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Verhältnissen, seinen kostbaren antiken Säulenschäften und
seinem erlesenen Detail hätte er Römisches und Florentini-
sches in beispielhafter Weise vereinigt. Gegenüber dem Pal.
della Valle sind die Beziehungen zur Cancelleria merklich
abgeschwächt. Der Eckpfeiler wird durch die Ecksäule er-
setzt und das Obergeschoß im Sinne der Superposition mit
einer jonischen Säulenordnung ausgestattet. Mit etwa 1:6
geht das Verhältnis Säule-Arkadenöffnung sogar noch über
die Cancelleria und den Pal. della Valle hinaus. Die Arka-
denöffnung selbst ist mit 1:1,88 entsprechend gedrungener
proportioniert. Eine Balustrade bildet die Brüstung des
Piano Nobile. Das Erdgeschoßgebälk beschränkt sich auf
Architrav und Gesims: Mehr noch als im Hof der Cancelleria
wird die Wand wo irgendmöglich eliminiert, zumal für den
engen Hof kaum ein geschlossenes drittes Geschoß vorge-
sehen war.
Die Erweiterung der Arkadenöffnungen, ihre unter-
setzteren Verhältnisse, der Verzicht auf den Eckpfeiler
sowie die Einführung der luftigen Balustrade bewirken
eine Vorherrschaft der räumlichen Elemente, wie sie uns
bislang in keinem Hof begegnet war. Während Bramante
jedoch die raumhafte Wirkung seiner breiten Arkaden im
Kontrast zu der körperlichen Fülle seiner Pfeiler zu steigern
und zu artikulieren weiß, bleibt die Räumlichkeit dieses
Hofes abstrakt, unbestimmt und letztlich quattrocentesk.
Dazu trägt auch die neutrale Behandlung der Rückwände
bei. Keine Blendpilaster und keine Nischen, sondern ledig-
lich dekorative Konsolen beziehen sie in das Gesamt-
system ein. Wie überhaupt das Festhalten an der Säulen-
arkade verrät, daß der Architekt kein primäres Interesse für
die tektonische Logik aufbrachte.
Das fortgeschrittene Datum des Hofes ist nur an einigen
Details abzulesen. Der Superposition und den kanonischen
Verhältnissen der Ordnungen (1:8,2 bzw. 1:9,2) waren wir
bereits im Pal. Doria Pamphili begegnet. Die zwischen die
Piedestale des Piano Nobile gespannte Balustrade und der
Typus ihrer Baluster gehen hingegen unmittelbar auf Bra-
mantes erste Loggien zurück (1509ff.). Das zweiteilige
Gebälk der „Crypta Balbi“ war wohl schon vor 1510 mit
der jonischen Ordnung des Pal.Fieschi in Rom eingeführt
worden. Raffael sollte es im Erdgeschoß des Pal. dell’Aquila
dann aufgreifen und an Giulio, A. da Sangallo und Peruzzi
weiter reichen8.
Giulianos eigenstes Verdienst sind wiederum die wohl-
gebildeten Scheitelvoluten, die das Gebälk tektonisch
stützen, sowie die heraldischen Kapitelle und Zwickeltondi
(T. 89). Mit ihrem reizvollen Fries, in dem das Allianzwap-
pen der Alfonsina Orsini mit Medici-und Orsini-Emblemen
6 Shearman 1968, 400; zur Zuschreibungsfrage s. Bd.II, 230 ff.

wechselt, ihrem Astragal und ihrem Eierstab lassen die
Kapitelle ihre Vorgänger in der Cap.Gondi, in der Tiber-
loggia der Engelsburg oder in den Höfen der Pal. Doria
und della Valle weit hinter sich (T. 90 a, 35 b, 150a,b). Noch
kunstvoller wirken die Zwickeltondi, deren durchbroche-
nes Filigran verrät, daß der Architekt auch auf Helldunkel-
kontraste bedacht war. Beachtung verdienen auch die anti-
kischen Basen und Kapitelle der jonischen Ordnung.
Die entwicklungsgeschichtliche Bedeutung des Hofes
liegt wohl weniger in seinem konservativen Typus als in
dem Oberflächenreiz seiner marmornen Kapitelle, Basen
und Balustraden, seiner rötlichen, grünen, grauen und
goldgelben Säulenschäfte oder seiner durchschatteten
Zwickeltondi. Als Raffael in den gleichen Jahren mit der
Ausstattung der Cap.Chigi und der Loggien begann,
konnte er sich bei ihrem polychromen Reichtum schwerlich
auf Bramantes spröde Architekturen berufen. In Giuliano
da Sangallo besaß er um 1514/15 einen Berater, der ihm auch
zu diesem Aspekt der Antike Zugang verschaffte.

8. PAL. DEL S. UFFIZIO-PUCCI
Der Palast des Kardinals Lorenzo Pucci bei Porta Caval-
leggieri (um 1514/1515 ff.) wurde zu Lebzeiten des Bau-
herrn nur in Teilen ausgeführt und nach seinem Tode so
stark verändert, daß heute nurmehr der Hof einen Eindruck
von dem ursprünglichen Projekt vermitteln kann7 (T. 179,
7 Die Baugeschichte des Pal. S.Uffizio fällt großenteils in die Zeit
nach 1566 und kann hier nur in Umrissen angedeutet werden.
Die früheste verfügbare Nachricht stammt aus der Zeit bald nach
der Ernennung Lorenzo Puccis zum Kardinal von SS. Quattro
Coronati im September 1513. 1514 übernimmt Pucci „proprieta-
tem duarum domorum, quarum una proxima ecclesiae Sancti
Salvatoris in Turrione, de Schola Francorum, altera proxima
capellae Sancti Zenonis ambae in contrata Armenorum“ von dem
Prinzen Konstantin von Mazedonien (Lanciani 1923, 244). Dem
Kapitel von St. Peter muß er dafür eine jährliche Pacht von 120 D.
bezahlen (s. auch Bibi. Vat., Arch.Cap.S.Pietro in Vat., Privil. e Atti
Not. 11 [1500-1517], fol. 108: „Nominatio ad domum jn burgo
intra (?) Reverendissimum dominum laurentium Cardinalem Sanc-
torum quatuor“). Im Censusbuch des Kapitels vonl 513/14 heißt es:
„Domus inBorgo retroCampum Sanctum inqua contineturecclesia
sancti salvatoris de ossibus locata ad tertiam generationem illu-
strissimo Domino Costantino ... cum eadem conditione fuit
concessa Reverendissimo Cardinali sancto quattro ... D. 30“
(loc.cit., Censuali 25 [1513-1514], fol. 74v). 1517 wird in dem
Censusbuch des Kapitels von St. Peter auch der „ortus magnus
cum pulcra domo et capella“ bei Porta Turrione erwähnt, der
früher denGozzadini gehört habe und jetzt an den Kardinal Pucci
vermietet sei (loc.cit., Censuale 147, fol. XXIII ss.). Am 8. VIII.
1524 erhält Kard. Pucci von der Camera Apostolica die Erlaubnis,
Baumaterialien zu graben, da er „pro ornatu urbis iuxta basilicam

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