50 III. Inkunabeln-Saal.
reich an altkorinthischen bemalten Vasen. — Die Statue
(1,53 hoch, Gesichtslänge 0,142), besteht aus gross-
körnigem parischem Marmor der nicht ganz weissen,
sondern leicht bläulichen Qualität; Arm und Beine -waren
in mehrere Stücke gebrochen; doch ist nur der mittlere
Teil des rechten Armes ergänzt. Es fehlt die Spitze
des Gliedes. Der Kopf, der durch ein übergestülptes
Tongefäss geschützt war, ist ganz frisch erhalten. Das
knappe Plinthenstück, das beide Füsse verbindet, ist
antik und ist jetzt in eine moderne Basis eingelassen;
die antike Plinthe ist rauh und uneben gearbeitet.
Die Statue ist bei weitem das schönste erhaltene
Exemplar einer in neuerer Zeit nicht mehr seltenen
Gattung von altertümlichen griechischen Steinskulpturen,
die am Anfange der Entwicklung der monumentalen
Plastik in Griechenland stehen. Sie stellen alle eine
völlig unbekleidete Jünglingsgestalt dar, deren Schema
einfach von der ägyptischen Kunst entlehnt ist. Die
regen Beziehungen, welche im siebenten Jahrhundert
zwischen den Ioniern und Ägypten bestanden, führten
naturgemäss dazu, dass die damaligen ersten Versuche
monumentaler Statuen bei den Griechen ägyptische Vor-
bilder benutzten. Ägyptisch ist an dem Typus jener
Jünglingsgestalten vor allem die Stellung mit dem vor-
gesetzten linken Fusse* und die gesenkte Haltung der
Arme mit der Faust, wo der Daumen von vorne zu
sehen ist. Unägyptisch aber ist die völlige Nacktheit.
Sie entsprang der damaligen griechischen Sitte, die ath-
letischen Übungen ganz nackt auszuführen und zwar
auch bei den grossen Wettspielen an den öffentlichen
Festen (wo die völlige Nacktheit seit 720 v. Chr. ein-
geführt ward).** Da nun aber die kraftvollen männlichen
Gottheiten und Heroen natürlich nach dem athletischen
Ideale gebildet wurden, so ward auch für sie die Nackt-
heit eingeführt. Unsere auf einem Grabe gefundene
Statue stellt den Verstorbenen wie einen Athleten oder
athletischen Heros nackt dar. Es versteht sich, dass
* Vgl. dazu die Bemerkungen Pottier's, Melanges Boissier
S. 411.
** Vgl. auch Poulsen im Arch. Jahrb. 1906 S. 205.
reich an altkorinthischen bemalten Vasen. — Die Statue
(1,53 hoch, Gesichtslänge 0,142), besteht aus gross-
körnigem parischem Marmor der nicht ganz weissen,
sondern leicht bläulichen Qualität; Arm und Beine -waren
in mehrere Stücke gebrochen; doch ist nur der mittlere
Teil des rechten Armes ergänzt. Es fehlt die Spitze
des Gliedes. Der Kopf, der durch ein übergestülptes
Tongefäss geschützt war, ist ganz frisch erhalten. Das
knappe Plinthenstück, das beide Füsse verbindet, ist
antik und ist jetzt in eine moderne Basis eingelassen;
die antike Plinthe ist rauh und uneben gearbeitet.
Die Statue ist bei weitem das schönste erhaltene
Exemplar einer in neuerer Zeit nicht mehr seltenen
Gattung von altertümlichen griechischen Steinskulpturen,
die am Anfange der Entwicklung der monumentalen
Plastik in Griechenland stehen. Sie stellen alle eine
völlig unbekleidete Jünglingsgestalt dar, deren Schema
einfach von der ägyptischen Kunst entlehnt ist. Die
regen Beziehungen, welche im siebenten Jahrhundert
zwischen den Ioniern und Ägypten bestanden, führten
naturgemäss dazu, dass die damaligen ersten Versuche
monumentaler Statuen bei den Griechen ägyptische Vor-
bilder benutzten. Ägyptisch ist an dem Typus jener
Jünglingsgestalten vor allem die Stellung mit dem vor-
gesetzten linken Fusse* und die gesenkte Haltung der
Arme mit der Faust, wo der Daumen von vorne zu
sehen ist. Unägyptisch aber ist die völlige Nacktheit.
Sie entsprang der damaligen griechischen Sitte, die ath-
letischen Übungen ganz nackt auszuführen und zwar
auch bei den grossen Wettspielen an den öffentlichen
Festen (wo die völlige Nacktheit seit 720 v. Chr. ein-
geführt ward).** Da nun aber die kraftvollen männlichen
Gottheiten und Heroen natürlich nach dem athletischen
Ideale gebildet wurden, so ward auch für sie die Nackt-
heit eingeführt. Unsere auf einem Grabe gefundene
Statue stellt den Verstorbenen wie einen Athleten oder
athletischen Heros nackt dar. Es versteht sich, dass
* Vgl. dazu die Bemerkungen Pottier's, Melanges Boissier
S. 411.
** Vgl. auch Poulsen im Arch. Jahrb. 1906 S. 205.