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Die Gartenkunst — 9.1907

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Engelhardt, Walter von: Die Sondergärten des Prof. P. Schultze-Naumburg und des Prof. P. Behrens
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0230
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224

DIE GARTENKUNST

IX, 11

weifs gewesen sein mag, von dem Tauwerk dicker ge- stellen, wenn wir sie ohne Kompais irren sehen. Prof.
drehter Gaisblattstämme aufrecht gehalten wird. Wir Schnitze, Naumburg, ist es gelungen, in seinem Garten
treten ein wenig näher, wir sehen die langen Hecken einen Ton anzuschlagen, der viele von solchen Irrenden
entlang, die den schmalen Weg wie in einen Schacht zur Besinnung gebracht hat durch jene anklingende Seite
einschliei'sen, der sich im Stammwork der Äpfelbäume der Wehmut. Ist das nicht bei jedem Kunstwerk so?
verliert — dahinten, wo die kleine Bank steht. Sie ist — Dais unsere Umwelt so selten das beste unseres
vor Alter schon ganz schief geworden. — Ich habe dieses Innenlebens sättigt, macht uns wehmütig. Hungrig nehmen
Pieckchen Erde gesehen, es ist das letzte in dieser Stadt wir die selten gebotene Speise in uns auf. Gestärkt
— und wenn die alte Haus- freuen wir uns der Verwirk-

hälterin, die dort einen freund- .-^ ...-«-——- * ,-v-——^-r-—^ lichung einer Idee, die unserem

liehen Lebensabend verbringt, _ f «■ besten Inneren zu entstam-

ihre Augen geschlossen : -i ta-jC***— r ;; ' " i 06 . men scheint, und in dieser

haben wird, wer wird das • jj !| ;! ; jj | : preude steigert sich das Be-

Häuschen mit dem ihm ans , ~ g h wui'stsein: „Zu was besserem

Herz gewachsenen Garton \ f"" ■ -_ __R ; t sind wir geboren" — wir

dann noch lieben? Ängstlich ; } [ }^.. _r——k--"-^' i ■■ v ■■ sollen, wir wollen mithelfen,

guckt es unter dem schützen- IM Iii jlj" JIM TT]~ L U. dieses Bessere zu erlangen,

den Schirm der weit über- \| . ^ \\\V JJ " '■■ OL So hat der Garten dcs Prof-

hängenden Lindenzweige her- [ ][ / ]| ] (fH Schultze-Naumburg zu

vor, als wollte es sagen: Tg crzir: ^-^Zl^-^ fF^=T? mu* gesProcnen'

„Ich passe nicht mehr zu \J JL_J| JL__J| O Anders spricht Prof.

euch, ihr hohen, roten Häuser ^^^^^-^ _ PL Behrens, denn er will uns was

mit grofsem Zierat, ich bin i——~ _ _ ------1 rr anderes sagen. Wir wollen

was anderes, ich verstehe ] -i ff""^ versuchen, es aufzufassen,

eure Sprache auch nicht — ["**! ^^^^ wie es gegeben ist. Wollte

schafft mich fort — meine man ein Theater danach be-

Zeit ist dahin." - — Vie- urteilen, wie bequem sich

len solchen altehrwürdigen darin wohnen läfst, so würde

Stätten hat fade Geldgier und — - dio ^vitW wohl ungünstig

ungesundes Strebertum den ausfallen. Wir müssen den

Garaus macht — in kleinen Zweck im Auge behalten.

Städtchen und draufsen auf 2o prof_ Behrens' Garten wird

dem Lande sind sie noch zu --- ---- nicht nur in der Ausstel-

findon, aber je grölser die -^^^ n I zrz lung, sondern auch in einem

Städte, um so weniger weisen gqg — d T TT T I T - §^ alten Schlol'spark, wo er m.

sie uns Reste dieser guten pS| a oq<* „ a^-^txs .-^ E. hingehört, als „Sonder-

Zeit auf. Sie pafsten ja pf| |Vj ^ | ^ N£) IN garten" gelten und so auf-
arten nicht mehr hinein, weil |E| " ' " lp2 gefafst werden müssen. Es
die Menschen so anders Bm*"mbe^m^-«—b—liegt. e(-was Festliches in seiner
geworden sind und wie die ...... ^—< Prägung. Die hierzu er-
Menschen sind, so sind auch ü J rj forderliche Steigerung seiner
ihre Häuser, ihre Gärten. ^^JJlflßW) gut gewählten Ausdrucks-
Das lauschig Abgeschlossene formen zu oinem starken —
wurde abgeschafft, violleicht Lageplan zum Sondergarten des Prof. Behrens auf der vielleicht allzustarken Pathos
weil es der Oberflächlichkeit Mannheimer Gartenbauausstellung. nötigt mir Bewunderung ab.
von heute zu langweilig ist, Ich schätze diese festliche
allein zu sein, — das Einfache, das Ungewollte ist immer Tonart und höre ihr gern mitunter zu. Nur mag ich
seltener geworden, weil so viele es praktischer finden, nicht immer mitsingen. Man kann nicht andauernd fest-
sich marktschreierisch bemerkbar zu machen, — das lieh gestimmt sein und das wird uns der Künstler wohl
Aufrichtige und Selbstverständliche droht verloren zu auch nicht zumuten wollen. Ich sagte: allzustarkes Pathos
ehen, denn man meint klug zu sein, wenn man in sich — vielleicht mag der massige im Steinmaterial übertrieben

und anderen das Scheinwesen fördert, wenn man das wuchtige Bau mit der Zeit durch üppiges Schlinggewächs

Selbstverständliche als zu gewöhnlich und als rückständig in seiner Härte gemildert werden. Das blendend weil'se

gering achtet. Kann man es solchen Leuten verargen, Gitterwerk dürfte trotz seiner schönen Proportionen noch

dal's ihnen das als zweckmälsig gilt, was solches Streben nicht ganz abgestimmt sein. Die blühenden Clematis-

begünstigt, und das als harmonisch, was solcher Lebens- ranken sollten in volleren tiefvioletten Akkorden den

auffassung sich anpafst? Verargen — nein, aber wir kalten Rhythmus der Architektur melodisch begleiten,

werden doch nicht mitmachen, uns nicht in ihren Dienst Der einfarbig blaue Blumenteppich wirkt zu frostig-feier-
 
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