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GANYMED

mag die Entdeckung ihrer Inkarnation durch andere verzögern.
Weiter läßt sich nichts dafür noch dagegen sagen.
*
Der gewaltige Sturm, der über uns hinwegfegt, kann diese Ein-
sicht nicht erschüttern, wenn überhaupt die Inkarnation weiter
gelten bleibt. Und dies ist wichtiger als jede Stellung der Personen
zu den Problemen des Tages. Wenn die Biographie eines heute
lebenden Künstlers sich einst mit seiner Politik befaßt, wird man
getrost annehmen, daß ihm die Hauptsache fehlte. — Über die
Stellung der Künstler zum früheren Begime hat mancher Ältere
gelegentlich kräftige Worte gesagt. Feuerbach verlor jede Pose,
wenn er darauf kam, Marees wurde herzhaft. Gewiß, der alte
Menzel ließ sich mit Orden behängen, behielt aber seine Grobheit,
und wenn er dem jungen Menzel nachsteht, liegt es nicht an der
Exzellenz, mit der man ihn schmückte. Die Auszeichnungen waren
Folgen, nicht Ursache.
In meiner Jugend redete man schon lange nicht mehr von solchen
Dingen. Przybyczewski verulkte an einem lustigen Abend John
Henry Mackay, den Anarchisten, mit einer Lobrede auf Wilhelm II.,
auf die zum Gaudium aller Tischgenossen der Anarchist herein-
fiel. Ich glaube, dies ist das einzige Mal, daß der Name erwähnt
wurde. Man sprach von Flauhert und Dostojewski, von Toulouse
Lautrec. Die Versuche, aus dem Weimar des lebenden Großherzogs
ein Idyll ä la Goethe zu machen, das Experiment des Großherzogs
in Darmstadt — in Darmathen, wie einer schrieb — galten als gute
Witze. Man lachte kaum noch über das Analphabetentum der
hohen Herrschaften. Dies alles war im Grunde recht gleichgültig,
die Politik eine geschäftliche Angelegenheit, die irgendwo fa-
briziert wurde. Der Bourgeois verstand ebensowenig vom Regieren
wie von Bildern und Gedichten. Hätte einer etwas darüber gesagt,
wäre er wie ein Mondkalb angeglotzt worden. Man ärgerte sich,
 
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