Farnese mochte der Balkon einmal den Rang seines Bau-
herrn symbolisieren, zum anderen dem Kardinal und seinen
Gästen Gelegenheit geben, zur Karnevalszeit und bei fest-
lichen Anlässen dem Treiben auf Platz und Straße beque-
mer beizuwohnen69.
Als Sangallo nach der Wahl Pauls III. den Auftrag erhielt,
den Kardinalspalast in einen Papstpalast zu verwandeln,
war die Vergrößerung der Sala Grande wohl der wichtigste
Programmpunkt. Sangallo verlegte die Treppe in den
Seitentrakt und gewann nun den Raum für eine Sala Grande,
die mit Grundmaßenvon etwa 14,30 x 20,65 m, einer Höhe
von 14,50 m und zwei Fensterreihen nur wenig hinter der
Sala Grande der Cancelleria zurückstand (T. 46 c, 47 c). Die
Treppe wurde so angeordnet, daß ihr Oberlauf unmittelbar
auf das arkadenförmige Portal des Salone zuführte. Durch
die neue Sala Grande sank der Balkonsaal auf den zweiten
Platz einer Sala Seconda herab. Seine Auszeichnung durch
Lage und Balkon verlor ihren Sinn. Ähnlich verschob sich
die Funktion der folgenden Räume. Vor 1534 sollte wohl
der Raum zwischen dem Balkonsaal und dem rechten Eck-
zimmer die Funktion des Salotto übernehmen. Er wurde
nun zur „anticamera“, zum Vorzimmer des Eckraums
bestimmt, der in seiner bevorzugten Lage von vorneherein
als „camera“ des Hausherrn geplant gewesen sein mag70.
Die Verbindung der Sala Grande mit einem Balkon blieb
trotz zahlreicher Projekte eine Ausnahme (Sangallos Ent-
würfe UA1370,1859, Peruzzis Entwurf UA548, die Palast-
entwürfe in dem Ripanda zugeschriebenen Skizzenbuch in
Oxford, Nannis Pal. Mattei-Paganica und vielleicht der
zerstörte Pal. Millini an Piazza Navona) (T. 176). Die Fen-
sterbalkons der Pal. Caprini, dell’Aquila, Pandolfini und
Caffarelli waren nicht allein der Sala Grande zugeordnet.
In den mittleren und kleineren Palästen versuchte man je
nach Möglichkeit, in der Sala Grande großzügige Dimen-
sionen mit der Nähe zur Treppe, einem axialen Eingang und
einer zweiten Fensterreihe zu verbinden. Eine zweite Fen-
sterreihe läßt sich in den Pal. Pichi, Baldassini, della Valle,
Gaddi, P. und A. Massimo, A. da Sangallos Haus,Pal. Farnese
in Gradoli, Capodiferro und Mattei-Paganica nachweisen;
das auf der Tiefenachse liegende Portal in den Pal. Baldassini,
Gaddi, Regis, Ferratini in Amelia, Ossoli, P. und A. Mas-
simo und Mattei-Paganica. Die symmetrische Lage in der
69 s.Bd. II, 109, Dok.49, S.124, BDok.50 (Stich des Hendrik van
Cleve).
70 Der Cod.Barb.4360 (fol.15) sieht im „Appartamento principale“
des Piano Nobile eine wie 3:5 proportionierte Sala Grande mit
zwei Fensterreihen, die erste „Anticamera“ in Form einer „Saletta“
und die zweite in Form eines „Camerone“ vor, daran anschließend
zwei „camere grandi per dar udienza“ und zwei für jede Jahreszeit
geeignete Schlafzimmer des Hausherrn.
Mitte des Fassadentraktes hingegen blieb neben dem Pal. J.
da Brescia und dem Pal. Ferratini in Amelia auf Projekte wie
Sangallos UA1303 für den Pal. Cantelli in Parma, UA990
für den Pal. Sacchetti sowie UA1004,1274r, 960 beschränkt
(T. 123 a, 187 d). Daß die Architekten die Sala Grande in den
meisten Neubauten nach wie vor in eine Ecke schoben, ist
einmal der Ökonomie der Raumdisposition zuzuschreiben:
Eine zentrale Sala Grande hätte ungünstige Resträume er-
geben oder den Zusammenhang der kleineren Räume ge-
sprengt. Zum anderen war die Tendenz zur Axialität noch
nicht stark genug, als daß man wie Palladio dem symmetri-
schen Grundrißbild alle anderen Gesichtspunkte unter-
geordnet hätte.
