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ficum“ auf der Baumünze der Sala Regia und der Cap.
Paolina22. Und Vasari rühmt an den Pal. Baldassini, Ferra-
tini und Gaddi, an der Villa Madama und an der Villa Lante
oder an Sangallos vatikanischen Umbauten als höchste Ver-
dienste Schönheit und Bequemlichkeit23. Zweifellos haben
wir in dem Mangel an wohnlichen Bauten mittleren und
kleineren Formates, wie er in Rom zu Beginn des 16. Jahr-
hunderts herrschte, ein wichtiges Motiv der neuen Baulust
zu erblicken. Während die Kardinäle entweder bei ihren
Titelkirchen geräumige Appartements vorfanden, die sich
den neuen Lebensgewohnheiten anpassen ließen, oder aber
einen der großen Nepotenpaläste des Quattrocento über-
nehmen konnten, dürfte das durchschnittliche römische
Wohnhaus kaum den Standard der toskanischen und ober-
italienischen Städte erreicht haben24.
Schon Pius II. legt in seiner Beschreibung des Pal. Picco-
lomini zu Pienza keinen geringeren Wert auf die Bequem-
lichkeit der klimatischen Verhältnisse, der großen Fenster
und Türen, der Treppe und der Vielzahl geeigneter Räume
für jede Lebensfunktion als auf seinen repräsentativen As-
pekt25. Und Francesco di Giorgio konzentriert seine Emp-
fehlungen für den „palazzo de’ principi“ fast ausschließlich
auf Fragen des Klimas, der Belichtung und der Lüftung, der
angenehmsten Abmessungen der Treppenstufen, der Zahl
der Räume, ihrer Funktion und ihrer Lage zueinander26.
Daß es dabei nicht nur um humanistische „topoi“, um die
Wiederholung antiker Texte wie Vitruvs oder Plinius’ d. J.
ging, beweisen die Paläste selbst. Vergleicht man etwa die
Treppen, Küchen, Stallungen, Zisternen und Toiletten des
14./15. Jahrhunderts mit jenen der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts, so wird deutlich, welche Anstrengungen die
Architekten gerade in dieser Hinsicht unternahmen27. Die
wesentlichen Elemente in der Innendisposition der römi-
schen Renaissancepaläste gehen auf den Pal.Ducale zu
Urbino zurück. Er ist das Ergebnis der engen Zusammen-
arbeit des bedeutendsten Bauherrn seiner Zeit und eines
genialen Architekten. Dort wirkte Francesco di Giorgio,
der Lehrer Peruzzis, dort wuchsen Bramante und Raffael
heran. Noch im späten 16. Jahrhundert galt sein Innen-
organismus als vorbildlich, und nichts berechtigt zu der
Behauptung, er zeuge gegenüber den gleichzeitigen Floren-
tiner Palästen von einer letztlich gotischen Gesinnung28.
Auch die Ansicht, man habe der Repräsentation die In-
22 Frommei 1964, 6, Abb. 4.
23 VasMil, V, 451 ff., VII, 497.
24 Giovannoni 1935, 29 ff.
25 Piccolomini, Commentarii, 231 ff.
26 Franscesco di Giorgio ed. Salluzzo, II, 11.
27 s. S. 60ff.
28 Ackerman 1961,1, 78.

timität geopfert, erweist sich bei näherer Betrachtung der
Palastorganismen als unbegründet. Gewiß: Seit der römi-
schen Kaiserzeit hatte man auf Eingangshallen und Innen-
höfe keine ähnliche Sorgfalt verwendet, seit der kretischen
Kultur nicht auf die Treppen und wohl noch niemals zuvor
auf die Fassaden von Privatpalästen. Doch über dieser
ständig wachsenden Bedeutung der repräsentativen Teile
wurde die Bequemlichkeit keineswegs vernachlässigt. Nicht
die großen Festsäle, die der heutige Betrachter vor allem
bestaunt, waren für das tägliche Leben bestimmt, sondern
mittlere und kleinere Räume. Darin unterschied sich das
Privatappartement Julius’ II. weder von dem des Kardinals
Raffaele Riario noch von dem des Agostino Chigi. Ja, der
Balkonsaal des Pal. Farnese, die Sala Grande des Kardinals-
projektes von 1517, ist mit etwa 11,30 x 14,60 mund ledig-
lich einer Fensterreihe nicht nur wesentlich kleiner als die
Säle des 15. Jahrhunderts, sondern auch kaum größer als
repräsentative Empfangsräume einer entsprechenden Per-
sönlichkeit des heutigen öffentlichen Lebens. Kleinere Pa-
läste wie die Farnesina, der Pal. della Valle oder die Villa
Lante haben ihre Intimität bis heute bewahrt; und Raffaels
Projekt für sein Haus in Via Giulia wird auch durch römi-
sche Bauten des 17.-19. Jahrhunderts an Bequemlichkeit
und umsichtiger Disposition kaum übertroffen. Die hohen
Gewölbe und Decken, die den Besucher aus dem Norden
vielfach mittelalterlich anmuten, waren schon als Schutz
gegen die sommerliche Hitze geraten. Im Winter sorgten
große Kamine für die Wärmung der wichtigsten Räume.
Wie intensiv sich auch größte Meister mit technischen De-
tails wie der Lüftung eines Kamins befaßten, kann der Be-
richt des ferraresischen Gesandten vom März 1520 über ein
Gespräch mit Raffael veranschaulichen 29.
Gewiß sind Bequemlichkeit und Intimität eines römi-
schen Renaissancepalastes nicht mit dem Komfort einer mo-
dernen Villa oder auch dem Kiosk eines Sultans zu verglei-
chen. Bedenkt man jedoch, daß noch während der gleichen
Jahrzehnte die Savelli im Marcellustheater, die Orsini im
Augustusgrabmal oder die Frangipani im Titusbogen
hausten, so weiß man den ungeheuren Aufschwung der
römischen Wohnkultur erst wirklich zu schätzen30. Klub-
sessel, Sofa und Zentralheizung waren noch nicht erfunden;
doch man begann Bäder mit Wannen und Warmwasser-
reservoirs einzubauen und die Räume durch Sessel, Leder-
tapeten, Bilder, Drucke, gestickte Decken und Teppiche
wohnlicher zu gestalten. Selbst einen Aufzug sollen die
Architekten in der Engelsburg für den beleibten Papst
Julius II. eingerichtet haben31.
29 Golzio 1936, 108.
30 Gnoli 1938, 32 ff.
31 E. Rodocanachi, Chateau de St. Ange, Paris 1909, 112, 130.

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