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quattrocentesken Säulenarkade - schon sie allein ein ent-
scheidendes Argument gegen die Zuschreibung an Bra-
mante.
6. PAL. DELLA VALLE
In ähnlicher Nähe zur Cancelleria, doch kaum unter Bra-
mantes Einfluß steht der anmutige Hof des Pal. della Valle
(1508ff.) (T. 149-150b, 152b,c). Ursprünglich gelangte der
Besucher durch den schmalen Andito in die Mitte der
breiten Eingangsloggia, die sich in drei Arkaden auf den
Innenhof öffnet. Sie ist von einem Stichkappengewölbe
überdeckt, dessen Innenseite wie die übrigen Loggien-
gewölbe auf Ornamentkonsolen ohne Pilasterschäfte auf-
ruht. In Fortsetzung der rechten Arkadenreihe wird die
Eingangshalle durch einen eingestellten Pfeiler zweigeteilt:
Damit wird einmal der untere Lauf des Treppenhauses
axial vorbereitet, zum andern eine notwendige Substruk-
tion für die hofwärts gelegene Ecke der Sala Grande ge-
schaffen. Erst bei der Betrachtung des Grundrisses bemerkt
man, wie geschickt dieser Notbehelf architektonisch aus-
gewertet ist. Das lichte Hofareal ist entsprechend der An-
zahl der umgebenden Arkaden wie etwa 3:5 proportioniert.
Nur das Erdgeschoß öffnet sich in Säulenarkaden. Im Piano
Nobile wechseln Ädikulen mit Statuennischen. Eine unter-
setzte Pfeilerloggia bildet das Obergeschoß und ist wie das
Piano Nobile in unverputztem Ziegelmauerwerk ausge-
führt. Diese Geschoßfolge erinnert an den Hof des Pal.
Giraud, ohne daß ein notwendiger Zusammenhang be-
stünde. Schon in der Handhabung der Gesimse wird der
grundsätzliche Unterschied der gesamten Auffassung
sichtbar: Jedes Geschoß ist durch ein breites Gebälk vom
nächsten getrennt, und zumindest der Fries des Erd-
geschosses war mit Reliefs antiker Provenienz geschmückt
(T. 153 b). Die drei Geschosse verjüngen sich mit nahezu
rhythmischer Regelmäßigkeit, so daß sich das Erdgeschoß
ähnlich zum Piano Nobile verhält wie dieses zum Ober-
geschoß. Trotz der Statuennischen nimmt das Piano Nobile
keine beherrschende Stellung ein.
Während im Hof des Pal. Doria erst bei näherem Zu-
schauen die traditionelle Zuschreibung an Bramante zwei-
felhaft wird, äußert sich im Hof des Pal. della Valle von
vorneherein eine andere Individualität. Der Architekt
sucht nicht wie Bramante durch einfache Kontraste,
monumentale Glieder und ein bewegtes Wandrelief der
Antike näher zu kommen, sondern durch schmuckhafte
Kapitelle, bunte Marmorsorten, figurale Friese, Statuen-
nischen und ein makelloses Detail. Das architektonische
Gerüst bleibt letztlich in den Vorstellungen des Quattro-

cento befangen. Daß die aktiven Säulen in den passiven
Nischen des Piano Nobile und daß die schmalen Nischen in
den breiten Pfeilern des Obergeschosses ihre Fortsetzung
finden, läßt sich schwerlich mit Bramantes tektonischem
Denken vereinbaren: Kein Geschoß wächst notwendig aus
dem anderen hervor. Das Erdgeschoß folgt mit seinen
schlanken Säulen, seinen aufstrebenden Arkaden (etwa
1:2), dem Verhältnis Säule-Arkadenöffnung (etwa 1:5,8),
seinen Zwickeltondi, vor allem aber seinen L-förmigen
Eckpfeilern der Cancelleria. Der Wechsel von Ädikulen
und Nischen erinnert an Bramantes Tempietto, das Kranz-
gesims an antike Vorbilder, ohne jedoch eine souveräne
Profilierung wie die vergleichbaren Gesimse des Cortile del
Belvedere oder des Pal.Alberini zu erreichen.
Die Scheitelvoluten der Archivolten, der hohe Fries, die
antiken Figurenreliefs, der Ornamentfries in den Kapitel-
len oder die untersetzte Loggia im Obergeschoß gehören
dagegen sämtlich dem Formenschatz G. da Sangallos an
(Pal.Gondi, Loggia Julius’II. in der Engelsburg, Ent-
wurf UA 134 für die Verkleidung der Torre Borgia, Pal.
della Scala)5. Giulianos Stil möchte man auch in der feinen
Marmorinkrustation des Treppenhauses mit seinen dori-
schen Pilasterarkaden (Cap. Gondi, Tamburloggia des Flo-
rentiner Doms) (T. 90a) oder in dem vollendeten jonischen
Marmorkamin des Piano Nobile mit seinen kannelierten
Säulchen wiedererkennen (T. 150c, 151c).
Fehlen auch in G. da Sangallos GBuvre vergleichbare
Wandsysteme, so fällt es doch schwer, an einen anderen
Architekten zu denken, der in ähnlicher Weise florentini-
sche und römische, quattrocenteske und antikisierende
Elemente zu vereinbaren gewußt und der unabhängig von
Bramante während dieser Jahre ein solches Niveau erreicht
hätte.
Der Hof des Pal. della Valle blieb nicht ohne Wirkung
aufdie weitere Entwicklung. Raffael sollte im Pal. dell’Aqui-
la nicht nur die monumentale Antikennähe Bramantes mit
der dekorativen des Pal. della Valle verbinden, sondern auch
dem Motiv mit Ädikulen alternierender Rundnischen zu
neuen Ehren verhelfen (T.7a).

7. PAL. LANTE-MEDICI
Zu den schönsten Renaissancehöfen Roms hätte zweifel-
los der Hof des Pal. Lante-Medici gehört (um 1514/15)
(T. 88a, 89,90b-d, 91 b,c). Mit seinen drei mal drei Säulen-
arkaden in zwei Geschossen, seinen weiten harmonischen
5 Sanpaolesi 1963, 275-288.

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