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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 7.1911

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Sauer, Joseph: Reste alter Wandmalereien im Freiburger Münster: 1. Die St. Peter- und Paulskapelle und ihre Wandgemälde
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https://doi.org/10.11588/diglit.2639#0017
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Sauer, Reste alter Wandmalereien im Freiburger Münster

Kreuz, ebenso wie durch Sonne und Mond oben, ist. Auf der entgegengesetzten Seite steht dem
beim Kreuzestod Christi zum Entscheidungskampf Kreuzesholz zunächst Johannes, der in der üblichen
sich (regenübertreten1. Ausdrucksweise des Mittelalters zum Zeichen der
Die Begleitfiguren sind in zwei Gruppen rechts Trauer seine Rechte an die Wange legt. Die etwas
und links vom Kreuz aufgestellt, rechts davon die gesenkte Linke dürfte ein Buch getragen haben, doch
weibliche und links die männliche. Die erstere ist ist diese Stelle der Malerei stark abgeblättert. Die
bis etwa zu den Knien recht gut erhalten, nament- Kopfhaare legen sich in Wellen, die vorn als Röll-
lich die Köpfe; von der männlichen ebenso auch der chen das Gesichtsoval umrahmen. Der Heilige trägt
hl. Johannes zunächst dem Kreuz, leidlich auch noch grünen, blau gefütterten Mantel über dunkelrotem
der Hauptmann hinter ihm, von der dritten Figur Kleid. Hinter Johannes gewahrt man den Haupt-
sind nur undeutlich Partien des Gesichtes zu er- mann, dessen Helm mit hochgezogenem Visier und
kennen. Die mittlere der drei Frauen (Abb. 13), jeden- niederhängenden Ohrenlaschen der Künstler mit ganz
falls Maria, wendet ihr Haupt vom Kreuz ab, hält sich besonderer Sorgfalt dargestellt hat. Über den Brust-
mit der Rechten an der Hand der rechts von ihr panzer hat er einen roten Mantel gelegt. Die hoch-

stehenden Frau, während ihre
Linke, die offenbar den Mantel
vorn zusammengehalten hat, kraft-
los niederhängt. Der Künstler
wollte sie allem Anschein nach
im Moment der beginnenden Ohn-
macht erfassen. Ihr Gesicht, das
am Rand durch Mennig schattiert
ist, zeigt wie das der zwei andern
Frauen ein anmutiges volles Oval,
kräftige Nasenlinie, schön ge-
schwungenen Mund, hohe Stime
und große weitgeöffnete Augen.
Goldene Haarwellen, die stofflich
sehr gut wiedergegeben werden,
rahmen es ein; bei der Frau zu-
nächst am äußersten Bildrand
fallen sie in langem Fluss über
die Schulter abwärts. Über ihrem
blauen Kleid, dessen Ärmel eng
den Arm umschließen, trägt Maria

Abb. 11. Hl. Paulus. Ausschnitt aus dem
Fenster der St. Peter- und Paulskapelle.

(Aus Geiges, Der alle Fenslcrschmuek.)

erhobene Rechte hält ein Spruch-
band aufwärts, auf dem ursprüng-
lich jedenfalls sein Bekenntnis zu
lesen war: Vere filius dei erat iste.
Die Linke ruht unten auf dem
Schwertknauf. Von einer dritten
Gestalt hinter dem Hauptmann
sind mit großer Mühe Teile des
Gesichtes, dann eines grünen Ge-
wandes und schließlich eine hoch
emporgehaltene rechte Hand zu
erkennen, die entweder nach dem
Schriftband oder nach dem Ge-
kreuzigten selber deutet, offenbar
in der gleichen Absicht, in der
der Hauptmann seine Schriftrolle
hochhält. Es ist entweder einer
vom Henkertross oder ein Mann
des gewöhnlichen Volkes.

Die Malerei ist auf einem
Kreidegrund angebracht, der in
dünner Lage auf die glatten, nir-

einen violetten, grünlich gefüt-
terten und mit lichten Musterstreifen überzogenen gends aufgerauhten Quader so vorzüglich aufgesetzt ist,
Mantel, der in einer großen breiten Draperie vorn dass er durchweg bis heute gut festhielt, soweit nicht
aufgenommen und quer über den rechten Unterarm mechanische Gewalteingriffe vorgekommen sind. Die
gelegt ist. Die Frauengestalt rechts der Maria ist in Tatsache dieser Haltbarkeit wie auch die weitere, dass
grünes Kleid und ebenfalls violetten Mantel gekleidet, er sich nirgends zersetzt hat, lassen daraufschließen,
die links von ihr, dem Kreuz zunächst stehende, dass er nicht einen Leim-, sondern Käsezusatz ur-
jedenfalls Magdalena, in blaues Kleid und roten, sprünglich erhalten hat. Von weitem besehen, macht
braungrün gefütterten Mantel; der Kopf ist in bläu- die Malerei den Eindruck starker Übermalung; die
lichweißen Schleier gehüllt, der auch noch Hals und kräftigen bräunlichen Schattenlasuren in den Ge-
Kinn umzieht. Die zwei Begleiterinnen Mariens, sichtern und an den Füßen des Herrn legten eine
deren Gesichtsschnitt und -Formen wie bei zwei solche Vermutung ohne weiteres nahe, der denn auch
Zwillingsschwestern ganz gleich sind, richten auch da und dort Ausdruck gegeben wurde. Indes lässt
in gleicher Haltung ihren naiv fragenden, besorgten sie sich jetzt nicht mehr festhalten, nachdem eine
Blick zum Kreuz empor. Alle drei Frauen sind nähere Untersuchung anlässlich einer jüngsten Reini-
durch breite goldene Nimben ausgezeichnet, in die gung festgestellt hat, dass das Bild in seinem unver-
in erhabener Arbeit ein Rundbogenfries eingesetzt änderten Zustand auf uns gekommen ist. Ein anderes

hat sich bei dieser Untersuchung aber noch gezeigt,

1 Vgl. darüber mehr in des Verfassers Symbolik des
Kirchengebäudes (Freiburg i. Br. 1902) S. 95.

das uns erklärt, wie man zu jener Vermutung kom-
 
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