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Unter den Grundrißprojekten für Stallungen sind vor
allem Raffaels Projekte UA273,314 für Villa Madama und
Sangallos Entwürfe UA315,1282 für die Fortezza da Basso
in Florenz sowie UA1274 für den Pal. Valle-Capranica zu
nennen (T.155c). Der Marstall des Projektes UA1274
sollte einen einschiffigen Innenraum von 45 x 175 p.
(10,05 x 39,10 m) erhalten. Seine acht querrechteckigen
Kreuzgratgewölbe sollten beiderseits auf 10 p. langen
Mauerzungen aufruhen, die einzelnen Mauerzungen wohl
durch die aus dem Kreuzgratgewölbe hervorwachsenden
Quertonnen miteinander verbunden werden. Jeder dieser
Anräume hätte drei Pferdeboxen, der ganze Stall also
wiederum etwa fünfzig Pferde aufnehmen können. Über
den Stallungen, die im Erdgeschoß liegen und durch eine
Längswand und eine Seitenwand belichtet werden sollten,
war ein „giardino pensile“, ein hängender Garten, geplant.
Die erhaltenen Reste der Stallungen von Lorenzettis Pal.
Valle-Capranica wirken wesentlich schlichter.
Das gleiche Prinzip wie auf UA1274 kehrt in den Pro-
jekten für die Stallungen der Fortezza da Basso wieder179.
UA315 zeigt, daß ein breiter Mittelraum und zwei kleinere
Seitenräume mit insgesamt zwölf kreuzgratgewölbten
Zellen geplant waren, deren jede Unterkunft für acht
Pferde bot. UA1282 gibt den Querschnitt mit den genauen
Maßen.
Die weitaus größten Stallungen hatte Raffael für die Villa
Madama vorgesehen. Im ersten Projekt UA273 sollten die
Boxen für über 160 Pferde in zwei langen schmalen Hallen
ohne Zäsur oder Zwischenmauern, wahrscheinlich sogar
ohne Gewölbe nebeneinander gereiht werden. Damit
scheint Raffael am langgestreckten Typus der nur noch im
Grundriß überlieferten Stallungen Francesco di Giorgios
im Pal.Ducale zu Urbino anzuknüpfen. Im zweiten Projekt
UA314 sind dann jeweils zwölf Boxen zu einer in sich ge-
schlossenen, sicherlich gewölbten Zelle zusammengefaßt,
deren Türen auf einen durchlaufenden Pfeilerportikus
münden. Keine der beiden Lösungen kann sich jedoch mit
den monumentalen Stallungen der Farnesina messen.
Daß die gleichen Typen auch während der folgenden
Jahrhunderte Gültigkeit behielten, zeigen die Stallungen
der Pal. Salviati alla Lungara, Doria Pamphili, Altieri oder
della Consulta180 (T.37b).
179 Giovannoni 1959,347-52.
180 Let.,T.277,67,29; der Cod.Barb.4360 (fol.40ss.) orientiert sich
offenbar an den Stallungen der Villa Aldobrandini in Frascati, die
durch zwei Pfeilerreihen in drei Schiffe unterteilt waren und bei
einer Länge von etwa 56 m über 70 Pferden Unterkunft boten.
Das Grundstück des Pal.Barberini legte nun einen kürzeren Bau
mit fünf Pfeilerreihen, sechs Schiffen und einer mittleren Trenn-
wand nahe, der gleichfalls für 72 Pferde ausreichen sollte.

25. WAGENREMISE
Als Isabella d’Este 1525 einen Wagen mit nach Rom
brachte und damit durch die Stadt fuhr, erregte ihre „car-
retta“ allgemeines Aufsehen181. Auch während der beiden
folgenden Jahrzehnte blieb man in Rom noch dem Pferd
und dem Maulesel treu. Kein Neubau oder Entwurf dieser
Jahre nimmt in der Breite der Einfahrt oder in der Ein-
planung einer Remise Rücksicht auf das neue Fahrzeug. Um
1550-60 scheint sich der Wagen dann rasch durchgesetzt
zu haben. In dem Kompromiß der Capodiferroerben von
1566 wird neben dem Stall auch der Ort „pro retinendo
cocchio“ genannt (T.31a). Im Kataster von 1563 sind in
kleineren Häusern bereits drei „rimesse da choccio“ nach-
weisbar (fol. 49,89). Da die Einfahrten meist zu klein waren,
brachte man die Wagen in solchen Erdgeschoßräumen
unter, die wie die Bottegen einen Zugang von außen hatten.
Um die gleiche Zeit wird man damit begonnen haben, die
Portale so weit zu verbreitern, daß ein Wagen hindurch
kam: Viele Portale aus der Zeit vor 1550 zeigen noch heute
in ihrer unteren Hälfte diesen charakteristischen Eingriff.
Allmählich wurden alle Paläste mit Remisen versehen, die
man in Neubauten wie dem Pal. Altieri mit den Stallungen
vereinigte. Auf Letarouillys Grundrißaufnahmen sind die
zahlreichen Remisen durch ein Dreieck mit abgerundeten
Ecken, das Abkürzungszeichen eines Wagens, kenntlich
gemacht.

26. PALASTGARTEN
Mußten auch zahlreiche Paläste aus Raumnot auf einen
eigenen Garten verzichten, so spielte er doch eine bedeu-
tende Rolle im Leben der römischen Renaissance. Selbst
kleinere Häuser waren oft mit kunstvollen Gärten ausge-
stattet, und zahlreiche Handwerker besaßen eine eigene
Vigna am Rande der Stadt. Seit Pius’II. Palast in Pienza
bleibt die Liebe zum Garten, zur schönen Aussicht, zum
guten Klima in Bauherrn wie Architekten lebendig182.
Wenn Paul II. seinem Pal. Venezia einen eigenen Gartenhof
anfügte, wenn Domenico della Rovere im Pal. Penitenzieri
den Garten einem repräsentativen Innenhof vorzog
(T. 191b), wenn in Urbino zwischen den Appartements des
Herzogs und der Herzogin ein hängender Garten lag
(T. 190b) oder wenn G. da Sangallo in seinem Projekt für
181 Luzio-Renier 1893,271; Luzio-Renier 1896,89 f.; Burckhardt ed.
Geiger, II, 328.
182 Piccolomini, Commentarii, 233.

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