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Münzel, Der Dreikönig-Altar von Hans Wydyz im Freiburger Münster

I

Auf der dritten Treppenstufe des Choraufgangs
steht die mit dem Antependium verkleidete Mensa,
die eine Höhe von 95 cm, eine Breite von 220 cm
und eine Tiefe von 121 cm hat. Die Höhe des Schreins
mit Predella beträgt 272 cm, seine Breite bis zur
Außenkante 177 cm, im Lichten 150 cm, die Höhe
der Bekrönung beträgt an den Seitenaufsätzen 135 cm
und die des mittleren Aufsatzes 230 cm, so dass der
Altar von der obersten Treppenstufe bis zur Spitze
eine Gesamthöhe von annähernd 6 m erreicht.

Das Antependium hat in der Mitte seiner drei
Seiten Maßwerkfüllungen, die der Vorderseite zeigt
eine Reihe von Eselsrücken, die mit Fischblasen gefüllt,
durch krabbenbesetzte Zirkelschläge verbunden und
mit Fialen bekrönt sind. Vorn und an den beiden Seiten
stehen an den Ecken in Nischen, die in fialenbesetzten
Bogen endigen, sechs 35 cm hohe Apostelfigürchen,
Nachbildungen der Apostel von Vischer am Sebaldus-
grabe. Die an beiden Seiten stark eingezogene Pre-
della hat in der Mitte eine nach innen geschweifte
Maßwerkfüllung. Auf ihr erhebt sich der Schrein;
dessen beide Schmalseiten sind mit Maßwerk gefüllt,
der Vorderseite sind an den beiden Ecken Säulen vor-
gelagert, auf denen unter Baldachinen stehende 14 cm
hohe Statuetten des heil. Christoph mit dem Kinde
und des heil. Sebastian sich befinden. An diese Säulen
schließt sich nach innen zu eine Hohlkehle an, in
der auf kleinen Säulen Laubwerk emporwächst, das
sich zu dem obern Laubwerkabschluss des Schreins
entwickelt. Über diesem Laubwerk liegt der mit
Hohlkehlen und Stäben gezierte, nach oben und unten
mit Krabben besetzte, in einer Schräge abschließende
Sims, an dessen vier Ecken Fialen angebracht sind.
Als unterer Abschluss für das Innere des Schreins
liegt eine mit Pässen und Rosetten verzierte, von
zwei Fialen überragte Leiste, auf der die Skulpturen-
gruppe des Wydyz sich erhebt.

Die aus Lindenholz geschnitzten Figuren der
Gruppe, Maria mit Kind vor der Hütte sitzend, zu
beiden Seiten die heiligen Drei Könige und Joseph,
lassen einen großen Teil der Rückwand frei, deren
Fläche Glänz durch vier mit Maßwerk gefüllte Spitz-
bogenstellungen gegliedert hat. Der obere Teil der
Rückwand ist mit dem Vordergrund durch ein durch-
brochenes Netzwerk in Wölbung verbunden. Über
dem Schrein erhebt sich die Bekrönung; der Schmer-
zensmann, Maria und Johannes, gleichfalls aus Linden-
holz geschnitten, stehen unter allseitig offenen, in
geschweiften und gebogenen Fialen sich zusammen-
schließenden Baldachinen, deren mittelster die beiden
seitlichen mit seinem hohen Aufsatz weit überragt.
Verbunden sind die drei Baldachine durch gewundene
Fialengruppen und Zwischenstücke aus Laubwerk.
Das ganze Schreinwerk ist bemalt, die Flächen sind

braun, der Grund der Füllungen und das Innere
des Schreins wie der Nischen blau, die Verzierungen
sind vergoldet.

So sehr man auch geneigt sein mag, der Arbeit
von Glänz wegen ihrer historischen Stellung am Be-
ginne der Neugotik im 19. Jahrhundert Verdienste
zuzuerkennen1, so kann doch das heutige Urteil über
ihn nicht sehr günstig sein. Seinem ganzen Entwurf
haftet eine starke Trockenheit der Erfindung an, das
Maßwerk ist mechanisch angeordnet, dessen Verwen-
dung gehäuft. Seine Skulpturen sind ohne künst-
lerischen Wert. Man kann vielleicht sagen, dass er
selbst seine Schwäche in der Figurenschnitzerei emp-
fand, weil er dafür bei seinen späteren Arbeiten die
Hilfe anderer Bildhauer in Anspruch nahm. Am
besten gelungen ist der Aufbau des Altars im ganzen
betrachtet, der Schrein erhält eine gewisse Leich-
tigkeit durch die eingeschweifte Predella. Aber der
Hauptfehler des Schreins, dass er viel zu groß für
die Figuren angelegt wurde, bleibt dabei doch be-
stehen. Während der Schrein im Lichten 175 cm hat,
sind die größten Figuren etwa 75 cm hoch. Dadurch
entsteht oberhalb der Figuren ein zu großer leerer
Raum, der der Gruppe die Geschlossenheit der Wir-
kung nimmt. Für diesen Fehler ist Glänz nicht allein
verantwortlich zu machen, 'sondern auch der Umstand,
dass der Wydyz-Altar zu dem Anna-Altar symmetrisch
angelegt werden sollte und dass zu dem hervorragen-
den freien Platz, an dem er steht, ein viel kleinerer
Schrein kein Verhältnis gehabt und damit jeden Ein-
druck verloren hätte. Glänz suchte dem Missver-
hältnis zwischen der Größe des Schreins und der
der Figuren zu begegnen durch das Einschieben der
Untersatzleiste, der Gliederung der Rückfläche und
der Wölbung des Netzwerks am obern Teil, die den
Raum kleiner erscheinen lassen. Durch diese Mittel
ist der Fehler zwar gemildert, aber nicht aufgehoben
worden.

Alt an dem Schreinwerk ist der obere Laubwerk-
abschluss der Vorderseite und die beiden Seiten-
baldachine sowie einige Teile des mittlem Aufsatzes
der Bekrönung, wie auch die Zwischenstücke. Eine
ungemein graziöse Arbeit zeigt das auf drei Kreis-
bogen angeordnete spätgotische Rankenwerk, dessen
Schönheit man am besten erkennt, wenn man es mit
dem Laubwerkabschluss des Anna-Altars vergleicht,
der von Glänz herrührt.

Dass diese alten Schnitzereien von dem alten
Dreikönigaltar-Aufbau stammen, ist mit ziemlicher
Gewissheit anzunehmen. Der Laubwerkabschluss

> Vgl. über Glänz Fv.Kempf, Die Bildhauerfamilie Glänz. Das
Wiederaufleben der Gotik in Freiburg im Breisgau zu Anfang
des 19. Jahrhunderts: Zeitschrift Schauinsland, 34. J.ahrl. 1907
S. 49 ff.


 
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