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lebensgroße Figur, auf Holz (5^ 8" 6/" hoch,
4/ 2," 3^ breit) 368).
Diese beyden letztgenannten Bilder scheinen wohl
die wichtigsten aus der Sammlung zu seyn 369).
Auch der (alte) Katalog von Schleisheim nennt
von unserm Künstler:
Nr. 621. Eine Madonna, die das Kind auf
dem Schovße halt, 7/4" hoch, 7" breit, und,
wie es scheint, von keiner besondern Bedeutung.
Dagegen besitzt die Gallerie zu Dresden zwar
nur zwey Raphaelr'sche Bilder; aber unter diesen,
in der weltberühmten Madonna mit dem Kind in
der Glorie, St. Sixt und St. Barbara, das weit
Vorzüglichste in Deutschland, das wir schon an sei-
nem Ort beschrieben, und dort bereits bemerkt ha-
ben, daß sich, bis ans unsere jüngsten Tage, kein
Stecher an dasselbe hat wagen dürfen 370). Dann,
neben diesem:
Einen St. Georg zu Pferd, der den Drachen
erlegt hat; die Lanze ist ihm zerbrochen. Zu sei-
nen Füßen liegt ein Mädchen (wahrscheinlich die
Lydische Prinzessin Ckeodolinde) auf den Knieen,
nut gefalteten Händen. Auf Tuch gemalt (7, 4"
hoch, 4" breit) 371).
Zu dem mehr als Äpokryphischen in Dresden
hingegen gehört die in dem dortigen Japanischen
Pallaste berufene Raphaelische Töpferarbeit oder
sogenannte in Gelb und Blau schön gemalte Fay-
ence; und besonders zwey große Vasen, welche Kö-
nig August,11. mit 600. Dukaten bezahlt haben
soll. Auch die Gothaische Kunstkammer rühmt
sich, drey irrdene Gefässe, und eine große Schaale
von schwarz und weißem Email, von ihm, letztere
auf Kupfer gemalt, zu besitzen, welche — Herr-
lichkeit vollends IO/00O. Lhaler gekostet haben soll.
S. Magaz. d. Sach 5 Gesch. III. 548. und
Galetti Gesch. d. Herzogrh. Gocha II. 263.
In Düsseldorf befanden sich einst, und befinden
sich jetzt ebenfalls zu München:
i. Eine H. Familie, noch in des Künstlers er-
ster Manier (4^5" hoch, 3/ 7" br.). „Eine
frühe Blume schöner Einbildung"! (sagt Hein-
se 372). „Daß es eins von Raphaels ersten
Bildern sey, mehr von Phantasie und Gefühl als
von Erfindung entsprungen, zeigt das noch unsi-
chere Licht und Schattenspiel; Häßlichkeit in den
Farben; der überaus große Fleiß in der Auspin-
selung von Nebendingen; wie z. B. einiger Baume
rrnd Hütten, die für ihre Entfernung weit zu
scharfe Ecken haben, u. dgl. Doch ist dies unend^
sich kleiner Mangel gegen die hohen Schönheiten
Les Uebrigen. Eine reizend geordnete Grnppe in
Ländliches Gegend, an der Hütte der Maria, an
ihrem Gärtchen vielleicht; Zusammenseyn derselben
und der alten Elisabeth mit dem kleinen Christ
und Johannes, nebst dem Pflegevater Joseph. Der
Kopf dieses letztem ist der eines gütigen, verstän-
digen Mannes, noch feucrvoll im beginnenden Al-
ter. Sein und Elisabeths Blick ist auf die beyden
Klemen gerichtet. Maria hält ein Buch in der
Linken, den Zeigefinger ihrer zarter Hand dazwi-
schen gelegt. Aus ihrem Gesichte leuchtet ein wahr-
haftig süßes Herz und ein himmlischer Geist her-
vor; ihr zärtliches Anschan'n der Kruder aus den
braunen, heitern und doch halb geschlossenen Au-
gen macht sie glücklich; sie ist so heilig, und wie
in einem Traum, aber doch dabey ein so junges
herzstehlendes Mädchen, daß sie nicht recht auf
dieser Welt wachen zu dürfen scheint. Die beyden
nackenden Kinder haben einen Ausdruck, unglaub-
lich für den, der sie nicht sicht. Der kleinere
Jesus hat eine Art von schwellendem Band in den
Händen, worauf angedeutet ist: Siehe, ich bin
der, der da kommen soll; und er blickt und sagt
dies mit seinem gottheitsvollen, gnadenreichen und
sich zur Trauer neigenden Gesichtgen: Und der et-
was größere Johannes hat's gelesen, und sieht
ihm, wie mit verwunderndem Entzücken, in die
Augen; und doch wieder so in aller Kindheit, daß
die Mutter Gottes selbst darüber ihr hehres Ge-
sicht ein wenig zum Lächeln bewegen muß: Das
erfreuendste Kinderspiel auf der einen Seite, und
lauter Ahnung Blüthe in der Knospe der Zukunft
auf der andern. Johannes hat ein braungelbes
Krausköpfgen, und Jesus die ersten blonden Här-
chen. Maria ist gekleidet so schön und doch so sitt-
sam; ihr blondes Haar ist bloß mtt einem rothen
Band gleich über dem ersten Haarsaum von der
Stirn an zusammengehalten; um den Nacken wird
ein äußerst dünner Schleyer von Nesseltuch kaum
sichtbar. Oben an ihrem Brustlätzchcn steht des
Künstlers Namen. Alle Figuren haben feine goldne
Heiligenscheine. Die Zeichnung ist, nach dem Ur-
theilc bewährter Kenner, vortrefflich, und die Ge-
wänder sind schön gefaltet, dagegen die Umrisse
trocken, und die Ausarbeitung, wie schon gesagt,
hart". Sechszehn Jahre späther urtheilte der
nüchternere, und doch dabey so gefühlvolle G.
