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GANYMED

Dann brach der Krieg aus. Wo er herkam, manchem von uns
schwante etwas. Die Uniform, der Lodenmantel, die Grobheit.
Gleichviel, er war da. Schließlich, so schlimm waren die Dinge,
die wir uns vorwerfen konnten, nicht, dafür hatten wir sie zu lange.
Man dachte nicht daran, nur an eins: mittun! Nicht etwa, um
irgendeine Zahl zu vergrößern. Es gab ein Mittel, mitzutun, in
eine Gemeinschaft mit andern zu kommen, aus dem Glashaus
heraus, von den abstrakten Geschichten fort ins Leben, zu den
Mitmenschen. Wenn man ganz still saß, hörte man das dumpfe
Rattern der Züge, die den nahen Bahnhof passierten, das Rufen
der Soldaten. Es ging tagaus, tagein, die Nächte durch. Man lag
und lauschte. Die Laute tanzten im Zimmer herum. Da trocknete
die Feder, der Pinsel sank. Mittun! Wir Alten hatten einmal das
Glück, in Reih' und Glied zu kommen. Wir Jungen konnten aus
dem Anschluß an den Nächsten fehlenden Inhalt gewinnen. Mit-'
tun! Oh das ein gerechter, ein ungerechter Krieg war, ein blöd-
sinniger Krieg, der dümmste aller Kriege — er brachte uns etwas,
was wir nie gefühlt hatten. Außer dem „Wir", das man dichtend
hinschrieb, als Pluraüs majestatis in den Wolken, existierte ein
wirkliches „Wir", Brüder, mit denen man gehen konnte. Hallo!
Überdies gab es draußen Arbeit, Not, Leiden.— Helfen!—Ein biß-
chen Abenteurerlust war dabei, ein bißchen Romantik, ein bißchen
Verrücktheit. Leuten, die jahrelang in einem luftleeren Raum ge-
sessen hatten, soll man's nicht nachrechnen.
Tat man es Wilhelm II. zuliebe? Dumme Frage! Der blieb
ebenso draußen wie vorher. Wohl aber ßel einem plötzlich ein,
daß man einen Kaiser hatte. Nicht einen Wilhelm II., sondern
eine Krone. Spintisierer im luftleeren Kasten machen solche Unter-
schiede. Man erzählt von Bismarck, er habe nach seiner Abschieds-
konferenz mit dem Kaiser, in der er ihm unter vier Augen alles,
was er auf dem Herzen hatte, auf gut Deutsch gesagt haben soll,

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