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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 8.1912

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Kreuzer, Emil: Der leitende Grundgedanke des Bilderschmucks am Münsterhauptportal
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https://doi.org/10.11588/diglit.2636#0061
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Kreuzer, Der leitende Grundgedanke des Bilderschmucks am Münsterhauptportal

Lesung über Christi Kommen zum jüngsten Gericht1" Damit sind drei Gedanken ausgesprochen, welche
(Lk. 21, 25 ff.). „Beide Perikopen belehren, wie der die Disposition zu dem „Programm" unserer Bild-
Herr bei seiner Ankunft zu empfangen sei." „Das werke enthalten; der Gedanke erstens an die An-
heutige Missale setzt dagegen sowohl ans Ende des kunft des Herrn, zweitens an die Versuchung, die
Kirchenjahres als an dessen Anfang, den ersten Ad- von ihm ablenkt und in die Irre führt, und drittens
ventsonntag, eine Lesung über den jüngsten Tag« an die Mittel, welche davor bewahren, ihr zum Opfer
(Mt. 24, 15 ff.; Lk. 21, 25ff.). „An den zwei folgen- zu fallen, und ermöglichen, des Himmelreiches teil-
den Adventsonntagen geht das römische Missale haftig zu werden. Diese drei Gedanken beherrschen
wiederum mit den alten Verzeichnissen zusammen, auch die ganze Adventsliturgie.
Alle geben Berichte über die Wirksamkeit des Vor- * ... *

laufers, um dem Messias den
Weg zu bereiten." —

Die Ankunft des Herrn
und seines Reiches finden wir,
der Idee des Portales, der
Kirchentüre, entsprechend in
dessen Bogenfeld, Mittelpfo-
sten, Hohlkehlen und Lei-
bungen dargestellt,

die Versuchung in den
beiden Statuen zwischen den
Engeln mit den Spruchbän-
dern „Nolite exire" und „Ne
intretis",

die Mahnung zum Wa-
chen und Beten, als den Mit-
teln zur Vermeidung des Ab-
falles, zur Vorbereitung auf
die Ankunft des Herrn in den
übrigen Bildwerken an den
Wänden der Vorhalle, die den
in die Vorhalle Eintretenden
empfangen und zum Portal
hingeleiten.

„Wachet also, weil ihr
nichtwisset,zuweicher Stunde
euer Herr kommen wird" (Mt.
24, 42) — das ist der lei-
tende Gedanke unseres Bil-
derzyklus.

Dem Bericht des Mat-
thäusevangeliums, der dieser
Stelle vorausgeht, ist die Pe-
rikope des letzten Sonntages
des Kirchenjahres vor dem
Advent (Mt. 24, 15—36) über
die Weissagung des Herrn
vom Weltgericht entnommen.
Sie enthält die Mahnung: „No-
lite exire«, die auf dem Spruch-
bande des Engels auf der
Nordseite des großen äußeren
Portalbogens steht. Der Hei-
land redet von der großen
Not, die dem Weltende vor-
angehen wird, und von den
falschen Christi und Prophe-
ten, die dann aufstehen und
große Zeichen und Wunder
tun werden, so dass, wenn es möglich wäre, auch Schwachheit, sein zweites Kommen im Geiste und in
die Auserwählten in die Irre geführt würden. Dann Kraft, sein drittes Kommen in Glorie und Majestät:
fährt er fort: „Siehe, ich habe es euch vorhergesagt, adventus ad homines, in homines, contra homines
Wenn man also zu euch sagt: siehe, in der Wüste (Serm. 3). Das erste Kommen vor 1900 Jahren in
ist er, so gehet nicht hinaus (nolite exire)." seiner Geburt im Stalle zu Bethlehem und seinem

Ein weiterer Engel derselben Seite (nordwest- Leben und Leiden, sein zweites, geistiges, jedes Jahr
liehe Ecke der Vorhalle) trägt den Spruch „Ne intretis". an Weihnachten und in gnadenreicher Wirklichkeit
Dieser ist Mt. 26, 41 entnommen, der Schilderung, im Leben der Kirche, sein drittes und letztes Wieder-
wie die Jünger am Ölberg schlafen und der Herr kommen zum Gericht. „Christus, einmal sichtbar
sie mahnt: Vigilate et orate, ne intretis in tentationem, und im Fleische auf Erden erschienen, soll unsicht-
wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet, bar und geistigerweise in jedem Herzen geboren

Ein dritter kleiner Engel auf der Südseite des werden und Gestalt annehmen (Gal. 4, 19), um durch
äußeren Portalbogens trägt den Spruch: „Vigilate et

. « ,. . „ ,, , , , „ ,. ' Vgl. für die nächstfolgenden Zitate: P. W. von Keppler,

orate« auf einem Spruchband, der eben d.eser Stelle Die AdveSntsperikopen. Frdburg ,. Br„ Herder. 3. Aufl. 1904
des Evangeliums entstammt. s. 10- 15.

Abb. 5. Postament der St. Katharinenstatuc.

Die Ankunft des Herrn
ist eine dreifache, wie der hl.
Bernhard Serm. 5 de adventu
ausgeführt hat1: sein erstes
Kommen im Fleische und in
 
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