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Andito, die Aufhellung des Hofes und die erste Säule der
hinteren Loggia gewahr. Die leicht geknickte Tiefenachse
bereitet ihn eindringlicher auf den Hof und seine Säulen-
stellung vor, als die geradlinigen Mittelachsen anderer
Paläste, deren Hofgliederung erst aus größerer Nähe sicht-
bar wird. Der schattige Fassadenportikus mit seinen mäch-
tigen Säulenpaaren, seinem antikischen Wandrelief und der
düstere Andito mit seiner von feinstem Stuck überzogenen
Tonne sind wichtige Etappen auf dem Weg zum Hofe. Da-
bei kommt es Peruzzi nicht darauf an, die einzelnen Räume
wie in den Pal.Baldassini, Farnese oder Regis durch ein
kontinuierliches Wandsystem miteinander zu verketten.
Der Portikus ist in seiner Gliederung ganz auf den Außenbau
bezogen, der Andito lediglich durch ein Kämpfergesims
mit dem Hof verbunden. Selbst zum Hof hin wird sein
Tonnengewölbe durch einen Schildbogen geschlossen.
Jeder Teil ruht selbständig in sich. Eine Bewegung, ein
dynamischer Tiefensog, ein kontinuierlicher Rhythmus
kommen nicht zustande.
Hat der Betrachter den dunklen Engpaß des Andito
durchmessen, so sieht er sich wiederum einer Reihe dori-
scher Säulen gegenüber. Daß sie etwas zierlicher proportio-
niert sind als die Außenordnung, wird erst bei näherem
Vergleichen deutlich. Drei Lichtschächte erhellen das
gleichfalls stuckierte Tonnengewölbe und die rechterhand
gelegene Treppenmündung. Sucht er nach einem Stand-
ort, der ihm wie in den anderen Palazzetti den Blick auf
den Hauptprospekt des Hofes ermöglichte, so gerät er in
Verlegenheit. Die Tiefenachse des Palastes deckt sich nicht
mit der des Hofes, sondern führt entlang der linken Wand in
einen zweiten Hof. Begibt er sich in das mittlere Joch der
Eingangsloggia, so bietet der Hof mit seiner niedrigeren
rechten Längswand einen unsymmetrischen Anblick. Und
faßt er die Nischenwand rechts wie im Pal. dell’Aquila als
die eigentliche Schauseite auf, so wird die Aussicht durch
die Treppe und die Hinterhöfe des Nachbarhauses gestört -
eine Störung, die durch den Aufbau des Laufgangs im
17.Jahrhundert bereits gemildert wurde.
Die Grundstücksverhältnisse, die Abmessungen und
selbst der Hoftypus sind dem Hof des Pal. Gaddi unmittel-
bar vergleichbar. Doch während Sansovino seinen symme-
trischen Hofprospekt mit einem Seitentrakt von der Breite
eines Korridors erkaufte, scheint Peruzzi gerade an den
Asymmetrien Gefallen gefunden zu haben. Sonst wäre es
ihm wohl ein leichtes gewesen, der rechten Seitenwand die
gleiche Höhe wie der linken zu geben. Und da der linke
Flügel des Altbaus doch bis in die Fundamente erneuert
werden mußte, hätte sich sogar ein symmetrisch zur Tiefen-
achse gelegener Hof verwirklichen lassen. Wie dem auch
sei: der ausgeführte Hof mit seinen konkurrierenden

Schwerpunkten ist für Peruzzis Stil charakteristisch und
seinen diskontinuierlichen Bildräumen nahe verwandt24.
Schließen sich also die vier Hofwände weder zu einem
Gesamtprospekt noch zu einem wirklichen Raum zusam-
men, so sieht sich der Betrachter auf die einzelnen Hofkulis-
sen verwiesen. Wie im Hof des Pal. Gaddi öffnen sich die
Eingangswand und die Rückwand in Loggien, während die
Seitenwände geschlossen bleiben. Wie im Hof des Pal.
dell’Aquila erreicht die eine der beiden Längswände nur die
Sockelzone des Piano Nobile; wie dort beschränkt sich die
Blendgliederung der Seitenwände auf das Erdgeschoß,
während die beiden Obergeschosse Motive der Fassade
weiterführen; wie dort folgen auf die dorische Säulen-
loggia im Erdgeschoß eine jonische im Piano Nobile und
ein Mezzanin. Selbst die Geschoßhöhen und die Proportio-
nen der Säulen differieren nur geringfügig vom Hof des
Pal. dell’Aquila.
Obwohl wir diesen nur aus den späteren Aufnahmen
kennen, scheinen gerade die Abweichungen vom Hof des
Pal. dell’Aquila die Wirkung von Peruzzis Hof maßgeblich
zu beeinflussen. Die wichtigste ist wohl die Verkürzung der
Interkolumnien: Das Erdgeschoß verliert seine Schwere,
wird eleganter, aufstrebender. Raffael und Peruzzi benötig-
ten etwa die gleiche Höhe, um das Tonnengewölbe der
Loggien zu kaschieren. Während Raffael diese Höhe nun
auf das Gebälk und die Piedestalzone des Piano Nobile ver-
teilte, führte Peruzzi eine neutrale Attika mit drei längs-
rechteckigen Fensterluken ein, die nicht nur die Belichtung
des Tonnengewölbes und des Treppenaufganges ver-
besserte, sondern auch das Gebälk und die Piedestalzone er-
heblich erleichterte und ihre Abfolge auflockerte. Die
gleiche Tendenz verfolgen auch die leichten Korrekturen
der Säulenmaße. Die dorischen Säulen des Pal. dell’Aquila
waren ein wenig höher, die jonischen ein wenig kürzer als
im Pal. Massimo. So wirkt das Piano Nobile unseres Hofes
wiederum schwebender, eleganter, freier, und dies um so
mehr, als es mit seinem einzigen niedrigen Mezzanin eine
wesentlich geringere Last zu tragen hat und nicht durch die
Verkröpfung des Gebälkes in ein vertikales System einbe-
zogen wird.
Das Mezzanin tritt durch seine querrechteckigen rahmen-
losen Fenster in Korrespondenz zu der durchfensterten
Attika des Erdgeschosses und ist mehr noch als diese aller
materiellen Schwere entkleidet. Bezieht man die Attiken auf
die Säulengeschosse, so ergibt sich ein reizvolles Wechsel-
spiel. Dem schwereren, körperhafteren Erdgeschoß ist die
geschlossenere, dem leichteren Piano Nobile die offene
Attika zugeordnet; dem höheren Erdgeschoß die niedri-
24 Frommei 1967/68, 37.

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