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Frommel, Christoph Luitpold
Der Römische Palastbau der Hochrenaissance (Band 1): Text — Tübingen: Wasmuth, 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.59325#0105
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27. BALLSPIEL
„Ancor nobile esercizio e convenientissimo ad om di
corte e il gioco di palla, nel quäle molto si vede la disposi-
zion del corpo, e la prestezza e discioltura d’ogni membro,
e tutto quello ehe quasi in ogni altro esercizio si vede ...“
schreibt Baldassare Castiglione in seinem „Corteggiano“188.
Tatsächlich erwähnt Baldi im Pal. Ducale zu Urbino einen
eigenen Hof für das beliebte Ballspiel189. Solche Ballspiele
gehörten auch zum Zeitvertreib in einigen der römischen Re-
naissancepaläste. Darauf deutet jedenfalls die Abmachung
der Capodiferro vom September 1566, in dem strittigen
Zwischenhof innerhalb von vier Jahren einen Platz für das
„giuoco da palla“ einzurichten (T. 31a). Im Pal. Farnese gab
es im 17. Jahrhundert ein „giuoco da Palla“. Dieses Spiel,
das die Florentiner nach Rom gebracht zu haben scheinen,
erfreute sich auch beim Volk größter Beliebtheit und wurde
im 16. Jahrhundert auf dem Areal des begonnenen Pal. dei
Tribunali, später östlich des Cortile del Belvedere und im
19. Jahrhundert dann im Pal. Barberini gespielt190. Die
Regeln dieses Schlagballspiels beschreibt Antonio Scaino
in seinem Traktat von 1555.

28. BIBLIOTHEK
Schon Petrarca hatte öffentliche Bibliotheken gefordert,
wie sie dann seit der Mitte des 15. Jahrhunderts mehr und
mehr begründet wurden191. Wiederum erwies sich Federico
da Montefeltre als einer der fortschrittlichsten Köpfe und
brachte eine der erlesensten und vollständigsten Biblio-
theken Italiens zusammen. Sein Haushofmeister gibt denn
auch genaue Anweisungen für das Amt des Bibliothekars192.
Er solle gelehrt sein, die Bibliothek trocken, sauber und frei
von Ungeziefer halten, genaue Inventare anfertigen und
kein Buch aus dem Raum lassen, es sei denn auf ausdrück-
lichen Befehl des Hausherrn, dann aber den Entleiher genau
vermerken. Albertini führt um 1510 neben der Vaticana,
der Privatbibliothek Julius’H. in den Stanzen und einigen
188 B. Castiglione, II Corteggiano, 1,22.
189 Baldi 1587,537; Federigo Gonzaga spielte 1530 mit Karl V. das
Ballspiel im Pal.del Te (Hartt 1958,315f.).
190 Momo, II giuoco del pallone, in: Lettere Romane, Rom 1872,
97ff.; die Anlage eines Ballspiels im Pal. Barberini überliefert
Let.,T. 181; A. Scaino da Salo, Trattato del giuoco della palla,
Venedig 1555; der Cod.Barb.4360 (fol.47) schlägt ein über-
decktes Ballspiel vor, in dem sich nicht nur die Hofleute, sondern
auch der Hausherr üben könnten.
191 Burckhardt ed. Geiger, 1,205 ff., 357 ff.
192 Ordini et offitij,75f.

Klosterbibliotheken vor allem die Sammlung der Kardinals
Giovanni de Medici an193. Sie umfaßte Bestände der Floren-
tiner Medicibibliothek, war mit Statuen und Gemälden ge-
schmückt und öffentlich zugänglich. Seit 1505 befand sie
sich im Pal.Madama. Unter den späteren Bibliotheken ist
vor allem jene des Pal. Farnese hervorzuheben, die sich
unter ihrem Bibliothekar Fulvio Orsini mit ihren Manu-
skripten, Münzen, Gemmen und Antiken zu einer der be-
deutendsten Sammlungen Roms entwickelte194. Sie lag im
nördlichen Flügel des dritten Geschosses, möglichst ge-
schützt vor der römischen Feuchtigkeit, und grenzte un-
mittelbar an das Appartement des Fulvio Orsini195. Der
Autor des Cod. Barb. 4360 denkt gewiß an den Pal. Farnese,
wenn er empfiehlt, im dritten Geschoß des künftigen Pal.
Barberini eine öffentliche Bibliothek unterzubringen, die
von einem gelehrten Kustoden verwaltet werde und für
jedermann zugänglich sei 196. An den eigentlichen Biblio-
thekssaal könnten sich drei weitere Zimmer anschließen,
die mit Porträts geschmückt seien und in deren verschlos-
senen Schränken einmal besonders wertvolle oder ver-
botene Bücher, zum andern Fossilien, Mineralien, Medail-
len, Antiken und die entsprechenden Bücher aufbewahrt
werden sollten. Eine solche Bibliothek werde dem Haus-
herrn zumal bei den Fremden zu Ehre und Ruhm verhelfen.

29. BOTTEGE
Bottegen, zu deutsch Läden, sind seit der Antike ein
fester Bestandteil städtischer Architektur. Im alten Rom
wurden sie bereits in monumentale Architekturen wie die
Marktbasiliken am Forum, das Caesarforum oder die Tra-
jansmärkte einbezogen197. Im Mittelalter nahmen sie das
Erdgeschoß nicht nur von Häusern, sondern auch von zahl-
reichen Palastbauten ein (Siena, Pal. Chigi-Saracini; Loren-
zettis „Buon Governo“ im Pal. Pubblico zu Siena). Auch im
15. Jahrhundert beziehen zahlreiche Bauherren von vorn-
herein Bottegen in ihre Stadtpaläste ein (Pal. Spannocchi,
Siena; Pal.Piccolomini, Siena; Cancelleria) (T. 163b).
Wenn die größten Florentiner Paläste des 15. Jahrhunderts
keine Bottegen besitzen, so war dies wohl ein Abzeichen
193 Albertini ed. Schmarsow, 35 ff.; M. Müntz, Les collections d’an-
tiques formdes par les Medicis au XVIe siccle, Paris 1895,8 ff.;
Lanciani,!, 145 ff.
194 Nolhac 1887, 8ff.
195 Navenne 1914,686f.; s. Bd. II, S. 115, Dok. 103, S. 116,Dok. 107.
196 Cod. Barb. 4360, fol. 26 ss.
197 Die Wurzeln der Bottege der römischen Hochrenaissance hat
K.L. Thoreen, The Italian Renaissance city palace with tabernae
and its antecedents, MA Thesis, MS, Berkeley 1966 verfolgt.

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