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Nach dem Tode JuliusTI. blieb der Justizpalast aus
politischen wie finanziellen Gründen in den Fundamenten
liegen. Der Platz zwischen Via Giulia und Via dei Banchi
Vecchi wurde damit hinfällig: die neue Straße verlor ihr
eigentliches Zentrum. Schon Bramante hatte eine Reihe
breiter und regelmäßiger, wenn auch nicht durchwegs
rechtwinklig abzweigender Seitenstraßen geplant, an denen
sich die weitere Bebauung des Viertels orientierte (T,146 a).
So entstanden während der nächsten Jahrzehnte der Urbau
des heutigen Pal. Falconieri, der Pal. Farnese, die Zunft-
kirche der Goldschmiede, S.Eligio degli Orefici, und die
spanische Nationalkirche S. Maria di Monserrato im Süden;
und die Paläste des Giovanni Gaddi, der Costanza Farnese,
die Wohnhäuser Sangallos und Giuliano Lenos (später
Sacchetti) sowie die florentinische Nationalkirche S. Gio-
vanni dei Fiorentini im Norden des Justizpalastes26.
Raffaels Projekt für seinen eigenen Palast schräg gegenüber
S. Giovanni dei Fiorentini ist nicht über das Entwurfs-
stadium hinausgekommen (T. 110). Raffael erwarb sein
Grundstück im gleichen Jahre 1519, in dem Sansovino mit
dem pantheon-artigen Neubau von S. Giovanni dei Fioren-
tini begann. Es würde sich gut in das Bild der Baupolitik
Leos X. fügen, wenn er mit diesem prächtigen Projekt
nicht zuletzt die Absicht verfolgt hätte, den Schwerpunkt
der neuen Repräsentationsstraße von dem Justizpalast weg
in das Zentrum der florentinischen Kolonie zu verlagern.
Ähnlich wie im Falle der Via della Lungara wurde die
Regulierung und Neubesiedelung der Via Giulia dadurch
erleichtert, daß große Teile des Geländes dem Kapitel von
St. Peter übertragen wurden, das dann die einzelnen Grund-
stücke verpachtete und auf ihre rasche Bebauung drang2?.
Die Straßenfluchten wurden hier wesentlich strenger ein-
gehalten als im Borgo, doch Fassadenhöhen, -Systeme und
-Materialien blieben wiederum dem Belieben der einzelnen
26 Costanza Farnese, eine Tochter Pauls III. und Frau des Bosio
Sforza, kaufte zwischen 1533 und 1542 die Insel des heutigen Pal.
Ricci bei S. Giovanni in Ayno auf, d. h. das Gelände zwischen Via
Giulia, Piazza dei Ricci, Via Monserrato und Vicolo di Calabraga
(ASR, R.C.A., Caravasquinus de Nicea, vol. 1376, fol. 124; loc.
cit., Coll.Not.Cap., Stefanus De Amannis, vol. 98, fol. 334rss.,
400; vol. 99, fol. 318rss.; Lanciani, II, 152f.). Dieser Besitz um-
faßte die von Polidoro gemalte Fassade an Piazza dei Ricci
(VasMil, V, 145) sowie den Palast des Giovanni Gaddi mit seiner
berühmten Brunnengrotte an der Westseite der Via Giulia (Lan-
ciani, II, 152f.; s. Bd. II, 203, Anm. 60). 1546 rundete ihr Sohn,
Kardinal Guido Ascanio Sforza, das Anwesen durch weitere An-
käufe ab (ASR, R.C.A., Ceccholus, vol. 456, fol. 348rss.).
Wichtig für unsem Zusammenhang, daß sich Costanza Farnese in
den Kaufkontrakten ausdrücklich auf die urbanistischen Gesetze
Sixtus’ IV. beruft, um die Besitzer zum Verkauf zu zwingen. Dies
deutet auf Bauabsichten, die dann durch ihren Tod verhindert
wurden.
27 Frommei 1961, 163ff.

Bauherren überlassen. Wie brutal man bei der Freilegung
der neuen Straße verfuhr, lehrt das Beispiel von S. Gio-
vanni dei Fiorentini. Am 11. VIII. 1508 sandte der Papst
Bramante und seine Mitarbeiter zur florentinischen Bruder-
schaft und ließ ihr mitteilen, daß am nächsten Tag ihr Ver-
sammlungsgebäude niedergerissen werde28.
Orientierte sich die neue Prachtstraße Julius’II. wahr-
scheinlich am Palast seines Nepoten Sisto della Rovere, so
scheint der Nepotenpalast Leos X. an Piazza Lombarda ein
Ausgangspunkt der Via Ripetta, der von Leo X. begonne-
nen Hauptstraße, gewesen zu sein. Der Pal. Medici-Mada-
ma, 1478 in quattrocentesken Formen errichtet, diente seit
1503 als römische Residenz der Medici29. Als Leo X. im
Frühjahr 1513 den Papstthron bestieg, entsprach dieser
Bau nicht mehr den formalen und repräsentativen An-
sprüchen der Zeit. So schlug Giuliano da Sangallo, der
langjährige Hausarchitekt, die Regularisierung, Erweite-
rung und Verschönerung des Palastes vor. Giulianos er-
haltenes Projekt UA 7949 vom Juli 1513 hält an der alten
Fassadenflucht und Teilen des alten Fassadentraktes fest,
dehnt sich jedoch bis zur Sapienza aus und erreicht damit
eine Fassadenfront von 80,42m (360p.) Breite30 (T. 177a,b).
In der Tiefe ist der Baublock sogar noch um 20 p. länger und
orientiert sich an der äußersten Ostspitze des unregelmäßi-
gen Medicibesitzes. Doch Giulianos Projekt zeichnet sich
nicht nur durch die Verbreiterung und durch die regel-
mäßigere und aufwendigere Grundrißdisposition mit vier-
seitigem Loggienhof und rückwärtigem Garten aus, son-
dern vor allem durch seine Verlängerung bis an die Piazza
Navona.
Noch um die Mitte des 15. Jahrhunderts war das verfallene
Domitiansstadium so unansehnlich gewesen, daß man die
Fassade von S.Giacomo degli Spagnuoli zum heutigen
Corso del Rinascimento orientiert hatte31. Mit der Verle-
28 Nava 1935,102; am l.II. 1510 wird ein Florentiner Kaufmann mit
einem Grundstück für den Schaden entschädigt, den er durch die
Trassierung der „viam iuxta Humen a Bramante domini nostri pape
Architecto designatam“ erfahren hatte (ASV, Divers. Camer.,
Arm. 29, vol. 60, fol. 64vs.). Und am 17. XII. 1510 erhält Giro-
lamo Pichi für die Erneuerung der Kloake bei S. Lucia del Gonfa-
lone, die er in seiner Eigenschaft als Straßenmeister aus eigenen
Mitteln finanziert hatte, „quoddam Spatium terre quod est super
Cloacam prope Sanctum Blasium de la Pagnotta incipiens iuxta
viam per quam transeunt de presenti Aquaroli euntes ad haurien-
dam aquam ex tiberi usque ad ecclesiam...“ (loc. cit., vol. 58,
fol. 127).
29 D.Gnoli (1926) hat die Geschichte des Pal.Madama ausführlich
dokumentiert. Danach war das Grundstück 1478 in den Besitz des
Sinulfo di Castell’Ottieri übergegangen, der dort einen stattlichen
Palast errichtete. Für die weitere Geschichte s. Bd. II, 227.
30 Marchini 1942, 63f., 99; Biermann 1970,166, Anm. 38,183.
31 Gerlini 1943, 25f.

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