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Münzel, Der Dreikönig-Altar von Hans Wydyz im Freiburger Münster

Die andern von Burckhardt dem Wydyz zuge-
schriebenen Werke im Basler Historischen Museum
sind drei kleine Kruzifixe, von denen nur eins
ausgeführt ist, während die beiden andern unfertig
sind. Bei diesen Arbeiten ist die Vergleichsmöglich-
keit noch größer, da im Schmerzensmann gleichfalls
der Christustypus vorhanden ist. Die Stilkritik führt
nun zu dem Ergebnis, dass die Basler Kruzifixe nicht
von Wydyz herrühren. Allerdings sind einige Ähn-
lichkeiten zwischen dem Schmerzensmann und dem
ausgeführten Kruzifix vorhanden, allein diese kommen
für die Gleichheit des Meisters nicht in Betracht,
erklären sich vielmehr durch die traditionelle Ähn-
lichkeit in der Bildung des Christusantlitzes. Bei
dieser starken Gleichartigkeit, die der Christuskopf
in der bildenden Kunst einer Epoche aufweist, er-
halten Verschiedenheiten unter mehreren Werken er-
höhte Bedeutung. Zunächst hat der Basler Kruzifixus
eine vollkommen andere Körperform wie der Schmer-
zensmann, und zwar ist diese andersartige Bildung
keineswegs allein bedingt durch das Hängen des
Körpers am Kreuze, wie dies Burckhardt annimmt1,
denn der ganze Körper ist schlanker als beim
Schmerzensmann, die Beine sind sehr viel länger
und haben auch eine ganz andere Modellierung, sie
verlaufen geradliniger als bei diesem. Der Ober-
körper des Kruzifixus ist reicher nuanciert als beim
Schmerzensmann, die Brust breiter und der Leib
länger, was sich nur zum Teil aus der Lage des Körpers
erklärt. Das Gesicht des Kruzifixus bleibt viel mehr
im Typus der Zeit als das des Schmerzensmannes;
so sind auch keineswegs die Nasen in beiden Ge-
sichtern gleich, sondern die des Schmerzensmannes
ist viel länger als die des Kruzifixus, ungewöhnlich
lang überhaupt für ein Christusantlitz. Entscheidend
für die Ablehnung des Kruzifixus als Werk des Wydyz
ist aber die geringere Qualität dieser Arbeit. Un-
zweifelhaft später entstanden als der Schmerzensmann,
wie sich das aus der ganz anderen Differenzierung der
Figur ergibt2, bleibt er in seinem künstlerischen Wert
erheblich hinter diesem zurück. Weit überlegen ist
der Ausdruck der sanften Trauer im Antlitz des
Schmerzensmannes, besonders der wehmütig schmerz-
volle Zug um den geschlossenen Mund, dem Ge-
sichtsausdruck des Kruzifixus, der über das Übliche
nicht hinausgeht. Auch hat bei diesem die Bildung
des Körpers trotz der fortgeschrittenen anatomischen
Durchführung stellenweise etwas recht Schematisches,
wie sich dies hauptsächlich in der Zeichnung der
Brust und in der Andeutung der Rippen ausdrückt.
Über die beiden andern Kruzifixe lässt sich nur so

I

1 A. a. 0. S. 218.

- Nicht ungefähr gleichzeitig oder ein wenig später, wie
Burckhardt meint (a. a. O. S. 218).

viel sagen, dass sie mit dem ausgeführten in den
Körperproportionen im wesentlichen übereinstimmen,
im übrigen aber noch keinen künstlerischen Eindruck
gewähren3.

Endlich stehen noch als Werke des Wydyz die
Sebastians- und Kreuzigungsgruppe in Frage. Das
eine ist sicher, diese beiden Werke stammen von
einem Meister. Die Behandlung des geistigen Aus-
drucks, der Gestalt und der Gewandung sind bei
beiden Werken völlig identisch4.

Nun hat Burckhardt eine Reihe von Ähnlich-
keiten zwischen Adam und dem Sebastian aufgestellt6,
die den Beweis erbringen sollen, dass die Sebastians-
gruppe und demzufolge auch die Kreuzigungsgruppe
von Wydyz herrühren. Diese Ähnlichkeiten sind nur
zum Teil vorhanden. Im Gegensatz zu Burckhardt^
Meinung sind nicht ähnlich die Körperbildung, die
Anlage der Muskulatur, die Hautfalten am Knie, Nase,
Mund und das Haupthaar von Adam und Sebastian.
Gerade was Burckhardt als besonders bezeichnende
Ähnlichkeit zwischen beiden hervorhebt, das strahlen-
förmig vom Wirbel ausgehende Haar, ist nicht vor-
handen. Der Sebastian hat im Gegensatz zur strahlen-
förmigen Haaranordnung bei Adam in der Mitte ge-
scheiteltes Haar. Zum Teil sind die Übereinstim-
mungen einfach Äußerungen einer gewissen Höhe
der Technik, wie die sorgfältige Betonung der Adern
und Haare. Übrig bleibt eine gewisse Ähnlichkeit
in der Bildung der Augen, des Kinns, der Kopf-
und Schädelform, doch ist das Gesicht des Sebastian
breiter angelegt. Burckhardt nimmt auch eine Gleich-
heit des Bewegungsmotivs von Körper und Nacken
an, was, wenn es zuträfe, sehr viel mehr für die
Identität des Meisters spräche als die übrigen an-
geführten Ähnlichkeiten. Die Körperbewegung des
Adam ist aber viel einfacher, der Oberkörper hält
sich fast in einer Linie gerade aufrecht gerichtet,
während der gefesselte Oberkörper des Sebastian
sich in einer ausgesprochenen Kurve wendet. Und
die psychisch bedingte Kopfhaltung des Adam ist
viel intensiver und von ganz anderer Bedeutung als

3 Die drei Basler Kreuze sind abgebildet und als unfertig
bezeichnet bei G. Habich, Altes und Neues von der Kunst der
deutschen Medaille (Kunst und Handwerk. 58. Jahrg. München
1908 S. 227 und dazu 234). Dagegen ist zu bemerken, dass nur
die beiden seitlichen Stücke unfertig sind, während das mittlere
durchaus vollendet ist.

* Die Sebastiansgruppe (die Figuren, 15—18 cm hoch, sind
aus Birnbaum geschnitzt) und die Kreuzigungsgruppe (ebenfalls
aus Birnbaum geschnitzt und dann bronziert, etwa 15—17 cm
hoch), doch diese ohne Maria und Johannes, waren auf der
kunsthistorischen Ausstellung in Düsseldorf 1902 ausgestellt, wo
ihre Zusammengehörigkeit festgestellt wurde. (Vgl. A. Schnätgen,
Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf Nr. 21, 22: Zeit-
schrift für christliche Kunst 15, 1902, Sp. 370 ff. mit Abbildung
der beiden Werke.)

1 Burckhardt a. a. O. S. 218.

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