Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
dort meist bescheidenere Bauherren ansiedelten. Eines der
wenigen größeren Projekte, der Palast des päpstlichen
Beamten Bartolommeo Ferrari von 1526, lag an der Ecke
Via Alessandrina/Vicolo Dritto/Borgo Vecchio und wurde
niemals vollendet (T.71c, 72e). Er stammte von Sangallo
und ragte ebenfalls ein wenig in die Straßenflucht hinein.
Sangallos Fassadenprojekt UA 201 sah eine Höhe von ca.
87 p. vor (T.71a). Auch an den Außenseiten der beiden
Straßen gab es dort nur wenige repräsentative Gebäude wie
S. Maria in Traspontina (1566), deren Fassade leicht aus der
Nordflucht der Via Alessandrina zurückgesetzt wurde17.
Gegen Osten, kurz vor der Mündung in die Piazza Pia,
weiteten sich Fahrbahn und Trottoir der Via Alessandrina
wieder ein wenig aus.
All dies zeigt, daß bei der Bebauung dieser vielleicht
exponiertesten Straße Roms allenfalls die Straßenfluchten
beachtet wurden. Gesamthöhe, Geschoßhöhen, Gliede-
rungssystem und Materialien wechselten von Bau zu Bau.
Der Bebauung von Plätzen wie der Piazza Scossacavalli lag
kein einheitliches Konzept zugrunde. Auch der Verlauf der
Seitenstraßen folgte keinem System. Verschiebungen in der
Straßenflucht waren nicht ausgeschlossen. Dieses Resultat
ist umso erstaunlicher, als die Architekten von Bauten wie
den Pal.Caprini, J. da Brescia, dell’Aquila, Ferrari, S. Gia-
como Scossacavalli oder S. Caterina delle Cavallerote zu-
gleich die für die Städteplanung verantwortlichen Fach-
leute waren. Dennoch ginge es gewiß zu weit, wenn man
diese bis an Willkür reichende Freizügigkeit als bewußte
Tendenz zu malerischer Vielfalt deuten würde. Vergessen
wir nicht, daß die Architekten gerade in diesen Fragen den
Straßenmeistern und Bauherren untergeordnet waren, daß
die detaillierten Gesetze fehlten, auf die sie sich hätten be-
rufen können, und daß gerade im Kirchenstaat Sonder-
regelungen entgegen bestehenden Gesetzen an der Tages-
ordnung waren. Es fehlte das Verantwortungsgefühl für
das Gemeinwesen, das gerade bei der Entstehung der toska-
nischen Städte so wichtig war. Auch einige spätere Beispiele
wie Piazza Nicosia oder die drei Massimo-Paläste können
bestätigen, daß man während der römischen Hochrenais-
sance noch erstaunlich wenig an übergreifenden urbanisti-
schen Lösungen interessiert war17a.
Eine weitere wichtige Pilgerstraße, die Via della Lungara,
wurde wohl schon unter Alexander VI. in ihrer südlichen
17 Am 19.III. 1566 verpflichten sich die Maurer G.B. di Giovanni de
Righis aus Bologna und Gianmaria di Giovanni de Fabricis gegen-
über dem Papst und dem Architekten Sallustio Peruzzi, „di fare la
fabrica ehe di novo si deve fare in Burgo a fronte la casa di Messer
Cesare Glorerio (?) per la chiesa e convento nuovo de’ frati del
Carmine...“ (Rom, Bibi. Naz.Centr. Vitt. Em., Fondo Vitt.Em.
II.vol. 309, fol.56).

Hälfte begradigt und endete vor dem neuen Stadttor nach
Trastevere18. Zwischen Via della Lungara und dem Tiber,
gegenüber dem Pal. Farnese, entstand dort noch vor 1500
das Gartenhaus des Kardinals Farnese, dessen bescheidene
Fassade bereits der neuen Straßenflucht folgte19. 1505 ließ
Agostino Chigi auf dem nördlich angrenzenden Grund-
stück abseits von der Straße seinen berühmten Gartenpalast
errichten (T. 60). 1510 folgten die Riario mit einem Palast
in der Flucht der gegenüberliegenden Straßenseite (T. 119
a,b). 1513/14 beauftragte Chigi Raffael mit der Errichtung
seines Marstalls, dessen palastartige Fassade sich nun in die
Flucht der Via della Lungara einfügte. Wahrscheinlich
hatte Julius II. selbst Wert auf eine repräsentative Straßen-
fassade des Chigibesitzes gelegt. Auch die benachbarte
Kirche S.Jacopo und der zugehörige Palast wurden da-
mals erneuert. 1512 übertrug Julius II. große Teile der Via
della Lungara der neugegründeten päpstlichen Sänger-
kapelle und vereinfachte damit die juristischen Prozeduren,
die sich bei jeder urbanistischen Neuordnung durch Ent-
eignung und Entschädigung ergaben. Gleichzeitig scheint
Bramante die Begradigung der nördlichen Straßenhälfte in
Angriff genommen zu haben20. Dort entstand allerdings
nur ein repräsentativer Palastbau, der 1520 begonnene Pal.
Salviati-Adimari (T. 125). Ihren visuellen Abschluß fand
die Straße dann nach 1540 in Sangallos konkav einschwin-
gender Porta di S. Spirito21.
Was die Via della Lungara zu einer der interessantesten
Straßen des neueren Rom machte, war nicht nur ihr nahezu
geradliniger Verlauf und ihre im Vergleich mit den älteren
Straßen erstaunliche Breite von 11-13 m, sondern vor allem
ihre neuartige Bebauung. Wohl hatte es schon vorher
Gartenhäuser oder -Paläste wie den Pal. Pitti in Florenz
oder das Haus des Kardinals Bessarion an der Via Appia
gegeben. Doch nun, unter Julius II., begann man, eine der
großen Verbindungsstraßen außerhalb des Schutzes der
Stadtmauern in ein ausgesprochenes „Villenviertel“ zu ver-
wandeln. Man verzichtete auf zahlreiche Nebenstraßen und
erlaubte es reichen Bauherren, ihre Paläste inmitten weiter
17a Jacopo Meleghinos Projekt von 1548, den Borgo S. Angelo in
eine einheitliche Portikusstraße (entlang dem mittelalterlichen
Korridor?) zu verwandeln und damit einen Punkt des Baupro-
gramms Nikolaus’ V. aufzugreifen, scheiterte wohl am Tod
seines Gönners, Pauls III. (Lanciani 1923, 236).
18 Gnoli 1939, 126; Frommei 1961, 165ff.; Bruschi 1969, 631ff.
19 Frommei 1961, 102f.
20 op.cit., 165ff., 197f.; Bruschi 1969, 631 ff.; laut Bibi. Vat., Arch.
Capit.S.Pietro in Vat., Cap.Giulia 1, fol. 65ss., wird um 1512
bis 1514 die Straße vor S.Jacopo gerichtet.
21 Giovannoni 1959, 28, 111, 366f.; 1550 entsteht Uneinigkeit über
die Finanzierung „pro constructione cuiusdam muri porte sancti
Spiritus“ zwischen den Straßenmeistern und einigen Anliegern
(ASV, Divers. Cam., vol. 160, fol. 64).

15
 
Annotationen