den
Wert des Schatzes, den unser
Münster an seinem St. An-
nenfenster besitzt, in der
allerdings anschaulichen und gemeinverständlichen
Form von Zahlen auszudrücken, wie sie sich nach
den angeführten Auktionsergebnissen leicht errechnen
lassen. In solchem Lichte betrachtet, ruht seine
Bedeutung immerhin auf schwankender Grundlage,
da auch in den Strömungen des Geschmackes sich
Ebbe und Flut in stetem Wechsel folgen. Nicht als
eine zurzeit auf dem Kunstmarkt lebhaft begehrte
Ware wollen wir das Werk beurteilen, sondern als
ein Denkmal heimischer Kunst- und Kulturentwick-
lung, eine Kunstäußerung, die mit all den Vorzügen
und Schwächen des geoffenbarten Wollens und Kön-
nens, mit Fug und Recht zugleich als eine der eigen-
artigsten und darum beachtenswertesten Schöpfungen
aus der Spätzeit deutscher Glasmalerei bezeichnet
werden darf.

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