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Gärten anzulegen und diese bis hinab zum Tiber oder bis
hinauf zum Gianicolo auszudehnen. Auch hier hat es den
Anschein, als sei die Initiative von den einzelnen Bauherren
und ihren Architekten ausgegangen und nicht das Ergebnis
bewußter städtebaulicher Planung. Die Beschäftigung mit
den antiken Autoren und ein neues Verhältnis zur Natur
lockten die Bauherren aus dem Tumult der Altstadt an die
Peripherie; und ihre Architekten hielten neue, am Villenbau
orientierte Bautypen in Bereitschaft. Wenn Leo X. in
einem Motuprorio vom 21. VI. 1513 die Gärten und Vignen
in die Straßenbaugesetze Sixtus TV. einbezog, zeigt das,
welche Bedeutung villenartige Anlagen nun erlangt hat-
ten22. So konnte Baldassarre Turini da Pescia 1539 seine
Villa auf dem Gianicolo beträchtlich vergrößern und die
CesizumVerkauf ihrer benachbarten Grundstücke zwingen,
weil der päpstliche Erlaß den Besitzer des großartigeren
Projektes oder Anwesens ermächtigte, das geringere Nach-
baranwesen zu inkorporieren. Zweifellos brachte dieses
Verfahren häufig Ungerechtigkeiten gegenüber den ärme-
ren Bevölkerungsschichten mit sich. Doch es förderte die
rasche Verwirklichung prächtiger Projekte, und daran war
den Päpsten vor allem anderen gelegen.
Wie freizügig die Straßenmeister auch im Falle der Via
della Lungara verfuhren, kann wiederum ein Vergleich der
Gesamt- und Geschoßhöhen, der Fassadensysteme und
-Materialien der genannten Paläste veranschaulichen. Im
Laufe des 17. Jahrhunderts wurde der Charakter eines vor-
nehmen Villenviertels dann preisgegeben und die Besiede-
lung der Zone durch kleinere Häuser gefördert (T. 119d).
Die Via Giulia am gegenüberliegenden Tiberufer wurde
erst unter Julius II. begonnen; sie war als rein innerstäd-
tische Verbindungs- und Repräsentationsstraße geplant23.
Ihre Breite (etwa 8,90 m) ist wesentlich geringer als die der
Via della Lungara; sie verläuft jedoch schnurgerade. Aus-
gangspunkt der Planung waren die Notwendigkeit, eine
Entlastungsstraße für den Verkehr zwischen Engelsbrücke
und Ponte Sisto zu schaffen, und die Erschließung des rech-
ten Tiberufers als eines modernen Stadtviertels. Hier war
die Besiedelung noch nicht so weit fortgeschritten wie in
den Banchi oder in Parione; man konnte freier und groß-
zügiger planen. Albertinis Bericht, Julius II. habe in Fort-
setzung der Via Giulia den alten Pons Triumphalis wieder-
herstellen wollen, klingt schon deshalb einigermaßen uto-
pisch, weil die Zufahrt zu dieser Brücke auf der Borgoseite
den Ospedale S.Spirito durchschnitten hätte; zudem war
auf dem rechten Tiberufer keine axiale Verbindung mit
der Via Giulia möglich. Vielleicht dachte Bramante daran,

die Via dei Coronari in die neue Brücke einmünden zu las-
sen. Jedenfalls gab man diesen Plan ebenso rasch auf wie
den noch kühneren Vorschlag Bramantes, die Via del Corso
in einen schiffbaren Kanal zu verwandeln und damit die
Altstadt vor Tiberüberschwemmungen zu schützen24.
Den wichtigsten Anstoß zur Planung der Via Giulia
scheint jedoch der neue Justizpalast gegeben zu haben
(T. 146 a, 147d). Sein Bauplatz wurde so gewählt, daß er
gegenüber der Cancelleria Vecchia, dem damaligen Wohn-
und Amtssitz des Vicecancellarius Sisto della Rovere, zu
liegen kam25. Zwischen beiden Behörden sollte ein recht-
eckiger Platz mit einer Ausdehnung von etwa 50 x 100 m
entstehen und einen kleineren Platz vor der Cancelleria
Vecchia ersetzen. Die westliche Hauptfront der Cancelle-
ria Vecchia sollte verbreitert und gewiß auch in den Formen
der Hochrenaissance erneuert werden, so daß eine der ersten
symmetrischen Platzanlagen der Renaissance zustandege-
kommen wäre. Die Via Giulia hätte in einem „Forum
lulium“ kulminiert.
Es ist gewiß kein Zufall, daß die zweite unter Julius II.
begonnene Straße, die Via di Banco S. Spirito, in nahezu
geradliniger Verbindung mit dem neuen Platz gestanden
hätte. Ihre Trassierung wurde nur ein Jahr später begon-
nen, und sie erhielt die gleiche Breite von 8,50-8,90 m wie
die Via Giulia. Das neueRepräsentations-undVerwaltungs-
zentrum sollte also durch die Via Giulia mit dem Ponte
Sisto und durch die Via di Banco S. Spirito mit dem Ponte
S. Angelo und damit dem vatikanischen Viertel verbunden
werden. Kleinere Korrekturen im Verlauf der vermitteln-
den Via dei Banchi Vecchi hätten sogar eine axiale Verbin-
dung zwischen der Engelsburg, dem prominentesten päpst-
lichen Gefängnis, und dem neuen Justizpalast erlaubt. Via
Giulia und Via dei Banchi Vecchi hätten sich also ähnlich
zum neuen Platz verhalten wie Borgo Vecchio und Via
Alessandrina zur Piazza Scossacavalli. Daß Bramante auch
die Seitenstraßen der Via Giulia axial durchziehen wollte,
zeigt, wie viel ihm dort, wo er frei planen konnte, an einem
rechtwinkligen Koordinatensystem mit durchlaufenden
Haupt- und Nebenachsen gelegen war. Bramante bemühte
sich aber nicht nur um die Symmetrie des Platzes und die
axiale Ausrichtung des umgebenden Straßennetzes, son-
dern er war auch darauf bedacht, der Tiberfront des Justiz-
palastes eine fernenwirksame Gestalt zu verleihen. Über-
haupt sollte die visuelle Artikulierung des Tiberufers seit
dem Bau des Ospedale di S. Spirito immer größere Beach-
tung finden (S.Eligio, S. Giovanni dei Fiorentini, Pal.
Altoviti, Ripetta).

22 Bardus 1565, S.Yy.
23 Ceccarius 1940; Frommei 1961, 163ff.; Bruschi 1969, 627ff.

24 op.cit., 632 f.
25 s. Bd. II, 332ff.

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