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Füssli, Johann Rudolf; Füssli, Johann Heinrich [Hrsg.]; Füssli, Johann Rudolf [Mitarb.]
Allgemeines Künstlerlexikon oder Kurze Nachricht von dem Leben und den Werken der Mahler, Bildhauer, Baumeister, Kupferstecher, Kunstgießer, Stahlschneider ... (2,7, Anhang): welcher das Leben Raphael Sanzio's, und die Litteratur von dessen Werken in sich faßt — Zürich: Orell & Füßli, 1814

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https://doi.org/10.11588/diglit.59570#0014
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tet, und Christi Gebet im Garten, ebenfalls klein,
und wie Miniatur ausgemalt i8.).
Jetzt.(1505.) ging er wieder nach Perugia zu-
rück. Aie vorzüglichsten Werke/ die er dort in
einem Zeitraum von zwey Jahren verfertigte, wa-
ren: Eine Madonna mit Johann dem Täufer
nebst St. Nicolas, für die Kirche der Frati de
Servi, gegenwärtig in Paris iy). — Für die
Nonnen von St. Anton eine andere Madonna/
den Leichnam bekleidet 20) in ihrem Schoos? /
nebst St. Peter und Paul/ St. Cacilia und St.
Catharina 2i.)/ wo vasirri besonders die schönen
Köpfe dieser beyden heiligen Jungfrauen, und das

Abgewechselte in ihrem Kopfputze 22.) rühmet.
Ueber dieser Altartasel hing in einem Rond ein
trefflicher Gott der Vater; und am Altarschemme!
sah man, in ganz kleinen Bildern, den Cyclus:
Wieder, wie zu Urbino, ein Christus betet im
Garten; dann die Kreuztragung; und wieder der
todte Christ in dem Scdooß seiner Mutter 23.).
Hiernachst für die Kapelle der H. Jungfrau im
Kamaldulenser-Kloster St. Severo ein großes Fres
cogemalde 24.), so viel bekannt ist/ das erste,
welches er je unternahm, worin Christus in einer
Glorie, nebst Gott dem Vater, von sechs Heili-
gen 2Z.) umgeben, vorgestellt ist. In dasselbe 26)-

iS) Die zwey letzter« waren für den damaligen Herzog von Urbino, die beyden Madonnen für den Florentiner-
Capitaneo Guidobald von Montefeltro gemalt. Von allen vieren weiß man mit keinerley Sicherheit, wo sie
hingekommen sind. Ueberhanpt befand sich in neuern Tagen (wie schon Bottari klagt) in Raphaels Geburts-
ort, weder öffentlich noch bey Privaten, kein einziges Bild mehr von ihm. (S. oben die einzige Ausnahme.)
Die beyden Madonnen (glaubt ebenfalls Dottari) dürften vielleicht diejenigen seyn, welche N. de Larmessin
und I. C. Flipart, aus der Gallerie Orleans gestochen haben. (S. Hemecke II. 438. und Winkler Nro.
5772—74) Auch der Christus im Garten könnte (wieder nach Bottavi) in gedachte Gallerie gelanget feyn, und wäre
alsdann dasjenige Bild, welches Flipart für Crozat geliefert hat. (S. Hemecke l. c. 397. und Winkler Nro. 3638.)
Die acht Mteratur des Bildes von St. Georg dann ist noch weit schwerer zu bestimmen. Awev dergleichen
Bilder nämlich befinden sich im Französischen Museum; beyde klein. Das eine, wo der Ritter den Drachen
mit der Lanze bestreitet, und eine betende Heilige im Mittelgrund knieet, von 15^ Höhe, und wie Landorr
(Ann. lll. Nro. 15.) sagt, in Raphaels erster Manier gemalt, etwas trocken, aber mit Feinheit und Rein-
lichkeit ausgeführt, ist wohl dasjenige, welches einst dem H. von Crozat zuständig war, und sich, von Larmeßin
gestochen, in der bekannten Sammlung befindet (S. Hemecke ll. 456. und Winkler Nro. 3825.); wesentlich
verschieden von einem zweyten noch kleinern (10" 8"^ hohen, 91/2" breiten) aber vorzüglichem, das sich schon
von Alters her kn der Königlichen Sammlung befand, wo der Heilige, nachdem ihm die Lanze gebrochen, deren
Splitter zur Erde liegen, das sich gegen ihn aufbäumende Ungethümm mit dem Schwerdt bekämpft, und eine
Frauensperson (hier wie eine Königin dargestellt) vor Schrecken zu fliehen scheint (S. Hemecke t. c. 455. u.
Winkler Nro. 3824.). Dieses, ebenfalls von Larmeßin, wieder für Crozat, in neuern Lagen von Nicquer
geliefert, soll, gemeiner Meinung nach, das bey VasarL erwähnte seyn, und ist das vollkommene Nebenbild
des unten folgenden kleinern St. Michaels in dem nämlichen Kunstfchatze. Von diesem heißt es bey Landon
(Ann. IV. Nro. 62.): „Die fleißige Ausarbeitung desselben, und zumal die überaus sorgfältige Verschmel-
zung der Farben ist nicht genug zu bewundern. Das stärkste Licht geht durch unmerkbare Abstufung in die tief-
sten Schatten über, so daß man, wie in der Natur, nie die Grenzlinie zwischen LiM und Schatten bestimmen,
kann. Jeder andere Maler würde, besonders in der Rüstung des Ritters, Helle abgeschnittcue Lichter aufge-
setzt haben, um das Schimmernde des Stahls herauszubringen. Unser Meister bedarf dieses Hülfsmittels
nicht; die Rüstung glänzt wie ein Spiegel, ohne daß man den mindesten Pinselstrich (Toccirung) gewahr wird.
Auch auf dem weißen Pferde bemerkt man keine einzige starke Licklparthie; das Lickt glinzt unmerklich in die
liefern Schatten hinab. Der Hintergrund dieses kleinen Meisterwerks sckeint von einer fremden aber geschick-
ten Hand aufgefrkscht, und die fliehende weibliche Figur ebenfalls nicht von dem Unsrigen zu seyn." Noch ein
anderer St. Georg von Raphael befand sich, nach Lomazzo (I-. l. e. 8.) einst in St. Victor zu Mailand,
und noch ein Anderer bey dem Grafen von Pembrock in England, schon 1628. von David Granger gestochen
(S. Hernecke l. c. 456. u. Winkler Nro. 3828.). Letzterer dann nennt noch ein (schönes) solches Blatt
von L. Vorstermann, welches aberß, wie wir glauben, eben so wie noch eines von L. Gaultier, kein
anderes, als das zuerst genannte Bild aus dem Kabinet Crozat verstellt. Beyde im Museum befindlichen
dann kennen wir auch iu bloßen Umrissen aus Landon's Annalen und dem iVMnusl äu Nussuln u. cc. so
wie aus des erster» Vis sm. äs Nro. 53z. u. 34.

