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Frommel, Christoph Luitpold
Der Römische Palastbau der Hochrenaissance (Band 1): Text — Tübingen: Wasmuth, 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.59325#0106
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des besonderen Reichtums ihrer Besitzer: Nur wer finan-
ziell völlig unabhängig war, konnte auf die einträglichen
Mieten der Ladeninhaber verzichten198. Freilich gab es Bau-
ten wie etwa die Cancelleria, deren Bauherr sich gegenüber
früheren Grundstückseignern wie dem Kapitel von S. Lo-
renzo in Damaso verpflichten mußte, an der gleichen Stelle,
an der sich früher Bottegen befunden hatten, wieder neue
Bottegen zu errichten und deren Einkünfte den ehemaligen
Besitzern zu überlassen. Bezeichnenderweise finden sich
jedoch nur an der Seitenfront der Cancelleria Bottegen.
Im Palastbau des 16. Jahrhunderts spielte die Bottege in-
sofern noch eine größere Rolle, als sich nun auch weniger
finanzkräftige Bauherren einen Palast zu leisten begannen.
Gerade für sie bedeuteten die Bottegen eine entscheidende
Hilfe für die Finanzierung des Neubaus. Ja, einige Paläste
wie der Pal. Sacchetti oder der Pal.Alberini gelangten
jahrelang nicht über das bereits vermietete Bottegengeschoß
hinaus (T. 6 a, 123 b). Es ist wohl kein Zufall, daß die
mittleren und großen Paläste in ihrer Hauptfassade kaum
je Bottegen besaßen, ja oft nicht einmal an den Seitenfron-
ten (Pal. Farnese, Capodiferro-Spada, Salviati-Adimari,
Riario-Corsini, Doria Pamphili) oder daß der Kardinal
Ricci die Bottegen des Pal. Sacchetti schloß. Es gab jedoch
auch kleinere Paläste wie die Pal. Valle I, Lante, Regis,
Massimo alle Colonne oder Sangallos Haus in Via Giulia,
in die keine Bottegen eingeplant waren. Auch dabei mag
ein gewißer Stolz mitgespielt haben, die Schauseite des
Palastes von jedem kommerziellen Makel freizuhalten. Die
Mehrzahl unserer Paläste verfügt allerdings über Bottegen
auch in der Hauptfassade, ohne daß ihre architektonische
Form darunter litte. Einige wie die Pal. Pichi, Alberini oder
Raffaels Projekt für sein Haus in Via Giulia sind sogar auf
eine maximale Anzahl von Bottegen hin angelegt - sei es
aus Spekulationsabsichten, sei es wie im Fall von Raffaels
Haus zur Unterbringung der verschiedenen Werkstätten
(T. 110a). Selbst in dem gegen Ende des 18. Jahrhunderts
begonnenen Nepotenpalast Pius’ VI. Braschi sind an den
Nebenfronten noch zahlreiche Bottegen angeordnet. Nach-
dem Bramante das Bottegengeschoß des Pal. Caprini in
seiner Rustikaverkleidung antiken Prototypen (Templum
Pacis, Caesarforum) angenähert hatte, konnte es sogar als
Ausweis besonderer Antikennähe gelten.
Die Form der einzelnen Bottegen variierte nur gering-
fügig. In einer der beiden unteren Ecken der rechteckigen
Bottegenöffhung befand sich die Theke, in der oft das
Kellerfenster angeordnet war. Die Bottege war gewölbt
198 Zu F. Sttozzis diplomatischer Behauptung, seine Finanzen er-
laubten es ihm nicht, auf Bottegen in seinem neuen Palast zu ver-
zichten, s. Gaye, I, 354 ff.

oder flach gedeckt und verfügte in ihrer rückwärtigen Hälfte
über eine kleine Treppe, die ins niedrigere Mezzaninge-
schoß führte. Nur selten schloß sich ein hinterer Erdge-
schoßraum an die Bottege an. Der Mezzaninraum wurde
durch ein kleines Fenster oberhalb der Ladenöffhung be-
leuchtet, besaß zuweilen einen eigenen Kamin (Pal. del-
l’Aquila) und diente zahlreichen Ladeninhabern als Woh-
nung. Die beste Vorstellung von dem Inneren einer Bottege
und ihres Mezzaninraumes während der römischen Hoch-
renaissance kann die Aufnahme des Pal. dell’Aquila von
etwa 1525 vermitteln (T. 9a).

30. KORRIDOR
Eine Raumform, die im späteren Palast- und Wohnbau
eine wachsende Bedeutung erhalten sollte, der Korridor,
ist im Renaissancepalast noch kaum ausgebildet. Seine
Funktion wurde meist von den Hofloggien oder den dar-
über gelegenen Passagen wahrgenommen. Wollten Herren
wie Diener von einem Teil des Palastes in den anderen ge-
langen, so hatten sie entweder die Hofpassagen oder aber
die Raumsuiten selbst zu durchqueren. Bei den meisten
Palazzetti mit ein oder zwei Hofloggien stellten im Piano
Nobile die Wohnräume sogar das einzige Verbindungs-
glied dar. Wenn Julius II. dem Appartamento Borgia und
Leo X. den Stanzen wehrgangartige Laufgänge vorblen-
den ließ, ging es ihnen wohl vor allem um die Entlastung
der eigentlichen Repräsentationsräume199. Ansätze zu Ent-
lastungskorridoren finden sich in den Obergeschossen,
die meist den Schlafräumen vorbehalten waren (G. da
Sangallos Entwurf UA 7948 für La Magliana, Farnesina,
Villa Madama) sowie in Sangallos Farnesepalästen in Rom
(Rücktrakt) und Gradoli (Erdgeschoß) (T. 54a, 166 d).
Doch Bramantes Projekt UA 136 für den Pal. dei Tribuna-
li und Raffaels Projekte UA 273, 314 für die Villa Madama
beweisen, daß die Repräsentationsräume auch aufwendig-
ster Neubauten oft nur durch die Hauptsuite zu erreichen
waren (T. 146a).

31. BELVEDERE
Wie Risalite und Eckrustika das formale Erbe der mit-
telalterlichen Türme antraten, so übernahm das Belvedere,
zu deutsch Aussichtsturm, ihre friedliche Funktion. Seine
199 Redig De Campos 1967, 107, 184.

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