Forster 373) von eben diesem Bilde wesentlich,
wie folgt: „Das ist eine steife Gruppe! Von Jo-
sephs Kopf herab, längs dem Rücken der Elisabeth
und der Schulter der Madonna ist es ein wahr-
haftes Dreyeck. Die Farben sind hart und grell,
und des trockenen Pinsels wegen scheinen manche
Umrisse eckig; von Licht und Schatten ist kaum
eine Spur. Das nackte Christkind ist von Gesicht
etwas häßlich, und Elisabeth ein wenig gar zu alt.
Die Landschaft ist hell und bestimmt, aber auch
so trocken und hart, wie die Figuren. Dann aber,
jene Ängstlichkeit der Pyramide abgerechnet, stellt
dieses Bild die traulichste Vereinigung dar, die
sich in einer Familie denken laßt. Elisabeth und
Maria sitzen bcyde auf der Erde, und haben ihre
Kinder zwischen sich; Johannes sitzt der Mutter
im Schooß , und ist ein niedlicher Bube; der kleine
häßliche, übrigens richtig gezeichnete Bambino rei-
tet der Madonna auf dem Knie. Die holde Mut-
ter betrachtet ihr Kind mit einem Blick voll himm-
lischer Anmuth; ihr Kopf neigt sich sanft vor,
über ihr, und auf ihrer Stirne thront jungfräuli-
368) 1. c. Nr. H72.
369) Von allen diesen Bildern kennen wir keine Stiche, es müßte denn von der Kreuzabnahme seyn, dergleichen
sich so viele bey Heinecke (ll. 598—402.) und Winkler (Nr. 3641—50.) befinden, wovon aber keine voll-
ständig mit der unsrigen übereinstimmt.
Wohl der einzige Heinecke U. Vorrede S. XI. nennt (einem Urthekl von Winkelmann entgegen) das
^"Christkind in diesem Bilde ein gemeines Kind, „welches noch dazu, als es Raphael gezeichnet, verdrießlich
gewesen"; und die beyden Engel „so beschaffen, daß sie unmöglich von ihm seyn können, sondern von einem
seiner Schüler h.'ngemalt worden". Indessen hielt auch Winkelmann dafür, das Bild sey nicht gerade
von des Künstlers schönster Manier.
37») Heinecke 1. c. sagt von diesem Bild: Es rühre von Modena her, und beweise, daß Raphael zu seiner
Zeit eben so fein, mit allen kleinern Schönheiten, als Netscher, Dow und van der Werf gemalt, aber ganz
tanders gezeichnet habe. Ob dasselbe jemals gestochen worden, ist uns unbekannt. Ob es etwa eines von
den beyden bei- Winkler Nr. Z826. und 29. angeführten sey; das eine (schöne) von L. Vorstermanu,
das andere von einem unbekannten deutschen Meister, mit beygefügter Erklärung in deutschen Versen?
372) Briefe zwischen Gleim, W. Heinse und Joh. von Müller l. 271. u. ff. Wir geben nämlich das
Substanzlicke von Heinse sehr geschwätzigen und in schwankender Sprache gefälltem Urtheile, in einem
Schreiben desselben von 1774.
