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Frommel, Christoph Luitpold
Der Römische Palastbau der Hochrenaissance (Band 1): Text — Tübingen: Wasmuth, 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.59325#0037
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Noch eindringlicher kommt diese neue Tendenz in der
Via di Banco S. Spirito zur Geltung. Julius II. hatte diese
Straße um 1509-12 regularisieren lassen und dabei wohl
Achse und Breite der Engelsbrücke zugrunde gelegt52. Seit
1509 erneuerte Bramante die Kirche SS. Celso e Giuliano.
Ihre Straßenflucht sollte eine längere Flucht von Bottegen
fortsetzen53. Damit wurde von Anfang an der kommerzielle
Charakter dieser neuen Hauptstraße unterstrichen. Be-
zeichnenderweise griff man im 1512 begonnenen Pal.
Alberini an der Ecke zur Via dei Coronari diese Bottegen-
reihe in nahezu gleicher Breite (ca. 4,45 m) auf (T. 6a,b).
Er war wohl von Anfang an als Geschäftshaus mit Wohnun-
gen für reiche Bankiers und nicht als Familiensitz der Albe-
rini, also als echtes Spekulationsobjekt, gedacht. Möglicher-
weise plante auch Agostino Chigi ein neues Geschäftshaus
an der gegenüberliegenden Straßenseite. Seit etwa 1518
hatten die Gaddi auf dem Chigi benachbarten Grundstück
einen neuen Wohn- und Geschäftssitz errichtet, dessen
Erdgeschoß sich ebenfalls in Bottegen von etwa 4,45 m
Breite öffnet (T.78). Diesen einheitlichen Bottegen dreier
Neubauten könnte eine übergreifende Planung zugrunde
gelegen haben.
An ihrem südlichen Ende gabelt sich die Straße in zwei
der bedeutendsten Verkehrsadern der römischen Altstadt:
die Via dei Banchi Nuovi (Papalis) im Südosten und die Via
dei Banchi Vecchi im Süden. Gegen 1524/25 entschloß man
sich, die trennende Häuserinsel an ihrer Spitze zu beschnei-
den und so einen kleinen Platz freizulegen, der ähnlich wie
an der Gabelung Via Alessandrina/Borgo S. Angelo und an
der Piazza del Popolo mit einer repräsentativen Schauseite
ausgezeichnet wurde. Dies war umso sinnvoller, als der Bau
damals gerade die päpstliche Münze beherbergte. Die Fas-
sade Sangallos vereinigt ein unteres rustiziertes Bottegen-
geschoß mit einem triumphbogenartigen Piano Nobile, das
mit Wappen und Inschrifttafeln geschmückt ist; ihre kon-
kave Krümmung ist vielleicht von einer ephemeren Fest-
architektur aus dem Pontifikat Leos X. angeregt worden54
(T. 15). Liegt diese Fassade auch nicht genau in der Straßen-
52 Segui, Thoenes, Mortari 1966, 32f.Eine Notiz vom 31. VIII. 1509
deutet darauf, daß man bereits 1509 mit der Regulierung der
Straße und dem Neubau der Kirche SS. Celso e Giuliano be-
schäftigt war: „Pro fabrica Sancti Celsi et Juliani: provideri quod
solvatur taxa facta ...“ (Rom, Bibi. Naz. Centr. Vitt. Em. II, Fondo
Vitt. Em. 312 nach Decreti Camerali in ASR, Arch. Cancellieri di
Camera, uff. Paluschi).
53 In der Gründungsbulle der Cap. Giulia vom 19.11.1512 ist von
„apothecas, quas iuxta parietes Ecclesiae S. Celsi in strata Pontis,
et Platea dicte Ecclesiae versus Castrum S.Angeli, et Tiberim
fabricari fecimus“ die Rede (Collectiones Bullarum Brevium
Aliorumque Diplomatum Basilicae Vaticanae, Rom 1750, II,
358 ff.).
54 s. S. 128.

achse, so bieten ihre Schwingung und der festliche Schmuck
doch einen willkommenen Ruhepunkt für das Auge; sie
darf als weiteres Beispiel jenes Visualisierungsprozesses
gelten, den wir seit der Cancelleria verfolgen konnten.
Außerdem scheint es, als habe Clemens VII. hier ebenfalls
versucht, die Roverestraße durch einen neuen Schwerpunkt
in eine Medicistraße zu verwandeln: Eine dritte, westlich
abzweigende Straße verband den Platz vor der Münze mit
dem Bauplatz von S. Giovanni dei Fiorentini und rückte
einen weiteren Medicibau in die Blickachse. Wären alle diese
Renaissanceprojekte zur Ausführung gelangt, so hätten von
der früheren „Piazza dei Banchi“aus Blickachsen zur Engels-
burg, zu Bramantes Justizpalast und zu Sansovinos S. Gio-
vanni dei Fiorentini geführt. Paul III. endlich ließ eine
(vielleicht schon früher geplante) Verbindungsstraße zwi-
schen Piazza del Ponte und S. Giovanni dei Fiorentini ziehen
und schuf damit den zweiten Dreistrahl der römischen
Innenstadt55. Wie Piazza del Popolo wurde Piazza di Ponte
nun zu einem funktionsgerechten Verkehrsknotenpunkt,
von dem aus Hauptstraßen in alle Richtungen ausstrahlten.
Allerdings scheint auch die Piazza di Ponte über den älteren
Pal.Altoviti hinaus keine visuelle Ausgestaltung erhalten
zu haben56.
Ein weiteres bewundernswertes Beispiel römischer Ur-
banistik bietet die Neuordnung der Massimo-Insel nach den
Zerstörungen des Sacco di Roma (T.92,97a,100a,104b).
Um 1532 teilten die drei Brüder den väterlichen Besitz an
der Via Papalis in drei Teile und rundeten diese Teile durch
weitere Ankäufe soweit ab, daß geeignete Bauplätze ent-
standen. Pietro beauftragte Peruzzi, Angelo Giovanni
Mangone und Luca Antonio da Sangallo d. J. mit dem Bau
oder Umbau je eines Palastes. Alle drei Projekte kamen seit
1533/34 zur Ausführung. Nicht nur die drei Bauherren,
sondern auch die drei Architekten waren eng miteinander
verbunden; so war hier eine selten günstige Ausgangsposi-
tion für eine gemeinsame Planung gegeben. Für die Via
Papalis wie auch für die nach Südwesten abzweigende Via
del Paradiso wurde eine Breite von mindestens 21 p. (4,67 m)
festgesetzt - erstaunlich wenig, wenn man bedenkt, daß die
neuen Hauptstraßen Breiten von 8-12 m erreichten (T. 9kff).
Allerdings war die Flucht beider Straßen durch ältere Bau-
ten weitgehend gebunden. Pietro, der älteste der Massimo-
Erben, erhielt das Grundstück des väterlichen Palastes, das
gegenüber der Mündung der Via del Paradiso lag. In seinem
Alternativentwurf UA 368 wie in der Ausführung richtete
Peruzzi den Eingangsportikus genau auf die Achse dieser
Straße aus und nahm im Entwurf sogar eine asymmetrische
55 U. Gnoli 1939, 203 f.
56 Romano 1947-1949, 377.

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