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Friedländer, Max J.
Die niederländischen Manieristen — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 3: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.61071#0009
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volle, vornehme Geschmeidigkeit sucht. Joos van
Cleve, der sogenannte Meister des Todes Mariä
(zwischen 1511 und 1540 in Antwerpen tätig) nimmt,
obwohl wesentlich jünger, eine ähnliche Stellung
ein wie Massys.
Jan Gossaert, der 1503 Freimeister in Antwer-
pen wird, nachdem er einige Jahre anscheinend in
Brügge die Überlieferung in ihrer reinsten Form
kennen gelernt hat, ist seinem Charakter nach ein
Neuerer, strebsam und originalitätslüstern. Wahr-
scheinlich hat er schon mit seinem ersten Erscheinen
in Antwerpen Unruhe gestiftet. Als er später, nach
einem Aufenthalt in Italien, an mehreren nieder-
ländischen Orten arbeitete, galt er als ein Bahn-
brecher und Wegweiser. Guicciardini sagt vom ihm
,,il quäle fu il primo ehe portö d’ Italia in questi
paesi, l’arte del de’pingere Historie, & poesie con
figure nude.“ Damit ist besser die Absicht als die
Tat Gossaerts bezeichnet. Bei schwach fließender
Erfindung mühte er sich um reiche und verwickelte
Bewegungsmotive, blieb aber in der Zeichnung
niederländisch gewissenhaft, in der Malweise alter-
tümlich gediegen. Der Widerstreit zwischen Anlage
und Willensrichtung macht ihn zum Manieristen.
Das offen zutage liegende Kennzeichen der Manier
ist im Falle Gossaerts die Nachahmung der Plastik,
gesuchte Gliederverschiebung, übertriebene Model-
lierung. Ehe aber die Gossaertsche Form verführend
wirkte, was sie gegen 1520 tat, als namentlich der
Brüsseler Bernaert van Orley entschieden auf diesen

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