Wie in den großen Palästen erhielt die Sala auch in den
kleineren Palästen die Tiefe des Fassadentraktes. In der
Länge umfaßte sie selten mehr als vier Fassadenachsen,
selten weniger als drei. Meist lagen ihre Längswände paral-
lel zur Fassade, seltener die Schmalwände (Pal. Gaddi,
Salviati, P. Massimo). Ihr Format schwankte zwischen
quadratähnlichen Grundrissen (Pal. Capodiferro, Sangallos
Haus) und dem Verhältnis 1:2 (Pal. J. da Brescia). Meistens
wurde ein mittlerer Wert im Verhältnis kleiner ganzer
Zahlen wie 2:3, 3 :4, 3:5 oder 4:7 bevorzugt. Die Grund-
maße variieren zwischen etwa 4,50 x 9,70 m (Pal. J. da
Brescia) und 14,30 x 20,65 m (Salone des Pal. Farnese).
Die Formen der Innenausstattung lassen sich nur an
wenigen Beispielen verfolgen. Entweder beschränkte man
sich auf einen Fries mit gemalten Szenen und gemalten oder
stuckierten Ornamenten, der unter der Kassettendecke ent-
lang lief (Pal. Doria Pamphili, Stati, P. und A. Massimo,
Mattei-Paganica)71 (T. 96b); oder aber man bezog alle vier
Wände in ein illusionistisches Architektursystem mit
Figurennischen, Landschaftsdurchblicken und Friesen ein
(Farnesina, Pal.Baldassini, della Valle) (T.63c, 150b).
Beide Typen waren in den großen Sälen des Pal. Venezia
vorgebildet und wurden nun im Sinne der Hochrenaissance
weiterentwickelt.
Wie sparsam man sich die Einrichtung einer Sala Grande
vorzustellen hat, können die Inventare einiger größerer
Paläste veranschaulichen. In der „sala magna“ des Kardi-
nals Francesco Soderini im Borgo Nuovo werden einige
Figurenteppiche aus Kamelhaar - „paco“ -, eine Orgel,
ein „clavicembalo“, eine Sänfte und eine große Holz-
truhe mit einem Silberkelch, Masken und Trinkschalen er-
71 Lanciani 1883, 459ff.; die Säle des Piano Nobile erhielten bis 1550
meist Kassettendecken. Erst danach schloß man sich wie Nanni di
Baccio Bigio im Pal. Salviati oder der Architekt des Umbaus der
Sala di Costantino im Vatikan dem Vorbild des Pal. Ducale in
Urbino an und versah sie mit Gewölben. Auch der Cod. Barb. 4360
empfiehlt gewölbte Säle im Piano Nobile.
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herrn symbolisieren, zum anderen dem Kardinal und seinen
Gästen Gelegenheit geben, zur Karnevalszeit und bei fest-
lichen Anlässen dem Treiben auf Platz und Straße beque-
mer beizuwohnen69.
Als Sangallo nach der Wahl Pauls III. den Auftrag erhielt,
den Kardinalspalast in einen Papstpalast zu verwandeln,
war die Vergrößerung der Sala Grande wohl der wichtigste
Programmpunkt. Sangallo verlegte die Treppe in den
Seitentrakt und gewann nun den Raum für eine Sala Grande,
die mit Grundmaßenvon etwa 14,30 x 20,65 m, einer Höhe
von 14,50 m und zwei Fensterreihen nur wenig hinter der
Sala Grande der Cancelleria zurückstand (T. 46 c, 47 c). Die
Treppe wurde so angeordnet, daß ihr Oberlauf unmittelbar
auf das arkadenförmige Portal des Salone zuführte. Durch
die neue Sala Grande sank der Balkonsaal auf den zweiten
Platz einer Sala Seconda herab. Seine Auszeichnung durch
Lage und Balkon verlor ihren Sinn. Ähnlich verschob sich
die Funktion der folgenden Räume. Vor 1534 sollte wohl
der Raum zwischen dem Balkonsaal und dem rechten Eck-
zimmer die Funktion des Salotto übernehmen. Er wurde
nun zur „anticamera“, zum Vorzimmer des Eckraums
bestimmt, der in seiner bevorzugten Lage von vorneherein
als „camera“ des Hausherrn geplant gewesen sein mag70.
Die Verbindung der Sala Grande mit einem Balkon blieb
trotz zahlreicher Projekte eine Ausnahme (Sangallos Ent-
würfe UA1370,1859, Peruzzis Entwurf UA548, die Palast-
entwürfe in dem Ripanda zugeschriebenen Skizzenbuch in
Oxford, Nannis Pal. Mattei-Paganica und vielleicht der
zerstörte Pal. Millini an Piazza Navona) (T. 176). Die Fen-
sterbalkons der Pal. Caprini, dell’Aquila, Pandolfini und
Caffarelli waren nicht allein der Sala Grande zugeordnet.
