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Die Hoffnung auf Nachruhm, die Darstellung der eigenen
Bedeutung, des eigenen Wohlstandes, des eigenen Ge-
schmackes, die Wiederherstellung des alten römischen
Glanzes, schließlich die Bequemlicheit eines geräumigen,
mit allen zivilisatorischen Neuerungen ausgestatteten Hau-
ses mögen die wesentlichsten Motive der Bauherrn gewesen
sein. Andere wie Spekulationsabsichten traten an ihre
Stelle, wenn etwa Giulio Alberini oder Giuliano Leno in
bester Geschäftslage Terrain erwarben und zunächst nur
mit Bottegen bebauten.
Welche Aspekte, welche Motive jeweils in den Vorder-
grund rückten, ergab sich aus jener produktiven Wechsel-
wirkung zwischen Bauherrn und Architekten, von der die
römischen Quellen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
kaum sprechen. Kein Zweifel, daß Chigi mit seiner heiteren,
villenhaften Farnesina völlig andere Absichten verfolgte als
der Kardinal Farnese mit seinem machtvollen Familien-
palast, dessen unmittelbares Vorbild der päpstliche Justiz-
palast darstellte. Und sicherlich erwartete Pietro Massimo
von Peruzzi eine der mythischen Abkunft seines Geschlech-
tes angemessene Form, während Sangallo in seinem Wohn-
haus allen Launen nachgehen konnte. Nicht jeder Architekt
war für jeden Bauherrn geeignet. So bevorzugte Chigi an-
mutige, dekorfreudige Meister wie Peruzzi und Raffael, der
Kardinal Farnese und spätere Papst Paul III. den robusten
und soliden Sangallo, bevorzugten die römischen Patrizier
Girolamo Pichiund Giulio Alberini zunächst ausgesprochen
konservative Meister wie Pietro Rosselli. Es ist gewiß kein
Zufall, daß Vasari an den Bauten Raffaels, Peruzzis und
Giulios mehr die Schönheit, die Grazie und den Einfall, an
Sangallos Bauten mehr die Bequemlichkeit und die Solidi-
tät rühmte. Wem es gelang, von Bramante oder Raffael
einen Entwurf zu erhalten, der konnte auf Formvollendung,
Antikennähe und auf zukunftsträchtige Ideen hoffen, weni-
ger dagegen auf eine völlig zuverlässige Ausführung, auf
jene Dauerhaftigkeit, die für den Nachruhm so entscheidend
war. Wandte man sich an Giulio, so mußte man sich auf
Überraschungen, ja auf einen Schock gefaßt machen, ging
aber sicher, daß der Neubau nicht unbeachtet blieb. Peruzzi
würde eine Vielzahl von Alternativen vorlegen und einem
die Entscheidung durch sein zögerndes Wesen gewiß nicht
erleichtern, dafür jedoch eine bis ins letzte Detail virtuose
Ausführung garantieren; Sangallos Bau würde sich mehr
durch Kraft und Solidität als durch Anmut auszeichnen, in
der klugen Disposition des Innenorganismus jedoch un-
übertroffen sein. Für den Künstler mag der Bauherr oft
nicht mehr als den Vorwand zur Verwirklichung seiner
Ideen bedeutet haben, wie dies am deutlichsten aus den
Berichten über die Planungsgeschichte des St. Peter oder
der sixtinischen Decke hervorgeht32. Auf diese Intentionen

der Künstler und ihren Wandel soll aber im Zusammenhang
mit der stilistischen Entwicklung ausführlich eingegangen
werden.
Auch von der Entstehung eines Palastes geben die Quel-
len ein äußerst lebendiges Bild. Der Kauf des Baugrundes
war - nicht anders als heute - je nach Lage mühsam und
kostspielig oder einfach und billig. Giulio Alberini brauchte
fast zwanzig Jahre, um die zahlreichen Parzellen für seinen
Palast zusammenzubekommen, und hatte für relativ kleine
Stücke einen jährlichen Census von je 80 Dukaten zu ent-
richten33. Chigi erwarb die südliche Hälfte des Farnesina-
geländes samt einer Vigna bei Porta S.Pancrazio für den
Spottpreis von 530 Dukaten. Fünf Jahre später kostete die
nördliche, etwa ebenso große Hälfte bereits das Doppelte.
Im Zentrum waren Grundstücke schon deshalb wesentlich
teurer, weil sie meist bebaut waren und mit den Gebäuden
erworben werden mußten. So hatte Alfonsina Orsini für
ihren Bauplatz an Piazza dei Caprettari mindestens 2700
Dukaten zu bezahlen.
War das Grundstück erworben, so setzte der komplizierte
Planungsprozeß ein, in den uns nur gleichzeitige Kirchen-
bauten einen gewissen Einblick gestatten. So war Braman-
tes Tendgültiger Plan für St. Peter offenbar das Ergebnis
langwieriger Auseinandersetzungen zwischen dem Papst,
seinen Beratern, Bramante und den anderen päpstlichen
Architekten34. So wurden für die Fassade von S. Lorenzo in
Florenz, für die Kirche S. Giovanni dei Fiorentini am Tiber
oder für das Kranzgesims des Pal. Farnese regelrechte Wett-
bewerbe ausgeschrieben35. Verträge mit den entwerfenden
Architekten haben sich für die Paläste unserer Epoche nicht
erhalten. In den meisten Fällen wird man eine mündliche
Absprache zwischen Auftraggeber und Architekten an-
nehmen dürfen, wie sie zwischen Michelangelo und dem
Kardinal Giulio de’ Medici vor dem Bau der Medicikapelle
stattfand36. Nur wenn der entwerfende Architekt gleich-
zeitig die Bauleitung übernahm, wie Peruzzi beim Neubau
32 Pastor, III2, 915ff.
33 Nach den Berechnungen U. Procaccis betrug der ungefähre
Gegenwert eines Dukaten im Jahre 1964 etwa 100.—DM; R.
Lefevre, Note su monete e prezzi a Roma a meta del Cinquecento,
in: L’Urbe 28 (1965), Heft 3, 11 ff.
34 Pastor, III2, 915 ff.; Metternich 1954, Iff.
35 Ackerman, Practice; bei dem Neubau der Hospitäler S. Giacomo
in Augusta und S.Spirito in Sassia handelte es sich kaum um
Wettbewerbe. Seit seiner Ernennung zum zweiten päpstlichen
Architekten finden wir Peruzzi auch an einigen Projekten Sangal-
los beteiligt, die nicht auf einen Auftrag der Kurie zurückgingen
(Caprarola, Foligno). Der Entwurf UA 578 stammt wohl von der
Hand Giovanfrancesco da Sangallos, UA 554 war eher für ein
Kloster in Siena bestimmt.
36 Bericht des Figiovanni bei: G. Corti, Una ricordanza di Giovan
Battista Figiovanni, in: Paragone 15 (1964), 24ff.

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