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schoß an der Fassade weit über die Höhe des tatsächlichen
Wohngeschosses ausdehnt, trägt zweifellos zu ihrer Wir-
kung erheblich bei: Der untere Wulst liegt weit unter dem
Fußbodenniveau, der obere weit über den Gewölbeschei-
teln des Piano Nobile. Diese Überhöhung des Hauptge-
schosses machte es dem Architekten erst möglich, den
Ädikulen eine monumentale Stellung in der Fassade zu
sichern und die einzelnen Flächen in ein Spannungsver-
hältnis zueinander zu bringen. Die Relation des untersetzten
Sockelgeschosses zu dem überhöhten Hauptgeschoß, die
spröde Schlichtheit der Oberfläche, die von dem reizvollen
Kontrast des hellroten Backsteins zum weißen Travertin
profitiert, die Bedeutung der Proportionen, schließlich die
Beschränkung des Dekors auf das Kranzgesims erinnern
trotz aller Unterschiede an die Gestaltungsprinzipien des
Pal. Massimo. So ist es auch wahrscheinlich, daß der Pal.
del Vescovo während Peruzzis letzten Sieneser Aufenthaltes
um 1527-34 konzipiert wurde.
Sein Fassadenschema greift unmittelbar auf den Außen-
bau von Sangallos Sala Ducale im vatikanischen Cortile del
Maresciallo (um 1521 ff.) zurück, an dessen Planung Peruzzi
beteiligt gewesen sein mag75. Die einfachen, wohlabge-
wogenen Formen der Fensterrahmen und das antikische
Kranzgesims verraten Peruzzis römische Schulung und
seine grundsätzliche Bejahung einer normativen Formen-
sprache.
Aufschlußreich für Peruzzis Denken ist die Gestaltung
der abgeschrägten Ecke zwischen der Hauptfassade und
der Nebenfront zur steil ansteigenden Via S.Quirico, die
zum Vergleich mit Raffaels und Sangallos Lösungen für das
Grundstück an Via Giulia herausfordert (T. HOa-c). Zu-
nächst geht Peruzzi wie Sangallo vom Baukörper und nicht
wie Raffael von den Schauseiten aus. Während Sangallo je-
doch die Diagonalfläche durch eine Ädikula als „point de
vue“ vor den anderen Fronten auszeichnet, verzichtet
Peruzzi auf die unteren Gesimse und ersetzt die Fenster
durch ungerahmte Blendfelder. Da das Mezzanin- und das
Kranzgesims weitergeführt sind und Einsatzlücken für eine
spätere Verkleidung fehlen, wird man diese Lösung als
endgültig betrachten dürfen: So ist der Baukörper zwar als
dreidimensionale Einheit aufgefaßt, nur eine seiner drei
Fronten jedoch als Schauseite behandelt. Die Fassaden-
gliederung steigert nicht wie bei Sangallo den dreidimen-
sionalen Charakter des Baukörpers, sondern wird wie bei
Raffael der repräsentativsten Front vorgeblendet.
Ein zweiter Palast in Siena, der Pal. Franceschini-Mo-
cenni, scheint von Peruzzi lediglich begonnen worden zu
75 Frommei 1964, 35, Anm. 13.

sein76 (T. 182e). Auf ihn weist heute allenfalls die Piedestal-
zone des Piano Nobile mit ihren fein abgewogenen, tief-
schattenden Profilen. Offenbar war hier eine dichte Folge
von Ädikulen und Pilastern, an der Ecke sogar von Doppel-
pilastern vorgesehen, die dann der späteren Planänderung
zum Opfer fiel.

36. PAL. OSSOLI-MISSINI
Seit Titi und Letarouilly gilt der Pal. Ossoli wegen seiner
Gemeinsamkeiten mit der Farnesina und dem Pal. Massimo
als ein Werk Peruzzis (T. 105,107a,b,d). Seine nahezu
quadratische Fassadenfläche ist in drei gleichwertige Ge-
schosse von je fünf Jochen unterteilt. Mit dem Rustikapor-
tal und der Schnittsteinquaderung des Sockelgeschosses,
der toskanischen Ordnung des Piano Nobile und der joni-
schen des Obergeschosses gehorchen sie den Regeln der
Superposition. Die gedrungenen Volutenädikulen des
Sockelgeschosses, die eleganteren Ädikulen des Piano
Nobile und die mit einfachen Rahmen versehenen Fenster
des Obergeschosses passen sich dem Charakter der Ge-
schosse an. In der Frieszone des jonischen Gebälkes sind
ungerahmte Mezzaninfenster untergebracht. Die vorkra-
genden Konsolen seines Gesimses erheben es zum Rang
eines Kranzgesimses. Der Peperin der Schnittsteinquadern,
der Sohlbänke und der beiden Pilasterordnungen, der
Travertin der Portal- und Fensterrahmen und das ocker-
farbene Ziegelornament der verputzten Füllflächen ver-
binden sich zu einem reizvollen chromatischen Dreiklang.
Eine dekorative Gesinnung wird auch in der antiken Fries-
platte spürbar, die über dem Portal in die Wand eingelassen
ist und schon auf Dosios Aufnahme erscheint. Entspre-
chend waren zwischen den Erdgeschoßfenstern antike Re-
liefs angebracht (T. 107a,d).
Die drei Geschosse ruhen fast beziehungslos überein-
ander. Von dem Muster der Quaderung und den schweren
plastischen Formen des Erdgeschosses zum Piano Nobile
gibt es keine Verbindung. Das Piano Nobile mit seinen
gedrungenen Verhältnissen und seinem dichten Relief setzt
sich in einem allzu lockeren, allzu hohen, ja spannungslos
leeren Obergeschoß fort. Daß der Architekt hier in der Ver-
76 Ebenfalls von Fabio Chigi (op.eit., 335) Peruzzi zugeschrieben;
nach Kent 1925, 40 um 1520 für Bernardo Bellanti begonnen und
später verändert; nach P. Sanpaolesi (Aspetti dell’architettura del
’400 e Francesco di Giorgio, in: Studi Artistici Urbinati, Urbino
1949,166) bis einschließlich der Sockelzone des Piano Nobile nach
Peruzzis Entwurf ausgeführt, nach der Guida des TCI (vol. XI,
Toscana, Mailand 1959, 592) „del 1563“.
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