Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. PALASTBAU UND URBANISTIK
IM ROM DER HOCHRENAISSANCE

Die urbanistische Erneuerung Roms setzte erst mit der
Bulle Martins V. von 1425 ein1. Wohl hatten sich durch die
zahlreichen Kirchen- und Klostergründungen der konstan-
tinischen und nachkonstantinischen Zeit die Schwerpunkte
des Stadtbildes gegenüber der Kaiserzeit weitgehend ver-
schoben: Statt Forum und Palatin, statt der Theater und
Thermen gab es nun geistliche Zentren; und diese neuen
Zentren lagen wie S. Giovanni in Laterano und St. Peter
meist am Rande der Stadt. Doch nach dem Zusammenbruch
des westlichen Kaiserreiches und den Verwüstungen der
Völkerwanderung legten weder die Päpste noch die welt-
lichen Verwalter Roms besonderen Wert auf eine urbanisti-
sche Reorganisierung. Die Verbindungswege, die zwischen
den neuen Zentren entstanden, verliefen eng und unregel-
mäßig und wurden funktionellen Erfordernissen wie der
Bewegung der Pilgermassen keineswegs gerecht. Nur
wenige der antiken Straßen wie die Via del Corso oder die
Via dei Coronari und nur wenige Brücken wie der Ponte
Molle, die Engelsbrücke und die Brücken der Tiberinsel
blieben in Benützung. Die beiden Verbindungsstraßen
zwischen dem Vatikan und dem alten Rom, die Via Papalis
und die Via dei Banchi Vecchi, waren mittelalterlichen
Ursprungs. Und ähnlich wie diese Hauptstraßen schlängel-
ten sich auch die meisten übrigen Straßen zwischen Kirchen
und antiken Ruinen hindurch - einem Fluß vergleichbar,
der sich den Weg des geringsten Widerstandes sucht.
Während die toskanischen Kommunen seit dem 13. Jahr-
hundert eine konsequente urbanistische Gesetzgebung auf-
stellten und ihren Städten durch breite und gerade Straßen,
durch einheitliche Häuserfluchten und prächtige Plätze ein
neues Gesicht gaben, fehlte der römischen Bürgerschaft die
politische wie wirtschaftliche Unabhängigkeit zu ähnlich
selbstbewußten Maßnahmen2. Erst als die Päpste im
15. Jahrhundert die Initiative ergriffen und sich für die
1 F. Castagnoli, C. Cecchelli, G. Giovannoni und M. Zocca, Topo-
grafia e Urbanistica di Roma (Storia di Roma, Band XXIII),
Bologna 1958; P. Zucker, Town and Square, New York 1959;
Muratori, Bollati, Bollati, Marinucci 1963; E. A. Gutkind, Inter-
national history of city development, vol. IV: Urban develop-
ment in Southern Europe: Italy and Greece, New York 1964ff.;
G.C. Argan, The Renaissance City, New York 1969; Rezension
von Argan: J.S. Ackerman, in:ArtBull 53 (1971), 115f.; L.
Benevolo, La cittä italiana nel Rinascimento, Mailand 1969;
Rezension von Argan und Benevolo: K. W. Forster, in: J SAH 31
(1972), 67 ff.
2 W. Braunfels, Mittelalterliche Stadtbaukunst in der Toskana,
Berlin 1963.

Probleme der Stadtbaukunst zu erwärmen begannen, ver-
änderte sich das Bild. Die Päpste blieben denn auch bis zum
Zusammenbruch des Kirchenstaates im Jahre 1870 die tat-
kräftigsten Förderer der römischen Urbanistik.
Die entscheidenden, von Martin V., Nikolaus V. und
Sixtus IV. erlassenen Gesetze orientierten sich am Vorbild
der toskanischen Städte3. Wenn zwei Straßenmeister mit
weitreichenden Vollmachten eingesetzt werden, wenn auf
Sauberkeit und Hygiene der Stadt geachtet wird, wenn man
die engen Straßen von düsteren Portiken und sperrigen
Hindernissen zu befreien sucht, wenn jedes Neubauprojekt
der Behörde zur Kontrolle vorgelegt werden muß oder
wenn man alles unternimmt, um aufwendige Neubauten
durch Enteignung der Nachbargrundstücke und Steuer-
privilegien zu fördern, so sind dies alles keine grundsätzlich
neuen Gesichtspunkte. Gleichwohl blieben sie bis in das
Pontifikat Gregors XIII. für die römische Urbanistik be-
stimmend. Diese letztlich spätmittelalterlichen Richtlinien
erwiesen sich auch während der Renaissance als durchaus
praktikabel. WennLeo X. im November 1516 verfügte, auch
Kleriker könnten künftighin ihre Häuser, Paläste oder
Villen weitervererben, Anlieger aufwendiger Neubaupro-
jekte könnten zum Verkauf ihres Besitzes gezwungen wer-
den, auch falls ihr Haus nicht beschädigt sei, im Streitfälle
werde derjenige von zwei benachbarten Bauherren bevor-
zugt, der das großartigere Projekt vorzulegen habe, oder
wenn er die für die Neugestaltung der Via Alessandrina er-
lassene Bulle von 1499 auf ganz Rom ausdehnte, so tat er das
mit dem erklärten Ziel: „ut quanto citius Urbs ipsa, ac
praedia nostris praesertim temporibus, aedificiis, ac praediis
instauretur .. .“4. Daß der Wunsch nach rascher Verschöne-
rung der Stadt nicht immer auf die soziale Gerechtigkeit
Rücksicht nahm, ist schon den päpstlichen Erlässen zu ent-
nehmen.
Nach der Rückkehr aus Avignon hatten die Päpste ihre
Residenz in den Vatikan verlegt. Der Lateran fiel als urbani-
stischer Schwerpunkt weitgehend aus und wurde eine Insel
am südlichen Rande der Stadt - nicht anders als St. Paul oder
S. Lorenzo fuori le mura. Die entscheidenden Pole waren
nun St. Peter mit dem Vatikan als Zentrum der päpstlichen
Macht im Nordwesten und das Kapitol als Symbol kom-
3 op.cit.; Re 1920; Romano 1938, 6-16; Giovannoni in: Casta-
gnoli u.a. 1958, 345ff.
4 Bardus 1565, S. Mm.

11
 
Annotationen