In den mittleren und kleineren Palästen versuchte man je
nach Möglichkeit, in der Sala Grande großzügige Dimen-
sionen mit der Nähe zur Treppe, einem axialen Eingang und
einer zweiten Fensterreihe zu verbinden. Eine zweite Fen-
sterreihe läßt sich in den Pal. Pichi, Baldassini, della Valle,
Gaddi, P. und A. Massimo, A. da Sangallos Haus,Pal. Farnese
in Gradoli, Capodiferro und Mattei-Paganica nachweisen;
das auf der Tiefenachse liegende Portal in den Pal. Baldassini,
Gaddi, Regis, Ferratini in Amelia, Ossoli, P. und A. Mas-
simo und Mattei-Paganica. Die symmetrische Lage in der
69 s.Bd. II, 109, Dok.49, S.124, BDok.50 (Stich des Hendrik van
Cleve).
70 Der Cod.Barb.4360 (fol.15) sieht im „Appartamento principale“
des Piano Nobile eine wie 3:5 proportionierte Sala Grande mit
zwei Fensterreihen, die erste „Anticamera“ in Form einer „Saletta“
und die zweite in Form eines „Camerone“ vor, daran anschließend
zwei „camere grandi per dar udienza“ und zwei für jede Jahreszeit
geeignete Schlafzimmer des Hausherrn.
Mitte des Fassadentraktes hingegen blieb neben dem Pal. J.
da Brescia und dem Pal. Ferratini in Amelia auf Projekte wie
Sangallos UA1303 für den Pal. Cantelli in Parma, UA990
für den Pal. Sacchetti sowie UA1004,1274r, 960 beschränkt
(T. 123 a, 187 d). Daß die Architekten die Sala Grande in den
meisten Neubauten nach wie vor in eine Ecke schoben, ist
einmal der Ökonomie der Raumdisposition zuzuschreiben:
Eine zentrale Sala Grande hätte ungünstige Resträume er-
geben oder den Zusammenhang der kleineren Räume ge-
sprengt. Zum anderen war die Tendenz zur Axialität noch
nicht stark genug, als daß man wie Palladio dem symmetri-
schen Grundrißbild alle anderen Gesichtspunkte unter-
geordnet hätte.
Wie in den großen Palästen erhielt die Sala auch in den
kleineren Palästen die Tiefe des Fassadentraktes. In der
Länge umfaßte sie selten mehr als vier Fassadenachsen,
selten weniger als drei. Meist lagen ihre Längswände paral-
lel zur Fassade, seltener die Schmalwände (Pal. Gaddi,
Salviati, P. Massimo). Ihr Format schwankte zwischen
quadratähnlichen Grundrissen (Pal. Capodiferro, Sangallos
Haus) und dem Verhältnis 1:2 (Pal. J. da Brescia). Meistens
wurde ein mittlerer Wert im Verhältnis kleiner ganzer
Zahlen wie 2:3, 3 :4, 3:5 oder 4:7 bevorzugt. Die Grund-
maße variieren zwischen etwa 4,50 x 9,70 m (Pal. J. da
Brescia) und 14,30 x 20,65 m (Salone des Pal. Farnese).
Die Formen der Innenausstattung lassen sich nur an
wenigen Beispielen verfolgen. Entweder beschränkte man
sich auf einen Fries mit gemalten Szenen und gemalten oder
stuckierten Ornamenten, der unter der Kassettendecke ent-
lang lief (Pal. Doria Pamphili, Stati, P. und A. Massimo,
Mattei-Paganica)71 (T. 96b); oder aber man bezog alle vier
Wände in ein illusionistisches Architektursystem mit
Figurennischen, Landschaftsdurchblicken und Friesen ein
(Farnesina, Pal.Baldassini, della Valle) (T.63c, 150b).
Beide Typen waren in den großen Sälen des Pal. Venezia
vorgebildet und wurden nun im Sinne der Hochrenaissance
weiterentwickelt.
Wie sparsam man sich die Einrichtung einer Sala Grande
vorzustellen hat, können die Inventare einiger größerer
Paläste veranschaulichen. In der „sala magna“ des Kardi-
nals Francesco Soderini im Borgo Nuovo werden einige
Figurenteppiche aus Kamelhaar - „paco“ -, eine Orgel,
ein „clavicembalo“, eine Sänfte und eine große Holz-
truhe mit einem Silberkelch, Masken und Trinkschalen er-
71 Lanciani 1883, 459ff.; die Säle des Piano Nobile erhielten bis 1550
meist Kassettendecken. Erst danach schloß man sich wie Nanni di
Baccio Bigio im Pal. Salviati oder der Architekt des Umbaus der
Sala di Costantino im Vatikan dem Vorbild des Pal. Ducale in
Urbino an und versah sie mit Gewölben. Auch der Cod. Barb. 4360
empfiehlt gewölbte Säle im Piano Nobile.
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