Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 8.1912

DOI Artikel:
Kreuzer, Emil: Der leitende Grundgedanke des Bilderschmucks am Münsterhauptportal
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2636#0059
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
52

Kreuzer, Der leitende Grundgedanke des Bilderschmucks am Münsterhauptportal

In dieser Parallele liegt nun der Schlüssel zur
Lösung der Frage, weshalb die Portalvorhalle in
Freiburg gerade diesen Bilderschmuck zeigt, und
welchen Gedankengang sie damit illustriert.

Das Portal nämlich und die Portalvorhalle des
Kirchengebäudes entsprechen in ihrer Symbolik der
Advent- und Weihnachtszeit im Kirchenjahr. Die
Idee der Vorbereitung und des Hinzutretens zu dem
auf die Erde gekommenen Reiche Gottes, die Pre-

Im Vorplatz des Kirchenportales war demgemäß
im christlichen Altertum der Ort, an dem die Täuf-
linge des Rufes zum Empfang des Taufsakramentes
und dadurch zur Aufnahme in die kirchliche Ge-
meinschaft, die Büßer auf die Wiederzulassung zur
Feier der heiligen Geheimnisse harrten.

Das Portal, die Kirchentür, sodann versinnbildet
demgemäß die Ankunft des Herrn und seines Reiches
selbst (Weihnachten), weiterhin den Eintritt in das

■jmt'>mmsK>mmg, v^^^mmmfr^' im*»

Abb. 3. Standbilder der Nordseite.

digt Johannes' des Täufers (Mt. 3, 2): „Tut Buße,
denn das Himmelreich hat sich genaht", kennzeichnet
und beherrscht die Liturgie des Advents; sie ist aber
auch das Entsprechendste für denBilderschmuck einer
Portalvorhalle.

Wie der Advent die Zeit ist, die auf die Be-
trachtung des Erscheinens, Lebens und Leidens des
Herrn in den darauf folgenden Festzeiten vorbereitet,
so ist die Portalvorhalle, der Vorraum des Kirchen-
gebäudes, der Ort, an dem der Geist sich sammeln
und vorbereiten soll zum Eintritt in das Haus Gottes,
zum Hinzutreten zur Feier des Erscheinens, Lebens
und Leidens des Herrn in dessen Räumen.

„Himmelreich", und zwar sowohl in das Gottesreich
der Kirche in der Zeit, wie des „himmlischen Jeru-
salem" in der Ewigkeit, dessen irdisches Abbild das
Gotteshaus ist, wie in der Auswahl der Epistel des
Kirchweihfestes (Offenb. 21, 2—4) zum Ausdruck
kommt.

Diese einfachen Gedanken waren gewiss die
nächstliegenden für ein „Programm", die leitende
Idee zum Bilderschmuck eines Kirchenportales und
seiner Vorhalle. Es ist klar, dass sie nicht erst aus
gelehrten dickleibigen theologischen und philosophi-
schen Werken herausgeschält oder aus zweiter Hand
aus den Dichtungen Dantes oder Konrads von Würz-
 
Annotationen