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Treppen steht jedoch in einer axialen Beziehung zur Ein-
gangsloggia wie die große Treppe des Pal.Ducale zu
Urbino, deren Unterlauf gegenüber der Eingangsloggia nur
leicht verschoben ist33 (T. 190a, b). Dort liegen die beiden
Oberläufe parallel zur Seitenloggia und enden in der Ver-
längerung der oberen Loggia des Fassadentraktes. Nach
einer Rechtswendung gelangt der Aufsteigende also wieder
auf die Achse der Eingangsloggia. Parallel zur Mündung
ist der Ansatz der Treppe zum zweiten Obergeschoß ange-
ordnet, so daß auch hier der Auf- und Absteigende durch
eine Wendung die Achse wiederfindet. Die sechsundsechzig
Stufen der unteren Treppe sind mit einer Höhe von 0,12 bis
0,13 m wesentlich bequemer als die der Cancelleria. Nur
ihre Oberläufe überschritten mit fünfundzwanzig Stufen
die von den Theoretikern empfohlene Länge34. Mit diesen
Eigenschaften nahm die Treppe des Pal. Ducale wesentliche
Züge der Cinquecentotreppe vorweg, so daß sie noch von
Daniele Barbaro und B. Baldi zu den vorbildlichsten gezählt
wird35.
Die Treppe des verwandten Pal. Ducale zu Gubbio ver-
hält sich im Unterlauf ähnlich zur Loggia wie in Urbino, ist
im übrigen jedoch wie die toskanischen Treppen gestaltet.
Man wird die Cancelleriatreppe somit als eine Synthese des
toskanischen und urbinatischen Typus betrachten dürfen.
Seltsamerweise hält Francesco di Giorgio, der zweite Bau-
meister von Urbino, im Pal. Comunale zu Jesi und in seinen
Palastskizzen am toskanischen Typus fest36. In seinem
Traktat beschränkt er sich auf folgende Empfehlungen:
1. Die Treppen sollen sich links vom Eingang befinden.
In großen Palästen soll jede Seite eine Treppe erhalten.
2. Die Treppen sollen für den Eintretenden sofort sicht-
bar sein.
3. Beide Treppenläufe (?) sollen durch ein und dasselbe
Fenster belichtet werden.
4. Die Treppe soll nahe der Sala Grande und der Loggia
liegen.
Für die Stufenmaße gibt er drei Alternativen: 11,3 cm
(Höhe) x 50,7cm (Tiefe); 12,6 x 45,1 cm; 16,9 x 42,3cm.
Für stufenlose Treppen empfiehlt er eine Steigung von 1/737.
1936, 10-16. L. Saths Master-Thesis, The staircase in italian
Renaissance architecture, New York University 1962 MS ist
mir erst während der Drucklegung bekannt geworden. Seine
typologischen Untersuchungen führen oft zu ähnlichen Ergeb-
nissen. Die stilistische Trennlinie zwischen Treppen der Renais-
sance (Bramante, Sangallo) und Treppen des Manierismus (Peruz-
zi, Serlio, Giulio, Sanmicheli) läßt sich kaum aufrecht erhalten.
33 Rotondi 1950, Nr. 86,110, fig. 144, 245; die Abweichung von der
Achse beträgt 5 cm.
34 s. unten.
35 Vitruv ed. Barbaro, IX, 2, p. 350; Baldi 1587, 527ff.
36 Papini 1946, Rilievi, T. 50, 53.

Mit Ausnahme der ersten folgen diese Empfehlungen
der Treppe des Pal.Ducale in Urbino und nehmen damit
wesentliche Züge der Treppen der römischen Hochrenais-
sance vorweg.
Im römischen 16. Jahrhundert beginnt die Entwicklung
mit der Treppe des Pal.Giraud, die die Vorteile ihrer Vor-
läufer in Urbino und in der Cancelleria verbindet (T. 83 c,
85 c, d). Ihr Unterlauf ist axial auf die Eingangsloggia be-
zogen, doch schmaler. Falls im Piano Nobile ebenfalls eine
Loggia oder ein Korridor vorgesehen war, wäre auch hier
eine axiale Beziehung möglich gewesen. Ähnlich wie im
Pal.Ducale zu Urbino wird dies dadurch erreicht, daß die
Treppe über drei Läufe je Geschoß verfügt und daß ihre
beiden Hauptläufe sich parallel zur seitlichen Loggia ver-
halten. Bei zweiläufigen Treppen wie in der Cancelleria
konnte nur einer der beiden Läufe in axiale Beziehung zu
den Loggien gebracht werden. Mit einer Höhe von nur
0,136 m erreichen die Stufen bereits jene des Pal. Farnese.
Ihre Trittfläche mißt jedoch nur 0,44 m (2 p.) und verläuft
waagrecht. Keiner der drei Läufe zählt mehr als zwanzig
Stufen.
Die Treppe des Pal.Giraud wird mit Ausnahme der
Orientierungen allen Forderungen gerecht, die Paolo
Cortese an die Treppe eines Kardinalspalastes stellt38. Mit ihr
war ein Modell geschaffen, das die wenigsten Paläste der
Folgezeit erreichten. Die Treppe der Farnesina ist dem
villenartigen Grundriß harmonisch eingefügt. Da ein
Innenhof fehlte, stellte sie die direkte Verbindung zwischen
den beiden größten Sälen des Palastes her. In ihrer Lage in
der südwestlichen Ecke des Palastes, in ihrem langen, wohl
erst später ausreichend belichteten Unterlauf von 34 Stufen
und mit einer Stufenhöhe von p. blieb sie jedoch weit
hinter der Treppe des Pal. Giraud zurück (T. 65 a,b). Einen
Sonderfall dürfen wir auch in den Treppen von Bramantes
Pal. dei Tribunali erblicken, die weniger auf die Bequem-
lichkeit eines Privatpalastes als auf die rationale Abwicklung
des Personenverkehrs hin angelegt waren (T. 146a, 147b).
Sollten sie wirklich als „cordonata“, als Pferdetreppen, aus-
gebildet werden und sollten ihre Läufe wirklich nur elf bis
37 Francesco di Giorgio ed. Saluzzo, 160, T.If.; Papini 1946,1,240 f.,
Anm. 188; der Fuß F. di Giorgios soll 33,8 cm betragen.
38 ,,... intelligendum est etiam in eiusdem transitoriae ambulationis
angulo ad aquilonem scalarum statui debere gradus: ex quibus ab
interiori aedium parte facultas in tectum ascendendi sit, in quo
quidem genere ad commoditatis diligentiam hae maxime probari
construendo solent, quae flexuosa ascendendi ratione constant:
quales maxime iudicari possunt, quae modo sunt a lulio II. in
suburbano palatino via fornicata facte: in quibus ita sunt gradatio-
nis areae, rata intervalli ratione constitutae, ut non modo in his
causa commodior interquiescendi detur, sed etiam maxime decipi
soleat videndi in ascendendo sensus, ne uno aspectu scalarum

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