373) Ansichten vom Niederrhein S. 220. u. ff.
lebensgroße Figur, auf Holz (5^ 8" 6/" hoch,
4/ 2," 3^ breit) 368).
Diese beyden letztgenannten Bilder scheinen wohl
die wichtigsten aus der Sammlung zu seyn 369).
Auch der (alte) Katalog von Schleisheim nennt
von unserm Künstler:
Nr. 621. Eine Madonna, die das Kind auf
dem Schovße halt, 7/4" hoch, 7" breit, und,
wie es scheint, von keiner besondern Bedeutung.
Dagegen besitzt die Gallerie zu Dresden zwar
nur zwey Raphaelr'sche Bilder; aber unter diesen,
in der weltberühmten Madonna mit dem Kind in
der Glorie, St. Sixt und St. Barbara, das weit
Vorzüglichste in Deutschland, das wir schon an sei-
nem Ort beschrieben, und dort bereits bemerkt ha-
ben, daß sich, bis ans unsere jüngsten Tage, kein
Stecher an dasselbe hat wagen dürfen 370). Dann,
neben diesem:
Einen St. Georg zu Pferd, der den Drachen
erlegt hat; die Lanze ist ihm zerbrochen. Zu sei-
nen Füßen liegt ein Mädchen (wahrscheinlich die
Lydische Prinzessin Ckeodolinde) auf den Knieen,
nut gefalteten Händen. Auf Tuch gemalt (7, 4"
hoch, 4" breit) 371).
Zu dem mehr als Äpokryphischen in Dresden
hingegen gehört die in dem dortigen Japanischen
Pallaste berufene Raphaelische Töpferarbeit oder
sogenannte in Gelb und Blau schön gemalte Fay-
ence; und besonders zwey große Vasen, welche Kö-
nig August,11. mit 600. Dukaten bezahlt haben
soll. Auch die Gothaische Kunstkammer rühmt
sich, drey irrdene Gefässe, und eine große Schaale
von schwarz und weißem Email, von ihm, letztere
auf Kupfer gemalt, zu besitzen, welche — Herr-
lichkeit vollends IO/00O. Lhaler gekostet haben soll.
S. Magaz. d. Sach 5 Gesch. III. 548. und
Galetti Gesch. d. Herzogrh. Gocha II. 263.
In Düsseldorf befanden sich einst, und befinden
sich jetzt ebenfalls zu München:
i. Eine H. Familie, noch in des Künstlers er-
ster Manier (4^5" hoch, 3/ 7" br.). „Eine
frühe Blume schöner Einbildung"! (sagt Hein-
se 372). „Daß es eins von Raphaels ersten
Bildern sey, mehr von Phantasie und Gefühl als
von Erfindung entsprungen, zeigt das noch unsi-
chere Licht und Schattenspiel; Häßlichkeit in den
Farben; der überaus große Fleiß in der Auspin-
selung von Nebendingen; wie z. B. einiger Baume
rrnd Hütten, die für ihre Entfernung weit zu
scharfe Ecken haben, u. dgl. Doch ist dies unend^
sich kleiner Mangel gegen die hohen Schönheiten
Les Uebrigen. Eine reizend geordnete Grnppe in
Ländliches Gegend, an der Hütte der Maria, an
ihrem Gärtchen vielleicht; Zusammenseyn derselben
und der alten Elisabeth mit dem kleinen Christ
und Johannes, nebst dem Pflegevater Joseph. Der
Kopf dieses letztem ist der eines gütigen, verstän-
digen Mannes, noch feucrvoll im beginnenden Al-
ter. Sein und Elisabeths Blick ist auf die beyden
Klemen gerichtet. Maria hält ein Buch in der
Linken, den Zeigefinger ihrer zarter Hand dazwi-
schen gelegt. Aus ihrem Gesichte leuchtet ein wahr-
haftig süßes Herz und ein himmlischer Geist her-
vor; ihr zärtliches Anschan'n der Kruder aus den
braunen, heitern und doch halb geschlossenen Au-
gen macht sie glücklich; sie ist so heilig, und wie
in einem Traum, aber doch dabey ein so junges
herzstehlendes Mädchen, daß sie nicht recht auf
dieser Welt wachen zu dürfen scheint. Die beyden
nackenden Kinder haben einen Ausdruck, unglaub-
lich für den, der sie nicht sicht. Der kleinere
Jesus hat eine Art von schwellendem Band in den
Händen, worauf angedeutet ist: Siehe, ich bin
der, der da kommen soll; und er blickt und sagt
dies mit seinem gottheitsvollen, gnadenreichen und
sich zur Trauer neigenden Gesichtgen: Und der et-
was größere Johannes hat's gelesen, und sieht
ihm, wie mit verwunderndem Entzücken, in die
Augen; und doch wieder so in aller Kindheit, daß
die Mutter Gottes selbst darüber ihr hehres Ge-
sicht ein wenig zum Lächeln bewegen muß: Das
erfreuendste Kinderspiel auf der einen Seite, und
lauter Ahnung Blüthe in der Knospe der Zukunft
auf der andern. Johannes hat ein braungelbes
Krausköpfgen, und Jesus die ersten blonden Här-
chen. Maria ist gekleidet so schön und doch so sitt-
sam; ihr blondes Haar ist bloß mtt einem rothen
Band gleich über dem ersten Haarsaum von der
Stirn an zusammengehalten; um den Nacken wird
ein äußerst dünner Schleyer von Nesseltuch kaum
sichtbar. Oben an ihrem Brustlätzchcn steht des
Künstlers Namen. Alle Figuren haben feine goldne
Heiligenscheine. Die Zeichnung ist, nach dem Ur-
theilc bewährter Kenner, vortrefflich, und die Ge-
wänder sind schön gefaltet, dagegen die Umrisse
trocken, und die Ausarbeitung, wie schon gesagt,
hart". Sechszehn Jahre späther urtheilte der
nüchternere, und doch dabey so gefühlvolle G.
