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Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern [Hrsg.]; Württembergischer Altertumsverein [Hrsg.]; Württembergischer Anthropologischer Verein [Hrsg.]; Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein [Hrsg.]
Fundberichte aus Schwaben — 16.1908

DOI Heft:
Alamannisch-Fränkische Zeit
DOI Artikel:
Goessler, Peter: Alamannische Grabfunde aus Obereßlingen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43786#0107
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der dann mittelst eines Kettchens an den Gürtel gehängt zu denken ist.
Die Scheibe, die im Ausschnitt einen Danzenreiter darstellt, ist,
so wie sie ist, gegossen, nicht nachträglich ausgestanzt. Das beweist
schon die Tatsache, daß alle von der Darstellung auslaufenden Dinien
außer den Ohren des Pferdes, nämlich der Kopf des Reiters und der
des Pferdes, die das Ganze durchquerende Ranze, der Schwanz und die
Fuße des Pferdes in den Rand der Scheibe endigen. Aber nach dem
Guß ist sie nachziseliert und graviert worden. Fast die ganze Fläche
ist auf beiden Seiten mit eingeschlagenen Dreieckchen, an manchen
Stellen mit Kreisen bedeckt. Das linke Bein des Reiters, der die Beine
wie zum Galopp vorstreckt, ist im ganzen Umfang durch Gravierung
hervorgehoben, das rechte aber ist leicht erhaben über dem Pferdeleib
■gegossen. Der Kopf des Pferdes verlängert sich rüsselartig, um das
freie Findigen im leeren Raum zu vermeiden, ebenso der Kopf des
Reiters, der helmartig aussieht. Mit großer Gewandtheit ist an der
schwierigsten Stelle das Problem gelöst, in den unteren Raum den
Vierfüßer so hinein zu gruppieren, daß weder eine .Extremität in der
Duft steht, noch die Darstellung die natürliche Stellung und Haltung
von Mensch und Tier verliert. Die 4 Beine sind nämlich auf eine quer
herübergehende Sehne gestellt, die sich in der Ränge von 4x/2 cm und
in der Breite des äußeren Randstreifens gerade herüberspannt. Das
ist eine Dösung, wie sie der Medailleurkunst, die ja gleichfalls mit dem
Problem der Komposition ins Rund ringt, nicht immer so elegant ge-
lungen ist. Auf diese Weise entsteht die Teilung des Runds in das
„Bildfeld“ und den „Abschnitt“. Aber auch die Darstellung selbst
■entbehrt bei aller Primitivität der Gußtechnik, die nur allgemein linear
■gehaltene Konturen und Flachrelief anwendet, nicht eines gewissen
flotten Ausdrucks, besonders in der Bewegung des Tieres, dem Sitz
des Reiters und der mächtig durchgezogenen Danze. Eine sehr ver-
wandte Replik findet sich im Karlsruher Museum (aus Bräunlingen;
■s. Wagner Fundstätten und Funde in Baden I. S. 91, Fig. 61). Weniger
frei in der Bewegung ist eine Replik im Schweizerischen Dandesmuseum
in Zürich (aus Oberglatt; s. Mitt. d. Antiquar. Ges. in Zürich XVIII,
Taf. III, 2). — Dieses mehrfache Vorkommen weist uns darauf hin, daß
solche Sachen Gegenstand des Handels waren, also in der Regel nicht am
Fundort gefertigt sein können. Es handelt sich aber bei unserer Scheibe
nicht um fabrikmäßige Herstellung, sondern um eine einigermaßen
individuelle Arbeit, wie ja auch schon die Wahl des Gegenstandes im
Bildfeld im Gegensatz zu den später beliebten geknickten Speichen be-
weist. Die Stuttgarter Altertumssammlung besitzt unter ihren Reihen-
gräberfunden aus Heidenheim eine durchbrochene Zierscheibe, die
in viel roherem Ausschnitt einen Reiter mit halbmondförmig erhobenen
Armen darstellt; hier ist die Darstellung aus der dünnen Scheibe aus-
gestanzt und die Verbindung der Extremitäten mit der Einfassung
ist sehr ungewandt hergestellt. Die Obereßlinger Scheibe ist viel freier
und reifer aufgefaßt; zusammen mit der Kette, die ihre Parallele in
einem Stück vom fränkischen Grabfeld bei Pfahlheim OA. Ellwangen
hat, weist sie bereits ins 7. J ahrhundert hinein. — Zu der Scheibe
 
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