GANYMED
die Schwäche der Epigonen den Satz offen gelassen hatte. Der
Nachfolger Raffaels, der Venezianer und des Rubens fügte der
Kraft dieser Unsterblichen die Erfindung neuzeitigen Geistes
hinzu, vergeistigte ihre dämonische Intuition mit der Eroberung
der Gesetze des Lichts und der Farbenlehre, objektivierte den
Dämon, indem er das Barock zur vollendeten Sprache ausbaute,
und behielt den Dämon, blieb Visionär. Unbegrenzt wie seine
Stoffwelt, die alle, Auge und Geist zugängliche Erscheinung
umfaßte, war sein Handwerk. Er hat Staffeleibilder aller Arten,
Dekorationen in Kirchen und Palästen, Öl, Tempera, Fresco ge-
malt. Als er auf der Höhe war, konnte man von ihm sagen, er
habe die in Jahrhunderten verbrauchte Form neu entzündet,
leuchtender als sie je gewesen war.
Dazu gehörte der Universalismus Delacroix', ein Unikum in der
Geschichte Frankreichs, in der Weltgeschichte nur mit dem Kom-
plex Goethe vergleichbar, an Selbstzucht und Umsicht ihm gleich,
an Nerv und Sinn Goethe vielleicht überlegen. In der Kunst hat
der Adlerflug unseres Marees, sein treuester Verwandter, den-
selben Kreis getroffen, und es ist nicht seine Schuld, wenn er
sich aus einem den Adlern feindlichen Gelände erhob und sein
Nest in Ruinen der Fremde improvisieren mußte.
Delacroix' Malerei wurde nach einer zu langen Pause in Frank-
reich bis zu einem gewissen Grade fortgesetzt, nie sein Univer-
salismus. Der Vater der modernen Malerei wurde nicht er, son-
dern ein Maler, Spezialist einer besonderen Klasse, ein gewaltiger
Maler, Artist von seltenster Geschicklichkeit, ein winziger Geist.
Gourbet schied die unteilbare Welt der Erscheinung in Phanta-
sie und Natur und erklärte das nicht mit dem Auge Wahrnehm-
bare und handlich Greifbare für unzulässig. Von dieser willkür-
lichen Teilung hat sich die Kunst nicht wieder erholt. Sofort
entstand ein falscher Begriff, den Courbet Wahrheit nannte, weil
die Schwäche der Epigonen den Satz offen gelassen hatte. Der
Nachfolger Raffaels, der Venezianer und des Rubens fügte der
Kraft dieser Unsterblichen die Erfindung neuzeitigen Geistes
hinzu, vergeistigte ihre dämonische Intuition mit der Eroberung
der Gesetze des Lichts und der Farbenlehre, objektivierte den
Dämon, indem er das Barock zur vollendeten Sprache ausbaute,
und behielt den Dämon, blieb Visionär. Unbegrenzt wie seine
Stoffwelt, die alle, Auge und Geist zugängliche Erscheinung
umfaßte, war sein Handwerk. Er hat Staffeleibilder aller Arten,
Dekorationen in Kirchen und Palästen, Öl, Tempera, Fresco ge-
malt. Als er auf der Höhe war, konnte man von ihm sagen, er
habe die in Jahrhunderten verbrauchte Form neu entzündet,
leuchtender als sie je gewesen war.
Dazu gehörte der Universalismus Delacroix', ein Unikum in der
Geschichte Frankreichs, in der Weltgeschichte nur mit dem Kom-
plex Goethe vergleichbar, an Selbstzucht und Umsicht ihm gleich,
an Nerv und Sinn Goethe vielleicht überlegen. In der Kunst hat
der Adlerflug unseres Marees, sein treuester Verwandter, den-
selben Kreis getroffen, und es ist nicht seine Schuld, wenn er
sich aus einem den Adlern feindlichen Gelände erhob und sein
Nest in Ruinen der Fremde improvisieren mußte.
Delacroix' Malerei wurde nach einer zu langen Pause in Frank-
reich bis zu einem gewissen Grade fortgesetzt, nie sein Univer-
salismus. Der Vater der modernen Malerei wurde nicht er, son-
dern ein Maler, Spezialist einer besonderen Klasse, ein gewaltiger
Maler, Artist von seltenster Geschicklichkeit, ein winziger Geist.
Gourbet schied die unteilbare Welt der Erscheinung in Phanta-
sie und Natur und erklärte das nicht mit dem Auge Wahrnehm-
bare und handlich Greifbare für unzulässig. Von dieser willkür-
lichen Teilung hat sich die Kunst nicht wieder erholt. Sofort
entstand ein falscher Begriff, den Courbet Wahrheit nannte, weil