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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 7.1911

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Sauer, Joseph: Reste alter Wandmalereien im Freiburger Münster: 1. Die St. Peter- und Paulskapelle und ihre Wandgemälde
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https://doi.org/10.11588/diglit.2639#0014
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Sauer, Reste alter Wandmalereien im Freiburger Münster

ausgestreckten Linken wie im Segensgestus dargestellt
sind. Ich bezweifle, ob diese wie auch andere Teile
dieser Darstellung ursprünglich sind. In den Zwickeln
über den Scheiteln der zwei äußersten Fensterteile
bilden sehr realistisch gehaltene Fratzen (Abb. 5
und 6), aus deren Haupt und Mund links Blumen-
stengel, rechts Weinranken wachsen, die Füllung.
Außer diesen Bestandteilen sind sonst von der alten
Verglasung nur noch Einzelrosetten in den kleinern
Zwickeln an Ort und Stelle geblieben. Teile der
figürlichen Darstellungen in den vier untern Fenster-
feldern befinden sich aber heute noch im Münster-
depot, so das Brustbild einer Madonna mit Kind

nähernd ist auch die Art, wie sie mit der linken
Hand das linke Füßchen des Kindes aufwärtsschiebt
und wie dieses mit der Rechten quer vor der Brust
der Mutter nach dem Kopfschleier greift. Das alles
sind Momente, die eine völlige Reife der Kunst und
eine unbedingte Sicherheit und Selbständigkeit des
Meisters voraussetzen. Nach der ikonographischen
Seite ist das Bild dadurch bemerkenswert, dass das
Jesuskind, wie auch noch bei der Madonnendarstel-
lung eines andern Fensters im Münster2, in der Linken
einen Vogel hält. Es ist mit diesem, in der spätmittel-
alterlichen Kunst immer häufiger werdenden Motiv
die Befreiung der menschlichen Seele von den Banden

Abb. 5 und 6. Fratzen im. Fenster der St. Peter- und Paulskapelle.
(Aus Geiges, Der alte Fensterschmuck.)

(Abb. 7)1, das zurzeit über dem Durchgang zur
Schatzkammer im südlichen Querschiffarm aufgestellt
ist. Den Grund bilden hier blau gemusterte Car-
reaus. Die Gottesmutter steht, wie die drei andern
Heiligen, unter einem sterngewölbten Baldachin, der
in einem Wimperg oben schließt (Abb. 8). Ein
grüner, außen mit einem Perlenreif umsäumter Nim-
bus umgibt das Haupt, auf dessen weißgrauem
Schleier eine Goldkrone ruht; Maria trägt grünes
Kleid und darüber einen hochrot gefütterten Lila-
mantel. Ihr lebendig dreinsehendes Gesicht weicht
bereits merklich von dem Idealtypus der frühern
Zeit durch ersichtlich realistische Züge ab, und
stark realistisch, schon beinahe dem Genre sich

1 Abgebildet bei Geiges in Schauinsland 29, 73.

des bösen Feindessymbolisch3 ausgedrückt; die Mystik
hatte diese Symbolik populär gemacht und auf ihre
Anregungen dürfte es zurückzuführen sein, dass wir
diesem mystisch-symbolischen Gedanken in Freiburg
zweimal auf Fenstern des 14. Jahrhunderts begegnen.
Fast noch realistischer ist das von einem kräftigen
Haarsaum umrahmte Gesicht des hl. Petrus (Abb. 9)
gehalten, das ein auffallend stark vorspringendes
Kinn aufweist. Als Attribut trägt Petrus wie üblich
die Schlüssel. Katharina (Abb. 10), in deren Gesicht
durch leichte Schattierungen wie bei Maria mehr
Leben gebracht ist, hält ihr Rad. Ein reiches Muster
von Adler- und Löwenmedaillons breitet sich auf

s Abgebildet ebd. S. 103.

3 Vgl. meine näheren Ausführungen hierüber in Kraus,
Geschichte der christl. Kunst II 2, 474 ff.
 
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