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Furtwängler, Adolf ; Reichhold, Karl; Huber, Alois
Griechische Vasenmalerei: Auswahl hervorragender Vasenbilder aus dem gleichnamigen großen Werke (Text) — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.838#0015
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Griechische Vasenmalerei, Auswahl. Tafel III, Amphora des Exekias

Wir kennen das Spiel in seinen Einzelheiten nicht, wohl aber kennen wir die hübsche Geschichte,
nach der Palamedes, der kluge Berater der Griechen in allen Nöten, das Brettspiel in Aulis erfunden
haben soll, um die Langeweile des Heeres während des Wartens auf günstigen Fahrwind zu vertreiben.
Die von Exekias wiedergegebene Szene ist, wie Vergleiche mit anderen ausführlicheren Darstellungen
des nämlichen Gegenstandes nahelegen (vgl. Abb. 5), einer umfangreicheren, vielleicht auch dichterisch
behandelten Geschichte entnommen, die erzählte, daß sich Aias und Achill mit solcher Leidenschaft
dem neuerfundenen Zeitvertreib hingaben, daß sie darüber alles andere vergaßen, ja daß sie einmal
auf Vorposten noch weiterspiclten, als schon die Troer ins Lager eingedrungen waren, bis Athena
schließlich die beiden auseinandertrieb.

Auf Vorposten, „im Dienste" dachte sich auch Exekias die beiden Helden, sonst hätte er sie wohl
nicht in voller Waffenrüstung dargestellt, ja sie sogar die Lanzen beim Spiel in der Hand behalten
lassen. Vom Kopf bis zum Fuß sind die beiden in Erz gehüllt. Neben Helm und Schild tragen sie
reichverzierte Metallschienen am Oberarm, an den Schenkeln und an den Schienbeinen, dazu um die
Brust einen Panzer, den wir uns nach der Fältelung am unteren Ende im Gegensatz zum Amphiaraos-
Panzer aus Leder denken müssen. So lebten also damals in der Phantasie der Griechen die homeri-
schen Helden fort, womit noch lange nicht gesagt ist, daß sie wirklich so ausgesehen haben; so trugen
sich, wie eher anzunehmen ist, die attischen Adeligen jüngstvergangener Zeiten. Aus der Rüstkammer
eines Athener Patriziers hat sich wohl auch Exekias die Modelle für seine Zeichnung geholt.
Eine Musterleistung liebevollster Kleinarbeit sind neben der sorgfältigen Zeichnung der Haare die
beiden reichverzierten Übermäntel, welche die Spieler Über dem Lederkoller tragen. Mit nicht
erlahmender Geduld ist Sternchen um Sternchen und Linie um Linie des überreichen Stickereimusters
mit dem Stift in das Schwarz des Firnisses eingeritzt. Reichen bildnerischen und plastischen Schmuck
zeigen auch die beiden von den Spielern abgelegten Schilde, die sich mit ihren seitlichen Ausbuch-
tungen gegenüber den attischen Rundschilden als „böotische" kennzeichnen. Des Aias Schild trägt
als Zeichen den „Phobos" (d. i. „Furchterreger"), ein ins Männliche übersetztes Gorgonenhaupt,
während der des Achilleus mit einem teilweise plastisch hervortretenden Silenkopf, mit Schlange und
Panther verziert ist. Exekias kümmert sich also nicht im mindesten um die ausführliche Beschreibung
des berühmten, von Hephaistos gefertigten Schildes des Achilleus in der Ilias, obwohl er sie sicherlich
kennt, er zeichnet vielmehr auch diesen nach einem wirklich geschauten Modell.
In strengster Symmetrie ist die von uns im einzelnen betrachtete Spielergruppe in ihrer Gesamtheit
aufgebaut, und zwar so, daß sich das Hauptgewicht auf die Mitte vereinigt, während die Seitenteile
und die obere Hälfte des Bildfeldes, die für den Beschauer durch ihre Wölbung starke Verzerrungen
bedingen, ziemlich entlastet oder nur mit nebensächlichen Dingen angefüllt sind1). So ist es möglich,
daß das auch in seiner Farbengebung ruhig und abgeklärt wirkende Bild — Weiß und Rot als Deck-
farben sind nur mehr spärlich verwendet — -, das in erster Linie als Verzierung der Amphora zu
dienen hat und sich als Teil diesem Gesamtzweck einfügen muß, doch auch ganz bedeutsame Eigen-
werte besitzt.

Rund ein halbes Jahrhundert künstlerischen Schaffens liegt zwischen dem Amphiaraos-Krater und der
Exekias-Amphora (Hauser setzt sie etwa ins Jahr 525). Erst wenn wir die beiden Gefäße neben-
einander betrachten, erkennen wir, welch bedeutender Fortschritt sich sowohl im rein technischen
Können wie in der künstlerischen Gesamtentwicklung bei den griechischen Vasenmalern in dieser
verhältnismäßig kurzen Zeit vollzogen hat, und wir werden der griechischen Kunst des 6. Jahrhunderts,
die solches vollbrachte, unsere Bewunderung nicht versagen können.

') Weit weniger günstig wirkt in dieser Beziehung das in seiner Komposita
(vgl. Abb 4.).

usdnunderstrebeiide Bild der Rückseite

Vasenmalerei, Aaswahl
 
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