19) ^lmLnacK a. Rom Igio. 8. H2. Weder das: Manuel 6u Muxenm, noch Landons Annalen wissen da-
von nicht das Geringste; und eben so wenig findet sich irgendwo die Anzeige eines Blattes nach diesem Bilde,
selbst in Landons Vis etc. äs KafckakZ nicht, der sonst dort au die 40. H. Familien von R, giebt.
20) „Denn" (sagt Vasari) „so gefiel es den einfältigen ehrwürdigen Frauen."
21) Bottari vsrmuthet irrig!, daß dies Bild nach Spanien gekommen sey. Es befindet fick, so wie der gleichfolgende,
dazu als oberer Theil des Gemäldes gehörige Gott Vater in Halbfigur mit zwey Engeln, noch gegenwärtig
(wenigstens 1798. noch) in der Gallerie Colonna zu Rom. „Noch ist freylich" (sagt Meyer in den Propy-
läen 1- 1. 108-9) „nichts Großes, nichts Gewaltiges, weder im Style noch in den Formen dieses Bildes;
die Falten sind nicht zum besten gewählt, und in dem Wissenschaftlichen der Zeichnung möchte dasselbe ungefähr
neben die Arbeiten seines Meisters Perugino zu stellen seyn. Gott der Vater hat keine Majestät, sondern ist
nur ein alter Mann, nicht größer und würdiger als die beyden Apostel; es fehlt durchaus an der Unterord-
nung der Theile zum Ganzen; der Künstler scheint bloß an jeder einzelnen Figur fein Möglichstes gethan zu
haben. Hingegen ist Alles, was Empfindung und Gemüth hervorbrkngen können, votrefflich, ja sogar wunder-
sam ; die beyden Kinder (denn — seltsam — Meyer bezeichnet das obere Bild als eins Madonna mit Chri-
stus und Johannes, unten die vier HH., welche auch Vasari nennt) voll Naivetät und Unschuld, die Weiber
mit himmlischer Anmuth geschmückt. Es sind schöne Erscheinungen, beglückende Traums."

22) Letztres zumal als: co8L raoa in gus tsmpi.
23) Diese drey kleinen Bilder kamen ins Kabinet Orleans, und finden sich gestochen bey Crozat: Das zweyte
von Larmessin, das dritte von du Flos (S. Hemecke II. 598. und 4ol. und Winkler Nro. 3640. und
3651.). Auw das Blatt von FlLpart, oben in Note 18. genannt, dürfte eher dieses, als das dort ange-
führte Gebet im Garten seyn.
24) Eine Note in der SLenenser-Ausgabe des Vasari spricht, neben dem hier im Tert benannten, noch von
einem zweyten Frescogemälde, welches die ganze Vorderseite des Oratorium von Citta della Pieve einnehme, und die
Anbetung der Weisen vorstelle, was bisher immer dem perugino zugeeignet wurde, und aber durch die Liebe,
womit besonders Mutter und Kind (mit seinen Füßchen wie gedrechselt) gemalt seven, daun nebenbey auch
durch das elegant gefügte und fein geglättete Holzwerk der Hütte, worin» die Krippe stand, sich unzweydeutig
für Raphaels Arbeit, frevl'ch von der Zeit eigne, wo er sich noch des Styls des gedachten seines Meisters
befliß. Das Ganze ist 22. Palmen breit, und 20. hoch, und besteht aus 3z. ungefähr sieben Palmen hohen
Figuren, soll aber von den vielen Nägeln, die man in die Mauer geschlagen, von scharfen Besen, womit
man es ausgeputzt, u. s. fi übel zugerrchtet, in neuern Tagen (1790.) jedoch, auf Befehl des H. Bischofs,
mit einer Decke verwahrt worden seyn.
25) Den HH. Benedict, Romuald, Lorenz, Hieronymus, Maurus und Placidus.
26) „Das man" (sagt VasarL schielend genug) „damals für em al Fvescs für sehr schön hielt?'
 
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