Forster 373) von eben diesem Bilde wesentlich,
wie folgt: „Das ist eine steife Gruppe! Von Jo-
sephs Kopf herab, längs dem Rücken der Elisabeth
und der Schulter der Madonna ist es ein wahr-
haftes Dreyeck. Die Farben sind hart und grell,
und des trockenen Pinsels wegen scheinen manche
Umrisse eckig; von Licht und Schatten ist kaum
eine Spur. Das nackte Christkind ist von Gesicht
etwas häßlich, und Elisabeth ein wenig gar zu alt.
Die Landschaft ist hell und bestimmt, aber auch
so trocken und hart, wie die Figuren. Dann aber,
jene Ängstlichkeit der Pyramide abgerechnet, stellt
dieses Bild die traulichste Vereinigung dar, die
sich in einer Familie denken laßt. Elisabeth und
Maria sitzen bcyde auf der Erde, und haben ihre
Kinder zwischen sich; Johannes sitzt der Mutter
im Schooß , und ist ein niedlicher Bube; der kleine
häßliche, übrigens richtig gezeichnete Bambino rei-
tet der Madonna auf dem Knie. Die holde Mut-
ter betrachtet ihr Kind mit einem Blick voll himm-
lischer Anmuth; ihr Kopf neigt sich sanft vor,
über ihr, und auf ihrer Stirne thront jungfräuli-
368) 1. c. Nr. H72.
369) Von allen diesen Bildern kennen wir keine Stiche, es müßte denn von der Kreuzabnahme seyn, dergleichen
sich so viele bey Heinecke (ll. 598—402.) und Winkler (Nr. 3641—50.) befinden, wovon aber keine voll-
ständig mit der unsrigen übereinstimmt.
Wohl der einzige Heinecke U. Vorrede S. XI. nennt (einem Urthekl von Winkelmann entgegen) das
^"Christkind in diesem Bilde ein gemeines Kind, „welches noch dazu, als es Raphael gezeichnet, verdrießlich
gewesen"; und die beyden Engel „so beschaffen, daß sie unmöglich von ihm seyn können, sondern von einem
seiner Schüler h.'ngemalt worden". Indessen hielt auch Winkelmann dafür, das Bild sey nicht gerade
von des Künstlers schönster Manier.
37») Heinecke 1. c. sagt von diesem Bild: Es rühre von Modena her, und beweise, daß Raphael zu seiner
Zeit eben so fein, mit allen kleinern Schönheiten, als Netscher, Dow und van der Werf gemalt, aber ganz
tanders gezeichnet habe. Ob dasselbe jemals gestochen worden, ist uns unbekannt. Ob es etwa eines von
den beyden bei- Winkler Nr. Z826. und 29. angeführten sey; das eine (schöne) von L. Vorstermanu,
das andere von einem unbekannten deutschen Meister, mit beygefügter Erklärung in deutschen Versen?
372) Briefe zwischen Gleim, W. Heinse und Joh. von Müller l. 271. u. ff. Wir geben nämlich das
Substanzlicke von Heinse sehr geschwätzigen und in schwankender Sprache gefälltem Urtheile, in einem
Schreiben desselben von 1774.
373) Ansichten vom Niederrhein S. 220. u. ff.